Boxpromoter Kalle Sauerland spriocht im Interview mit dem Abendblatt über die Diskussion um Fehlurteile, das Konzept seines Profistalls und die zukünftige Fernsehpräsenz der Sportart.

Hamburg. Viele Möglichkeiten, im Ersten wie an diesem Sonnabend (22.55 Uhr) Boxkämpfe live zu sehen, gibt es möglicherweise nicht mehr. Zum Jahresende läuft der Exklusivvertrag zwischen der ARD und dem Berliner Profistall Sauerland Event aus. Im Gespräch mit dem Abendblatt skizziert Mitinhaber Kalle Sauerland, 37, wie er sich die Zukunft seines Unternehmens vorstellt und warum es trotz der Diskussion um Fehlurteile, die den Stall seit Monaten verfolgt, nicht so wichtig ist, dass Supermittelgewichts-Weltmeister Arthur Abraham seinen WBO-Titel am Sonnabend in Kiel gegen den Briten Paul Smith durch K.o. verteidigt.

Hamburger Abendblatt: Herr Sauerland, haben Sie Arthur Abraham den K.-o.-Befehl erteilt, damit Sie in Kiel nicht wieder über Fehlurteile diskutieren müssen?

Kalle Sauerland: Leider kann ich unseren Boxern keine solchen Befehle erteilen. Aber ich weiß, worauf Sie anspielen. Die Diskussion über vermeintliche Fehlurteile, die es nach einigen unserer Kampfabende gab, hat mich sehr gestört. Dennoch bleibe ich bei meiner grundsätzlichen Haltung, dass ich Kämpfe auf Augenhöhe sehen will, und die sind meistens so eng, dass sie über die Runden gehen. Das ist mir lieber, als wenn der Sieger schon vor dem Kampf feststeht und der Gegner vielleicht ein leichtes K.-o.-Opfer ist. Dann meckern die Leute übrigens genauso. Wir hatten in den vergangenen Jahren so viele enge und spannende Kämpfe wie nie zuvor, darauf sind wir stolz.

Die Vorwürfe, bei Sauerland-Kämpfen würde häufig nicht gerecht gewertet, haben dem Image Ihres Stalls sehr geschadet. Als zuletzt sogar Ihr ehemaliger Vorzeigekämpfer Henry Maske nach dem Kampf Arslan gegen Hernandez von Fehlurteil sprach, war der Aufschrei groß. Was tun Sie dagegen?

Sauerland: Es wird immer so sein, dass dort, wo Menschen über andere Menschen urteilen, einige unzufrieden mit dem Urteil sind. Und es ist überall auf der Welt so, dass es einen leichten Heimvorteil gibt. Dass darüber lebhaft diskutiert wird, gehört zum Sport dazu. Es gibt aber eine Grenze, und die ist erreicht, wenn man uns vorwirft, wir würden die Punktrichter beeinflussen. Worte wie Bestechung oder Korruption nehme ich nicht einmal in den Mund. Das ist der Tod eines jeden seriösen Promoters. Gegen diese Unterstellungen wehren wir uns. Alles andere, auch die Aussagen von Henry, hat mit Politik zu tun. Ich habe mich daran gewöhnt.

Sie sind in England aufgewachsen und vom englischen Boxen geprägt. Ist es ein deutsches Problem, dass nach Topkämpfen nur über das Urteil gemeckert wird und der Sport in den Hintergrund gerät?

Sauerland: Das gibt es in anderen Ländern genauso, und es ist auch nicht aufs Boxen beschränkt. Denken Sie an die Fußball-WM, da wurde der großartige Sport oft von Diskussionen über Fehlentscheidungen der Schiedsrichter überlagert. Mir als Sportfan gefällt das nicht, aber ich akzeptiere es.

Wurde der deutsche Boxfan in den Jahren, als der Hamburger Universum-Stall noch neben Ihnen florierte, nicht mit durchschnittlichen Kämpfen übersättigt, die die Qualität verschüttet haben?

Sauerland: Da stimme ich zu, deshalb ist unser Credo ja auch, Qualität statt Quantität zu bieten. Universum hat immer mehr auf die Masse gesetzt, während wir meistens die Stars hervorgebracht haben, denken Sie nur an Henry Maske, Sven Ottke, Axel Schulz, oder jetzt an Arthur Abraham oder Marco Huck. Wir haben unseren Stall extrem verschlankt, so dass wir nur noch Boxer haben, die entweder schon Stars sind oder denen wir zutrauen, innerhalb von sechs Monaten Hauptkämpfer zu werden. Alle unsere Boxer haben eine Geschichte und sind gut vermarktbar.

Schade nur, dass man sie im deutschen Fernsehen von 2015 an kaum noch zu sehen bekommt.

Sauerland: Einspruch! Ich bin fest überzeugt davon, dass wir auch in der Zukunft unsere Kämpfe im frei empfangbaren deutschen Fernsehen zeigen können. Unser Produkt ist hinter Fußball der zweitstärkste deutsche TV-Sport. Wir werden um die acht Events pro Jahr in Deutschland veranstalten. Und durch unsere Auslandsengagements in Skandinavien und England haben wir auch dort eine Plattform für unsere Boxer. Wir sind sehr breit aufgestellt.

Die ARD hatte in der vergangenen Woche erklärt, man könne sich vorstellen, einzelne Kämpfe zu übertragen. Ist das für Sie ein Modell für die Zukunft? Dass Sie Ihre Kämpfe anbieten und der Sender mit dem höchsten Gebot darf sie zeigen?

Sauerland: Zu unserem Zukunftsmodell kann ich in zwei, drei Wochen Konkretes sagen. Grundsätzlich gilt, dass wir mit vielen interessierten Sendern täglich Gespräche führen. Das Wichtigste für uns ist, dass es weiter Live-Boxen in Deutschland gibt. Ich wünsche mir aber auch eine Plattform, auf der wir unseren Nachwuchs präsentieren können. Das muss kein TV-Sender sein, auch eine ambitionierte Internetpräsenz wäre denkbar. Dort wollen wir die Kämpfer vorstellen, damit die Fans sich mehr mit ihnen identifizieren können. Wir wollen eine regelmäßige Talkshow zum Thema Boxen anbieten, denn wir müssen an neue Zielgruppen herankommen. Das ist ein wichtiger Teil unseres neuen Konzepts, denn wir brauchen die großen Kämpfe und Stars genauso wie den Nachwuchs. Unser Sport ist doch so schön, weil er so einfach ist, jeder versteht ihn. Wir müssen zurück zu den Wurzeln und das tun, was wir am besten können: Stars aufbauen und große Kämpfe organisieren. Dann müssen wir uns nicht um die Zukunft sorgen.