Radprofi Alexander Kristoff aus Norwegen ließ am Sonntag nach 247 Kilometern den deutschen Mitfavoriten André Greipel und Marcel Kittel im Massenspurt keine Chance. Nach knapp sechs Stunden kam er ins Ziel.

Hamburg. Radprofi Alexander Kristoff hat den Masterplan der deutschen Topsprinter Marcel Kittel und André Greipel durchkreuzt. Der Norweger gewann am Sonntag das wichtigste einheimische Eintagesrennen und feierte bei den Cyclassics seinen ersten Sieg. Nach 247,2 Kilometern ließ Kristoff im Massensprint auf der Hamburger Mönckebergstraße der Konkurrenz keine Chance.

Der zweifache Etappensieger der Frankreich-Rundfahrt, der vor gut vier Wochen im Tour-Finale auf den Pariser Champs Elysées eine schmerzliche Niederlage gegen Kittel hatte einstecken müssen, verwies den Italiener Giacomo Nizzolo und Simon Gerrans (Australien) auf die Plätze zwei und drei. „Leider konnte mich die Mannschaft im Finale nicht wie gewünscht nach vorne fahren. Ich bin dann von Position 20 noch auf sechs gefahren, mehr war nicht drin heute“, sagte Kittel.

Die deutschen Mitfavoriten Kittel, zuletzt bei der Tour de France vierfacher Etappensieger, und der zweifache deutsche Meister Greipel hatten keine Chance gegen den kraftvollen Kristoff. Kittel war zwar auch bei der vierten Besteigung des Waseberges, der einzigen Schwierigkeit des Tages, mit den Besten zusammengeblieben. Aber im Finale war der 26 Jahre alte Thüringer etwas eingebaut und kam nicht mehr ganz nach vorne. Der Giant-Shimao-Kapitän hatte mit der Entscheidung nichts zu tun.

Ein Platz vor ihm, auf Rang fünf, rollte Ex-Weltmeister Mark Cavendish (England) über die Ziellinie, der sein zweites Rennen nach seiner Sturzverletzung zum Auftakt der Tour bestritt. Greipel, der die vorangegangene Eneco-Tour wegen einer Halsentzündung abbrechen musste, kam nicht unter die ersten 25. Er fuhr nicht in der ersten Gruppe. Ein Sturz 78 Kilometer vor dem Ziel hatte dem gebürtigen Rostocker offensichtlich mehr zugesetzt als gedacht. Der 32-Jährige hatte sich Schürfwunden am Ellenbogen zugezogen.

Kittel hatte den Rat seines Freundes und Teamkollegen John Degenkolb, der das Rennen im Vorjahr gewann und zurzeit bei der Vuelta im Einsatz ist, nicht befolgt. Auf der rechten Seite der Mönckebergstraße lag er im Finale nicht richtig.„Kristoff war unheimlich stark“, konstatierte er als fairer Verlierer. Auch der Norweger hatte im Schlussspurt zu Beginn keine freie Bahn. „Ich war zum Schluss etwas eingebaut, aber dann hat es dennoch geklappt – ich freue mich sehr über diesen Sieg“, sagte der Profi aus der russischen Katusha-Mannschaft, der sich durch zwei Tageserfolge beim Artic Race in seiner Heimat für einen Sieg in Hamburg empfohlen hatte.

Im März hatte er den ersten Frühjahrs-Klassiker Mailand-San Remo gewonnen. Lange hatten mit Björn Thurau, Geburtstagskind Jan Matzka (Villingen-Schwenningen) vom NetApp-Team und dem Italiener Niccolo Bonifazio drei Ausreißer die 19. Auflage des Rennens bestimmt. Sie waren über 200 Kilometer allein unterwegs. Aber auf der dritten von vier Passagen über den Waseberg hatte das Feld 28 Kilometer vor dem Ziel aufgeschlossen. Nach Angaben der Veranstalter verfolgten rund 600.000 Zuschauer das Rennen durch Hamburg. Vor den Profis waren über 20.000 Hobbyradler auf die Strecke gegangen.

Großes Helferteam sorgt für reibungslosen Ablauf

Die Cyclassics sind nicht nur für die Athleten im Sattel eine Herausforderung. Auch für die Organisatoren steht hinter dem Wettkampf ein Kraftakt. Damit sich die rund 22.000 Teilnehmer einzig auf ihre Leistung konzentrieren konnten, sorgten zahlreiche Helfer für einen reibungslosen Ablauf. „Wir sind bei so einer Großveranstaltung natürlich auf die freiwillige Unterstützung angewiesen“, erklärte Cyclassics-Pressesprecher Reinald Achilles.

Allein 1200 Streckenposten standen bereit. 600 weitere Helfer, 500 Polizeibeamte, 100 Einsatzkräfte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), 100 Fahrrad-Guides und 90 Motorradfahrer halfen am Wettkampftag. An den Verpflegungsständen gingen 25.000 Bananen und Orangen sowie 30.000 Getränke zur Stärkung der Athleten über den Tresen.


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Wer sich in dem harten Rennen verausgabt hatte, konnte auf den Massagebänken am Jungfernstieg entspannen. Insgesamt warteten rund 40 Physiotherapeuten auf die Athleten, um bei Bedarf muskuläre Probleme zu lindern. „Der Dienst wurde in diesem Jahr sehr gut angenommen“, berichtete Clarissa Schaps, die seit dem frühen Morgen mit zahlreichen Kollegen bereitstand. „Nicht jeder, der zu uns kommt, ist von Krämpfen geschüttelt“, sagte Schaps. Das Angebot gelte aber für alle Teilnehmer.

Der Wismarer Peter Krohn, der mit stolzen 75 Jahren am Jedermann-Rennen teilnahm, trat auch aufgrund der guten Rahmenbedingungen zum 13. Mal bei den Cyclassics an. „Die Strecke durch die Hamburger Innenstadt ist natürlich auch etwas Besonderes“, sagte er nach seinem 55-Kilometer-Rennen. Die letzte Teilnahme soll es für Krohn aber nicht gewesen sein. „Ich halte mich zu Hause drei- bis viermal wöchentlich auf dem Rad fit“, erklärte der Rentner, der gemeinsam mit seinem 42 Jahre alten Sohn auf die Strecke gegangen war.

Das Rennen über 155 Kilometer entschied Daniel Knyss (Team merkur-druck.com) nach den vorläufigen Ergebnissen in 3:46,46 Stunden für sich. Über die 100-Kilometer-Strecke kam Mario Matysiak (Team Drinkuth-Multipower 1) in 2:32,44 Stunden als Erster ins Ziel. Thorben Woelki (Team von Hacht) war auf den 55 Kilometern mit 1:24,37 Stunden der Schnellste.

Auf dem Jedermann-Rennen lag ohnehin ein besonderes Augenmerk, da ein ehemaliger Sicherungsverwahrter an den Start ging. Bereits im Vorfeld hatte seine Anmeldung für viel Aufregung gesorgt. Er absolvierte die 55-Kilometer-Strecke, wurde dabei allerdings – wie sonst auch üblich - von zwei Beamten überwacht. Das teilte ein Polizeisprecher am Sonntag mit. Der im Februar 2012 entlassene Mann saß zuletzt wegen versuchten Mordes und Vergewaltigung im Gefängnis.