Beim ersten Rennen der neuen Formel-E-Serie scheiterte der ehemalige Formel-1-Pilot Nick Heidfeld nur wenige Meter vor dem Ziel. Der Brasilianer Lucas di Grassi gewann in einem vollelektrischen Audi.

Peking. Nick Heidfeld krabbelte auf allen vieren aus dem Wrack seines kopfüber gelandeten Autos und rannte wutentbrannt hinter seinem Widersacher Nicolas Prost her, in der Box schüttelte dessen Vater, der viermalige Formel-1-Weltmeister Alain Prost, genervt den Kopf: Bei der Premiere der Formel E im Olympiapark von Peking hatte Nico Prost vom Start weg souverän geführt, ehe er wenige Meter vor dem Ziel einen spektakulären Crash mit Heidfeld provozierte, den der Deutsche nur mit viel Glück unverletzt überstand.

„Ich ärgere mich einfach nur. Ich hatte extra für die Schlussoffensive reichlich Energie gespart“, sagte Heidfeld, der für das Team von Hollywoodstar Leonardo DiCaprio fährt, bei Auto Bild Motorsport: „In meinen Augen war ich an ihm vorbei, denn ich war auf mehr als halber Höhe und er konnte nicht einlenken, weil ich eben da war. Es war meine Kurve.“

Nutznießer der Aktion war der Brasilianer Lucas di Grassi, der für das deutsche Abt-Team den historischen ersten Sieg in der Formel E holte. Hinter dem Franzosen Franck Montagny fuhr Teamchef-Sohn Daniel Abt auf Platz drei, wurde aber von der Rennleitung auf Platz zehn zurückgestuft, weil er zuviel Energie verbraucht hatte.

„Ich freue mich über den Sieg, aber nicht darüber, wie er zustande gekommen ist“, sagte Di Grassi: „Vor allem bin ich froh, dass Nick nichts passiert ist.“ Heidfeld war bei dem Versuch, den vom Start weg führenden Prost kurz vor der Zielinie noch zu überholen, von dem Franzosen nach links abgedrängt worden. Das Auto des Mönchengladbachers geriet auf den Randstein, hob ab, überschlug sich und landete mit den Rädern nach oben auf der Strecke. Auch Prost musste sein Auto abstellen, am Ende wurden die beiden auf den Plätzen zwölf (Prost) und 13 gewertet.

„Nachdem ich zwei Sekunden kopfüber lag, war ich wieder am Funk und habe geschrien, was das für eine Scheiße ist. Dann habe ich den Daumen hochgereckt und gezeigt, dass es mir gut geht“, sagte Heidfeld: „Ich war selbst überrascht, dass es nicht mehr wehgetan hat. Ich merke jetzt meine linke Wade und direkt nach dem Crash mein rechtes Ohr. Das hat sich mittlerweile allerdings gelegt.“

Heidfeld, zu Beginn seiner Formel-1-Karriere im Jahr 2000 für das damalige Team von Alain Prost unterwegs, war in Peking von Platz sechs gestartet und hatte sich nach dem planmäßigen Autowechsel in der 14. von 25 Runden auf den zweiten Platz vorgeschoben. Lange sah es nicht so aus, als könne er Pole-Mann Nicolas Prost bei vier Sekunden Rückstand überhaupt noch gefährden, doch in den letzten vier Runden kam Heidfeld dem Franzosen immer näher.

Kurz vor der letzten Kurve wollte sich Heidfeld dann links an Prost vorbeidrängen, doch der machte im letzten Moment die Tür zu und schickte den Deutschen auf die Abschussrampe. „Zum Glück ist ihm nichts passiert, das ist mir persönlich im Moment viel wichtiger als die Punkte, die er verloren hat“, sagte Heidfelds Bruder Sven als Co-Kommentator beim übertragenden TV-Sender Sky.

In der neu ins Leben gerufenen Formel E fahren alle Teams das gleiche Fahrzeug, einen Spark-Renault SRT_01. McLaren liefert Motor und Getriebe, das Chassis stammt von Dallara, die Batterien sind von Williams. Die Autos leisten bis zu 270 PS und sind bis zu 230 km/schnell. Jeder Fahrer setzt im Rennen, das in Peking bei einer Safety-Car-Phase knapp 60 Minuten dauerte, zwei Fahrzeuge ein. Der nächste Lauf der zehn Rennen umfassenden Formel E findet am 22. November in Malaysia statt.