Mona Barthel aus Neumünster gewann ihr drittes großes Turnier. Im Abendblatt spricht sie über ihr Idol Steffi Graf, die Krebserkrankung ihrer Eltern und die US Open

Mona Barthel suchte sich das Café „Klatsch Palais“ in Neumünster für das Frühstücksinterview aus, genau im Herzen ihrer Heimatstadt. Nur 25 Meter Luftlinie entfernt hat ihr Vater Dr. Wolfgang Barthel seine Arztpraxis. Die 24 Jahre alte Profitennisspielerin kommt angeradelt und ist überpünktlich. Sie bestellt sich nur ein Kännchen Pfefferminztee. Einmal stoppt ein Spaziergänger: „Sind Sie nicht...? Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Erfolg in Schweden!“ Eine der bekanntesten Neumünsteranerinnen lächelt verlegen. Im Interview spricht die Weltranglisten-42. über die Bedeutung ihres jüngsten Turniersieges für die weitere Karriere und ihr Leben.

Hamburger Abendblatt:

Was haben Sie sich von den 42.000 Euro Preisgeld für Ihren Triumph in Båstad gekauft?

Mona Barthel:

Einen Koffer – einen wirklich qualitativ hochwertigen – wie ich hoffe, wir werden ihn testen. Bei den letzten, die ich hatte, waren immer die Henkel abgerissen, oder die Rollen waren unten weg – nach nur einmal fliegen. Jetzt habe ich mal richtig Geld in die Hand genommen. (lacht)

Ihr dritter WTA-Titel kam ziemlich unverhofft. Wie erklären Sie sich diesen Coup nach einem „sehr schwierigen letzten Jahr“, wie Sie selbst sagen?

Barthel:

Seit April, Mai habe ich mein Team etwas verändert. Ich habe den Schritt hinaus aus meiner Heimatstadt Neumünster gewagt und trainiere jetzt in der Schüttler-Waske-Akademie in Offenbach. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich nochmal ein neues Umfeld brauchte, neuen Input, um den letzten Schritt zu machen, weil‘s einfach auch nicht so gut lief und ich mit vielen Erstrundenniederlagen umgehen musste. Ich bin in den letzten Wochen nun immer mit einem Travelcoach gereist; vorher war ich ja immer allein mit meiner Mama unterwegs. Ich fand, dass meine Ergebnisse in den letzten Wochen schon konstanter wurden. In Båstad hat dann alles zusammengepasst. Dass es jetzt gleich mit einem Turniersieg klappt, ist unglaublich.

Sie haben es schon angesprochen, dass Sie bisher immer nur mit Ihrer Mutter Hannelore gereist sind, einer frühpensionierten Lehrerin. Ihr Vater Wolfgang, einst Junioren-Europameister im Kugelstoßen und heute Gynäkologe, war lange Zeit zu Hause ihr Kraft- und Konditionstrainer. Das wurde Ihnen oft als „Sonderweg“ ausgelegt.

Barthel:

Ach, jede geht so ihren speziellen Weg. Eigentlich reisen relativ viele mit ihren Eltern. Meistens sind die Väter mit - wie bei Caroline Wozniacki oder Sabine Lisicki. Es stört mich, wenn es manche Leute teilweise so darstellen, als wenn meine Mutter und ich uns nicht trennen könnten oder sie zu viel in meinem Leben bestimmen wolle. Das mit meiner Mama ist ja auch nie so geplant gewesen. Auf der einen Seite hat das Geld gespart. Am Anfang hat man das Geld einfach noch nicht, sich einen Tourcoach leisten zu können, wir haben früher bei Turnieren oft gezeltet. Vor allem aber war meine Mama ja schwer krebskrank. Ihre Chancen, dass sie noch fünf Jahre weiterlebt, waren extrem gering. Deshalb war es für mich eine richtige Entscheidung, dass ich sie dann lieber mitnehme und die Zeit mit ihr zusammen verbringe, ehe sie zu Hause sitzt und traurig die Wand anstarrt. Wir haben sehr viel Glück gehabt, dass es ihr jetzt wieder so gut geht. Ich habe die Zeit mit ihr genossen und sie hat mir auch viel weitergeholfen.

War die Erkrankung Ihrer Mutter auch Teil Ihres „schwierigen Jahres“ 2013?

Barthel:

Natürlich belastet einen das auch. Mein Papa hat dann im letzten Jahr auch noch Krebs bekommen. Das waren viele Sachen, mit denen ich privat umgehen musste. Inzwischen geht auch meinem Papa zum Glück wieder besser.

Haben Sie die Entscheidung allein getroffen, sich zu lösen und einen Tour-coach zu nehmen?

Barthel:

Die Entscheidung kam auf jeden Fall von mir. Meine Mutter freut sich auch, wenn sie mal wieder ein bisschen zu Hause sein kann und mein Vater freut sich auch. Der war ja sonst auch viel alleine.

Ihr großes Idol war seit jeher Steffi Graf. Sie waren als Kind quasi ihr Double.

Barthel:

Ja, ich habe Steffi früher sehr geliebt. Ich hatte immer die gleichen Klamotten wie sie: Den Adidas-Rock mit den blauen Blumen gab‘s nur noch in Damengröße XXL, aber meine Mutter hat mir daraus einen Wickelrock genäht. Ich hatte auch den gleichen Schlägen – diesen weißen Wilson-Schläger mit ein bisschen rosa und blau. Wenn mich jemand gefragt hat, wie ich denn heiße, habe ich geantwortet: „Steffi“.

Die anderen deutschen Fedcup-Spielerinnen haben Steffi Graf alle nach und nach kennengelernt. Sie auch schon?

Barthel:

Leider immer noch nicht, ich wurde noch nicht erhört. (lacht)

Wie Graf haben Sie sehr rasante Schläge und wirken manchmal etwas ungeduldig auf dem Platz...

Barthel:

Meine Stärken sind auf jeden Fall, dass ich das Spiel gut bestimmen kann, einen guten Aufschlag habe und schnelle Grundschläge. Aber ich darf nicht einfach nur blind drauflos hauen, sondern muss Alternativen suchen, wenn es mal nicht so läuft, kreativer werden. Daran arbeite ich gerade, mal zu variieren, dass ich noch mehr ans Netz komme, mal einen Stopp spiele, einen Slice oder einen hohen Topspin-Ball.

Man kann es kaum glauben angesichts Ihrer heutzutage brutalen Grundschläge und Ihrer 1,85-Meter-Körpergröße, aber als Zwölfjährige waren Sie eine kleine Mondballspielerin...

Barthel:

Genau! (lacht) Es ist etwas verloren gegangen über die Jahre und da möchte ich die Mischung wieder finden.

An was haben Sie in der Akademie bisher noch gearbeitet?

Barthel:

Da waren viele technische Sachen, die wir verbessert haben, auch viel taktisch im ganzen Spiel, aber auch viel mental: Ich bin dann irgendwann nach ein paar Erstrundenniederlagen in so eine Negativspirale geraten. Mir war das in dem Moment gar nicht so bewusst, aber wenn ich jetzt zurückblicke, denke ich „Uiuiui“. Da haben sie mich wirklich rausgeholt. Mental war ich in Båstad auch sehr stark.

Wer ist jetzt genau Ihr Coach?

Barthel:

Daniel Puttkammer aus Oldenburg, der auch mal Dustin Brown betreut hat, kümmert sich hauptsächlich um mich und reist mit mir. Jetzt in Schweden war aber Sönke Capell mit dabei. Er kommt ja selbst aus Neumünster , bei ihm habe ich schon in meiner Kindheit trainiert. Sönke arbeitet inzwischen wochenweise in Offenbach, und über ihn entstand der Kontakt.

Haben Sie in der Waske-Schüttler-Akademie auch Kontakt zu Andrea Petkovic?

„Petko“ hat jetzt auch ihren Tourcoach Eric van Harpen. Aber wenn sie zu Hause in Hessen ist, ist sie oft in der Akademie. Bisher hat es noch nicht geklappt, dass wir mal trainieren. Wir waren erst einmal zur gleichen Zeit da und sie musste auf Hartplatz spielen, weil sie noch ein Turnier auf Hartcourt hatte, und ich war da schon auf Sand.

Wie ist Ihr Verhältnis zu den anderen beiden Schleswig-Holsteinerinnen Angelique Kerber aus Kiel und Julia Görges aus Bad Oldesloe?

Barthel:

Wir sind zwar nicht zusammen aufgewachsen, weil wir in einer anderen Altersgruppe waren und wir sind auch nicht alle hier, so dass wir zusammen trainieren könnten, aber es ist wie mit den anderen Deutschen, wir verstehen uns alle gut. Es passt einfach.

Wenn Sie mal Freizeit haben zu Hause oder im Hotel, was machen Sie dann?

Barthel:

Dann gucke ich ein paar Serien wie „The Big Bang Theory“, da kann ich schon auswendig mitsprechen. Mit Informatik und meiner Homepage beschäftige ich mich nicht mehr so viel, ich probiere gern immer wieder Neues aus. In der Off-Season habe ich ein paar Kleider selbstgemacht, aber die hatte ich eher im Training an. Wenn ich reise, ist das Designen schwierig. Ich habe keine Reisenähmaschine und keinen Batzen Stoff in meinem Koffer.

Sie haben eine Klasse übersprungen und ein Einser-Abitur mit den Leistungskursen Informatik und Mathematik gemacht. Sie gelten oft als introvertierte, kühle Strategin. Wie würden Sie selbst Ihren Charakter beschreiben?

Barthel:

Ach, ich weiß nicht, was die Leute so von mir denken. So extrem introvertiert bin ich nicht. Natürlich bin ich ruhiger, wenn ich die Leute nicht kenne. Es ist nicht so, dass ich den ganzen Tag zu Hause im Zimmer sitze, nichts tue und kein Wort sage. Ich bin auf jeden Fall ein sehr ehrgeiziger und disziplinierter Mensch, ich gehe an die Sachen organisiert und strukturiert heran und bleibe auch dabei. Ansonsten bin ich ein positiver, fröhlicher Mensch: Ich genieße das, was ich mache.

Wie ist jetzt Ihr weiterer Fahrplan für die kommenden Wochen?

Barthel:

Jetzt trainiere ich knapp zwei Wochen in Offenbach, dann geht‘s nach Amerika: Cincinnati, New Haven, US Open. Dann wieder zurück nach Deutschland und dann nach Asien.

Was haben Sie sich vorgenommen für die Hartplatzsaison, immerhin ist das Ihr erklärter Lieblingsbelag?

Barthel:

Bei den US Open würde ich gern wieder die dritte Runde erreichen wie bei den Australian Open und den French Open. Es kommt aber auch immer auf die Auslosung an. In Wimbledon in der zweiten Runde hat mich Petra Kvitova einfach überrannt – naja, sie hat ja dann auch das Turnier gewonnen.

Wo möchten Sie bis zum Ende des Jahres stehen?

Barthel:

Top 32 wäre schön, so dass ich bei den Australian Open wieder gesetzt bin. Das ist ein realistisches Ziel, ich habe jetzt nicht mehr viel zu verteidigen.

Und Ihr Karrieretraum?

Barthel:

Ich würde gern die Top-Ten erreichen. Ich stand ja schon mal auf 23 und glaube, dass ich noch Potenzial habe, aber ich muss konstanter werden. Und natürlich träumt jede Tennisspielerin von einem Grand-Slam-Sieg.

Es hieß mal, Sie hätten als einzige aus dem deutschen Fedcup-Team keinen Porsche vom Teamsponsor gestellt bekommen . Fahren Sie inzwischen Porsche?

Barthel:

Ich hatte ihn für ein halbes Jahr. Dann wurde er mir wieder weggenommen (lacht). Es kriegen ihn wohl nur die besten vier und zu dem Zeitpunkt war ich die deutsche Nummer fünf. Aber ich bin froh, dass ich ihn überhaupt mal hatte.