Die HSV-Handballer verhandeln mit dem zurückgetretenen Präsidenten Andreas Rudolph über Lösungen, um die Insolvenz zu vermeiden. Derweil streckt Kiel seine Fühler nach Hamburger Spielern aus.

Hamburg. Die HSV-Handballer haben in ihrer bislang zwölfjährigen Geschichte sporthistorische Momente erlebt, den Gewinn der deutschen Meisterschaft 2011 und den Triumph in der Champions League vor elfeinhalb Monaten. Am Donnerstagvormittag könnte nun eine ebenfalls denkwürdige Entscheidung dazugekommen, die allerdings droht die Existenz des Vereins infrage zu stellen. Das Präsidium der Handball-Bundesliga (HBL) wird auf seiner Sitzung in Dortmund aller Voraussicht nach den Hamburgern die Lizenz für die kommende Spielzeit verweigern. Das empfiehlt zumindest die Lizenzierungskommission der HBL.

Nach postalischer Zustellung des Beschlusses hat der HSV eine Woche lang Zeit, auf der Basis neuer Etatdaten Widerspruch einzulegen. Für das für die Saison 2014/15 kalkulierte Budget von 8,1 Millionen Euro fehlte der HBL bislang eine entsprechende Deckung auf der Einnahmenseite. Die lag bis zum Mittwochabend nicht vor. Zwar hatte der am vergangenen Donnerstag zurückgetretene HSV-Präsident Andreas Rudolph gegenüber HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann noch im Februar erklärt, wie in der Vergangenheit für mögliche Defizite aufkommen zu wollen, danach dieses Versprechen aber nicht mit der inzwischen notwendigen Bankgarantie unterfüttert. „Wenn wir unsere Richtlinien ernst nehmen wollen, bleibt uns leider keine andere Wahl, als dem HSV im ersten Durchgang die Lizenz zu verweigern“, verlautete es am Mittwoch aus HBL-Kreisen.

Die Entwicklung kommt für den Club nicht überraschend. Dem HSV fehlen bis zum Saisonende am 30. Juni drei Millionen Euro; akut etwa eine Million, um die Insolvenz der Spielbetriebs-GmbH & Co. KG abzuwenden. An diesem Donnerstag werden rund 480.000 Euro Abgaben an die Berufsgenossenschaft (BG) fällig; Geld, das der HSV derzeit nicht auf seinen Konten hat. Die Gefahr eines Fremdinsolvenzantrags wächst damit, auch wenn die BG in ähnlichen Fällen Geduld bewies. Der Verein jedenfalls arbeitet seit Tagen rund um die Uhr an Lösungen.

Auch Rudolph scheint wieder gewillt, konstruktiv an diesem Prozess teilzunehmen. Dem Abendblatt sagte er lediglich: „Ich weiß nichts, und ich habe nichts zu vermelden.“ Doch soll der Hauptsponsor und Mäzen bereits einen Sanierungsplan unterbreitet haben. Rudolph ist demnach bereit, dem Verein mit frischem Geld zu helfen, wenn im Gegenzug alle Beteiligten ihren Beitrag leisten: Gläubiger Forderungen stunden, Spieler und Trainer Gehaltskürzungen akzeptieren. Die Deckungslücke könnte auf diesem Weg um etwa 1,5 Millionen Euro auf knapp die Hälfte reduziert werden. Weitere Kosten wie BG und Junigehälter würden als Last in die neue Saison fortgeschrieben – und wären damit eine schwere Hypothek für einen Neuanfang ohne Rudolph.

Die Mannschaft, deren Aprilgehälter seit dem 5. Mai ausstehen, dürfte in der Frage von Gehaltskürzungen zumindest gesprächsbereit sein. Auch andere prominente Vereine wie Flensburg oder die Rhein-Neckar Löwen haben in der jüngeren Vergangenheit finanzielle Engpässe auf diese Weise überwunden. „Wir sind zu vielem bereit, weil wir alle diesen Verein lieben“, sagte Trainer Martin Schwalb.

Interimspräsident Frank Spillner bleibt optimistisch, die Probleme händeln zu können. Ohne Rudolphs Hilfe betrügen die Überlebenschancen allerdings lediglich 20 Prozent.

Erste Vorschläge eines alternativen Etats zur nächsten Saison ohne Rudolphs Zuschüsse und Sponsoringleistungen liegen vor. Er soll rund fünf Millionen Euro betragen, kaum mehr als die Hälfte des Budgets der Saison 2012/13. Einen entsprechenden, korrigierten Entwurf wollte der HSV der Liga kurzfristig vorlegen, um noch die Wende in der Lizenzfrage zu schaffen.

Geplant ist, dass alle Leistungsträger gehalten werden, zu reduzierten Konditionen. Den langjährigen Stammspielern Matthias Flohr und Torsten Jansen würden neue Angebote unterbreitet. Ob Nationaltorwart Johannes Bitter und Spielmacher Joan Cañellas unter diesen Bedingungen blieben, wäre abzuwarten. An beiden ist der THW Kiel interessiert. Bitter, der von Bundestrainer Martin Heuberger in den erweiterten Kader für die WM-Play-offs gegen Polen (7. und 14. Juni) berufen wurde, könnte das Torhüterproblem des Rekordmeisters lösen, Cañellas den Isländer Aron Pálmarsson ersetzen, der Kiel verlassen will.