Der Hamburger Eric Johannesen und der Berliner Patrick Hausding streiten über den olympischen Austragungsort. Am 28. Oktober will das DOSB-Präsidium eine Empfehlung aussprechen.

Soma Bay. Es ist ein Wettkampf, der am grünen Tisch entschieden wird. Und doch elektrisiert die Frage der Ringe zwei Metropolen. Mit welcher Stadt soll sich Deutschland um die Olympischen Spiele 2024 oder 2028 bewerben. Hamburg? Oder Berlin? Am 28. Oktober will das zehnköpfige DOSB-Präsidium für die Mitgliederversammlung des Verbands am 6. Dezember in Dresden eine Empfehlung aussprechen. Das Abendblatt traf vorab Hamburgs Ruder-Olympiasieger Eric Johannesen und Berlins Wasserspringer-Europameister Patrick Hausding bei der Aktivwoche deutscher Spitzensportler im Robinson Club Soma Bay (Ägypten).

Hamburger Abendblatt: Im Dezember wird sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) entscheiden, ob er sich mit Berlin oder Hamburg um Olympische Sommerspiele 2024 oder folgende bewerben wird. Wie sehen Sie den Vergleich, Sie sind doch sicher glühender Anhänger der jeweiligen Idee?
Eric Johannesen: Es ist doch klar, dass jeder Sportler hier für Spiele in Deutschland ist. Die positiven Effekte sind einfach der Wahnsinn. Bestes Beispiel waren 2012 erst wieder die Briten, die jetzt in Leichtathletik, Schwimmen oder Bahnradsport alles abräumen. Die Sportförderung wird durch Olympia im Gastgeberland immer besonders angeschoben, die Medienaufmerksamkeit größer und damit die Sportarten selbst wieder attraktiver. Für uns sollte es daher in erster Linie darum gehen, dass Deutschland die Spiele bekommt, egal mit welcher Stadt.
Patrick Hausding: Zuletzt kamen aber immer die Metropolen der Gastgeberländer zum Zug. Und bei der Einwohnerzahl liegen wir Berliner nun mal klar vorn. Wenn man internationale Touristen fragen würde, würden diese auch sicher lieber nach Berlin kommen.
Johannesen: Natürlich ist eine Hauptstadt immer bekannter, aber die Spiele immer nur an Hauptstädte zu vergeben, das kann es ja nicht sein.

Zumal man sich die jeweiligen Konzepte schon ganz genau anschauen sollte.
Johannesen: Und da böte Hamburg mit Spielen am Wasser mit einem neu geschaffenen Stadtteil samt einer Zentralität, die alle Sportarten bis auf Segeln in einem Radius von zehn Kilometern ermöglicht, eine stimmige Planung. Bei Berlin wäre die Regattastrecke für uns Ruderer dagegen draußen am Beetzsee in Brandenburg. Ich selbst habe in London erst nach den Wettkämpfen im Athletendorf wohnen können, daher weiß ich, wie wichtig so ein zentrales Konzept den Aktiven ist.
Hausding: Zugegeben, in Berlin würde sich alles weiter zerstreuen. Aber dafür haben wir schon viel Substanz vorhanden: Ein Olympiastadion und viele große Hallen existieren schon, da wird Hamburg schwer gegenhalten können. Denn die Thematik Kosten und Nachhaltigkeit wird die wichtigste werden, um die Bevölkerung überzeugen zu können. Sonst bleiben Zweifel bei den Bürgern, die schon München für die Winterspiele 2022 ausgebremst haben.
Johannesen: Hamburg hat auch schon 30 von 35 Sportstätten, von denen einige aber renoviert werden müssten. Sicher müsste ein Olympiastadion her, aber das würde die Stadtentwicklung nachhaltig prägen – und die Sportentwicklung im ganzen Norden. Zurzeit steht das nördlichste deutsche Leichtathletikstadion in Braunschweig. Das muss man sich mal vor Augen halten, was man mit einem neuen Stadion in Hamburg bewirken könnte.
Hausding: Ich hatte übrigens auch noch nie einen Wettkampf in Hamburg, anscheinend gibt es auch keine ausreichende Sprunghalle dort.

Zurück zu den Zweifeln der Bürger. Wie groß ist für Sie die Gefahr, dass wie in München Bürgerentscheide die Bewerbungen stoppen?
Johannesen: Die Sportbegeisterung in Hamburg ist wirklich riesig. Ich erinnere mich, als die Olympiamannschaft 2012 mit dem Kreuzfahrtschiff aus London zurückkehrte, kam die halbe Stadt zur Begrüßung. Und bei den Kosten muss man für die nötige Transparenz sorgen: Die U-Bahn wird in Hamburg neu gebaut, ob nun mit oder ohne Olympia. Und das Straßennetz ist bei wachsenden Einwohnerzahlen jetzt schon überlastet, da muss man ohnehin im großen Stil etwas ändern. Mit Hamburg könnte das IOC einfach ein Zeichen gegen den Gigantismus setzen. Und das muss es dringend, wenn es Demokratien als Ausrichter will.
Hausding: In Berlin sind die Vorbehalte durch die Fehlplanungen am Flughafen BER besonders groß, auch politisch wird das ja gnadenlos ausgeschlachtet. Die Zahlen, die für Olympia genannt werden, müssen deshalb seriös durchgerechnet sein. Man darf da niemanden anlügen. Nur dann hat man eine Chance, Vertrauen zurückzugewinnen. Aber an der Sportbegeisterung an sich gibt es sonst keine Zweifel.

Wie viel Zustimmung genau kann es denn mal geben?
Johannesen: In Hamburg lag der Wert zuletzt bei 72 Prozent, mit einer guten Kampagne und viel Aufklärungsarbeit könnte man das vielleicht auf 80 Prozent steigern. Und das wäre eine wahnsinnig hohe Zahl. Natürlich wird es immer auch Gegner geben. Auch wegen der Probleme mit der Elbphilharmonie.
Hausding: Für Berlin kenne ich solche Zahlen nicht genau, aber es wird eindeutig schwieriger. Wir haben in der Stadt nun mal mehr sozial Schwächere, die aus Angst vor Steuererhöhungen solche Großinvestitionen scheuen.

Könnten Sie sich vorstellen, sich für die Olympiakampagne zu engagieren?
Hausding: Natürlich, auch wenn ich dann nicht mehr selbst an den Start gehen werde.
Johannesen: Hamburger Olympiastarter wie Laura Ludwig, Sebastian Bayer oder die Deibler-Brüder aus dem Schwimmen wurden vom Innensenator bereits befragt, welche Idee und Anregungen wir hätten. So wurde in den vier Sitzungen unter anderem ein Family-and-Friends-Dorf angeregt, wo Eltern und Freunde von Athleten wohnen, die sonst immer Probleme haben, bezahlbare Unterkünfte zu finden. Auch so etwas kann Hamburg zu besonderen Spielen machen.
Hausding: Da bin ich richtig neidisch drauf, das sollte eigentlich Pflicht sein. Ich könnte noch nicht mal genau sagen, wer namentlich für das jetzige Konzept verantwortlich ist.

Würden Sie eine gemeinsame Bewerbung befürworten, wenn das IOC die Regeln dementsprechend ändern sollte?
Johannesen: Auch wenn der ICE nur 90 Minuten braucht, ginge da zu viel Flair verloren. Wenn man Spiele ausrichten darf, sollte man es bestmöglich machen, aber auf keinen Fall in zwei Städten.
Hausding: Ich glaube nicht, dass wir so eine Atmosphäre wie zum Beispiel in London erreichen könnten. Außerdem würde das Gezerre darum, wer was austragen darf, doch vieles kaputtmachen.

Die Reise zur Ehrung des Champion des Jahres wurde unterstützt von Sporthilfe und Robinson.