Trainer Ulli Wegner und Fritz Sdunek sowie die Betreuer gingen verbal aufeinander los. Über Henry Maske war der Promoter nach dem Sieg von Hernandez besonders empört.

Erfurt. Selbst wenn der Kampf in einer Hutfabrik stattgefunden hätte und nicht in der Messe Erfurt, ja, selbst dann wären am Ende einer kontroversen Boxnacht nicht ausreichend Kopfbedeckungen vorhanden gewesen, um sie in angemessener Zahl vor Firat Arslan zu ziehen. Man muss diesen Deutschtürken aus dem schwäbischen Süßen ja schon allein deshalb mögen, weil er stets Fairness vor faule Sprüche stellt, weil er ein Muster an Willenskraft und ein Vorbild für die Jugend ist, für die er sich engagiert.

Aber dass diese Kampfmaschine, die Arslan im Ring ist, es auch im vorgerückten Alter von demnächst 44 Jahren immer noch schafft, mit der Weltspitze in seinem Gewichtslimit, dem Cruisergewicht, mitzuhalten, das ist nicht hoch genug anzuerkennen.

Auch gegen IBF-Weltmeister Yoan Pablo Hernandez, seinen 14 Jahre jüngeren Rivalen aus dem Berliner Sauerland-Team, dem auch Arslan angehört, war wieder zu beobachten, wie man es ohne großes Talent für den Boxsport schaffen kann, auch einen mit Können so reich beschenkten Kubaner wie Hernandez an den Rand einer Niederlage zu bringen. Die pure Kraft, die den früheren WBA-Weltmeister pausenlos vorwärts marschieren lässt, setzte auch Hernandez in einer Form zu, die viele vorher nicht erwartet hatten.

Aber zur Wahrheit gehört auch, dass Arslan diesen Kampf nicht gewonnen hat, auch wenn sich im Anschluss an das Urteil, das Hernandez als 2:1-Punktsieger auswies, eine hitzige Diskussion darüber entwickelte. Vier, maximal fünf Runden konnte man dem Herausforderer zugestehen, doch über die gesamte Kampfdistanz war Hernandez dank seiner technischen Vorteile der Mann, der die besseren, klareren Treffer setzte. Dass ihn also zwei Punktrichter mit 116:113 und 115:113 vorn sahen, während der dritte Kollege Arslan zwei Runden Vorsprung gab, war verdient.

Die Diskussion im Anschluss an das hochklassige Duell entzündete sich vor allem daran, dass die deutsche Box-Ikone Henry Maske als Experte des übertragenden Senders ARD Arslan als Sieger gesehen hatte und die Wertung der Punktrichter als Fehlurteil geißelte. Das war schon insofern falsch, als dass es für das über viele Runde enge Gefecht kaum ein gerechteres Urteil als eine Split Decision hatte geben können.

Aber natürlich waren Maskes Worte Wasser auf die Mühlen des Arslan-Lagers, das sich betrogen fühlte. „Für mich hat Firat ganz klar gewonnen“, schimpfte Trainer Dieter Wittmann, und Weltmeistermacher Fritz Sdunek, den Arslan für seine wohl letzte WM-Chance ins Team geholt hatte, zürnte: „Solche Urteile machen das Boxen kaputt. Firat ist auf jeden Fall Weltmeister der Herzen.“

Das wollten jedoch die Promoter keinesfalls auf sich sitzen lassen. Wilfried Sauerland und sein Sohn Kalle legten sich auf der Pressekonferenz mit Wittmann an, Hernandez’ Trainer Ulli Wegner verstieg sich in der ihm eigenen Art der nebulösen Ankündigungen zu einer Verschwörungstheorie gegen Maske, die er dann nicht weiter ausführen wollte.

„Das ist eine Sauerei von Henry, aber es gibt Gründe, warum er das sagt“, schimpfte Wegner. Dass er selbst mit einer schlecht gewählten Taktik dazu beigetragen hatte, dass sich sein Schützling zunächst müde schlug und dann zum Ende des Kampfes lethargisch abwartete, obwohl auch Arslan nichts mehr zuzusetzen hatte, ging deshalb fast unter.

„Für mich war es ein knapper Kampf, aber an dem Sieg für Pablo gibt es nichts zu deuteln. Er hat heute sicherlich nicht seine beste Leistung abgeliefert, das waren vielleicht 70 Prozent. Aber auch wenn ich riesigen Respekt für Firats Leistung habe, war Pablos Sieg verdient“, sagte Kalle Sauerland.

Für die Sauerlands war die Streiterei um die Punktwertung insofern schwer erträglich, weil die Vorwürfe, auf ihren Veranstaltungen seien Fehlurteile an der Tagesordnung, sich seit Monaten hartnäckig halten. Im Kampf um eine Fortsetzung der zum Jahresende auslaufenden Kooperation mit der ARD sind Diskussionen dieser Art natürlich kontraproduktiv.

Hernandez selbst sah sich als klaren Sieger, „weil ich besser getroffen habe. Dennoch war es ein sehr harter Kampf, und ich habe großen Respekt vor Firats Leistung.“ Der Mann, dessen Urteil man gern gehört hätte, hatte derweil andere Probleme. Firat Arslan musste sich an einer schweren Platzwunde am rechten Ohr behandeln lassen, während die Pressekonferenz lief, zudem hatte er seine Dopingkontrolle zu absolvieren.

Übermitteln ließ er durch Sdunek und Wittmann lediglich, dass er sich für die Chance bedanke, die man ihm gewährt habe. Und dass er weiterkämpfen wolle, möglicherweise auch einen Rückkampf gegen Hernandez. Wer ihn in Erfurt sah, der dürfte Arslans Entscheidung nicht nur nachvollziehen, sondern vor allem gutheißen können.