Die 19-Jährige hat einige Tennistrainer getestet. Nun wird sie wieder von der Mutter betreut – und ist erfolgreich wie nie. Von Freitag an startet sie im österreichischen Linz in der Qualifikation.

Hamburg. An ihr Gespräch mit Carina Witthöft Anfang August beim unterklassigen ITF-Turnier in Hechingen erinnert sich Barbara Rittner, 41, noch gut. Die Bundestrainerin betreute Hamburgs beste Tennisspielerin, so wie sie es ab und an tut, um den größten deutschen Talenten ihre Wertschätzung zu zeigen. Witthöft war als Titelverteidigerin angereist, und Rittner stellte ihr eine entscheidende Frage: Wie es denn sein könne, dass sie 2013 nach dem Sieg in Hechingen Position 180 der Weltrangliste erklommen hatte und nun, ein Jahr später, noch immer in jener Region zu finden sei – und keine Entwicklung gezeigt habe?

Witthöft hat die passende Antwort dort gegeben, wo es zählt: auf dem Platz. Nicht nur, dass die 19-Jährige ihren Titel in Hechingen verteidigte. Sie gewann im September auch im englischen Barnstaple und im französischen Saint-Malo und scheiterte nach 14 Siegen in Serie in Shrewsbury (England) erst im Finale. Den Lohn spuckte am Montag der Computer der Damentennisorganisation WTA aus. In der aktuellen Weltrangliste wird Witthöft an Position 119 geführt, besser als jemals zuvor.

Die Freude darüber ist ihrem Gesicht abzulesen. Carina Witthöft sitzt in der Gastronomie der Tennisschule in Jenfeld, die ihre Eltern Gaby und Kai betreiben, knabbert Weintrauben und versucht, die jüngsten Erfolge als fast selbstverständlich wirken zu lassen.

„Das waren ja jetzt keine Grand-Slam-Turniere“, sagt sie. Und doch hat sie neue Erfahrungen gemacht, sie ist körperlich an ihre Grenzen gestoßen, als sie nach beschwerlicher Anreise von Barnstaple nach Saint-Malo noch am Ankunftstag Doppel spielen musste. Oder auch, als sie in Shrewsbury nach dem Halbfinalsieg gegen die Belgierin An-Sophie Mestach, „das anstrengendste Match meiner Karriere“, das Finale gegen die französische Qualifikantin Oceane Dodin verlor. „Da war ich einfach platt“, sagt sie.

Wie gut also, dass sie in Hamburg einen Rückzugsort hat, an dem sie sich erholen kann. Rund 25 Turniere spielt sie pro Jahr, zwischendurch streut sie, wie derzeit, Trainingswochen in der Jenfelder Tennisschule ein oder spielt für das Zweitligateam des Clubs an der Alster. Sie wohnt in dieser Zeit noch im Elternhaus in Wentorf. „Für mich ist das wie Heimaturlaub“, sagt sie.

Jene Balance aus Belastung und Entspannung ist es, die sie weiterbringen soll auf ihrem Weg in die Top 100 der Welt. Spätestens Anfang 2015 will sie die magische Grenze überschritten haben, und Rittner ist überzeugt davon, dass das noch längst nicht das Ende sein muss: „Ich sehe nach oben kein Limit für Carina. Die Voraussetzung ist aber, dass sie es wirklich will, und diesen Eindruck hat sie bei unserem Treffen in Hechingen hinterlassen.“

Dass das nicht immer so war in den vergangenen Monaten, will Witthöft nicht bestreiten. Die Phasen der Ablösung von den Eltern, die sie seit ihren Anfängen als Trainer begleiten, waren hart für beide Seiten – und zugleich so normal, wie es eben ist, wenn Teenager ihre Identität zu finden versuchen. „Wir haben Carina die lange Leine gelassen, damit sie sich ausprobieren konnte“, sagt Vater Kai. Dazu gehörte, dass die Tochter diverse Trainer beschäftigte – um schließlich festzustellen, dass die Arbeit und das Reisen mit der Mutter die besten Resultate hervorbringen.

Dass hinter vorgehaltener Hand in der Szene gelästert wird, sie sei untrainierbar, stört Witthöft nicht. „Jeder, der mich kennt, weiß, dass das nicht stimmt, und was alle anderen sagen, ist mir egal“, sagt sie. Mit ihrer Mutter fühle sie sich am wohlsten.

Das Familienunternehmen Witthöft, zu dem auch Carinas Freund Phillip zählt, der beim TTK Sachsenwald Tennis spielt und bisweilen als Sparringspartner einspringt, soll in absehbarer Zeit nicht mehr gesprengt werden. Rittner hält das für die derzeit beste Lösung, „weil die Eltern sensibel und vernünftig mit Carinas Karriereplanung umgehen“. Die Zeit des Zweifelns, ob ein Leben mit diversen Entbehrungen, das Tennisprofis führen müssen, wenn sie an die Spitze möchten, wirklich das war, was sie wollte, sei längst vorbei, sagt Carina Witthöft. „Drei Jahre um die Top 200 herumzudümpeln, darauf hätte ich keine Lust gehabt. Aber ich bin jetzt voll auf Tennis fokussiert.“ Sie arbeite professioneller, ernähre sich leistungssportgerecht und achte auf ausreichend Schlaf.

Von Freitag an startet Witthöft im österreichischen Linz in der Qualifikation. Sie wird in Zukunft häufiger bei Turnieren der mittleren WTA-Kategorie antreten, die ITF-Events sind zu klein geworden für ihre Ranglistenposition. Eins hat sich Carina Witthöft vorgenommen: „Ich muss mir zutrauen, in jedem Match so aggressiv und schnell zu spielen wie im Training, dann werde ich Erfolg haben.“