In den Runden vier, acht und elf wies Culcay seine Extraklasse mit schönen Kombinationen nach. „Langsam kommt die alte Lockerheit zurück, ich bin mit dem Kampf heute zufrieden“, sagte der Hamburger Boxer.

Wer das Dilemma verstehen wollte, in dem sich Jack Culcay verfangen hat, der musste in der Nacht zum 6. April in der Rostocker Stadthalle in seiner Ringecke lauschen. Sein Vater Roberto redete in seiner spanischen Muttersprache auf den Hamburger Halbmittelgewichtsboxer ein. Sein Interimstrainer Artur Grigorian benutzte das ihm eigene deutsch-usbekisch-armenische Sprachgemisch, und Moritz Klatten, Athletikcoach und Manager in Personalunion, gab Anweisungen in klarem Deutsch. War es da ein Wunder, dass der 28-Jährige bei der Verteidigung seines WBA-Interkontinentaltitels gegen Afrikameister Salim Larbi aus Algerien keine Linie in seine Aktionen bringen konnte?

Nein, am deutlichen Punktsieg, den alle drei Punktrichter nach zwölf Runden mit 117:111 auch in der Höhe verdient errechnet hatten, gab es nichts zu deuteln; in den Runden vier, acht und elf wies Culcay seine Extraklasse mit schönen Kombinationen nach. Wohl aber musste sich der Amateurweltmeister von 2009 die Kritik gefallen lassen, die er schon nach vorangegangenen Kämpfen hatte einstecken müssen: Dass er sich von Gegnern der Mittelklasse, wie der unbequeme, aber ebenso limitierte Larbi einer war, so einfach treffen lässt, dass Duelle mit den Besten seines Gewichtslimits derzeit ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko darstellen würden. Und dass ihm in seinen eigenen Aktionen die Aggressivität fehlt, vor allem aber die Variabilität, die ihn nicht nur als Amateur, sondern auch in den Anfängen seiner Profizeit ausgezeichnet hatte.

Culcay wirkt wie blockiert, so als hätte man ihn zermürbt durch die ständigen Trainerwechsel. Jeder Coach, und Grigorian ist bereits Nummer sechs im fünften Profijahr, hatte seine eigene Vorstellung davon, wie der gebürtige Ecuadorianer zu kämpfen hätte. Herausgekommen ist ein Sportler, der auf der Suche nach seiner Identität vor allem seine Frechheit, seinen Hang zu spontanen und überraschenden Aktionen, verloren zu haben scheint. „Der Kampf war ein kleiner Fortschritt, aber es gibt noch viel Arbeit, bis wir einen EM-Kampf anstreben können“, sagte Promoter Kalle Sauerland diplomatisch.

„Langsam kommt die alte Lockerheit zurück, ich bin mit dem Kampf heute zufrieden“, sagte Culcay. Sein Plus ist, dass ihm das grüblerische Element fehlt, das ihn nun in eine mentale Krise stürzen könnte. Man kann ihm seine Aussage abnehmen, dass er sich keinen großen Kopf über die aktuelle Situation macht. Aber die Emotionslosigkeit, die in dieser Einstellung steckt, ist derzeit auch auf sportlicher Ebene zu betrachten.

Klatten, der mit seiner Beharrlichkeit und seinem Ideenreichtum Culcay überhaupt erst zur Marke „Golden Jack“ aufgebaut hat, weiß, dass sein Schützling am Scheideweg steht und keinen Plan hat, welche Richtung er nehmen soll. Er spürt selbst, dass er den hoch talentierten Sportler bisweilen zu sehr in Watte gepackt haben könnte. Abhilfe soll nun Trainer Nummer sieben schaffen. Joey Gamache, der in Rostock bereits als Cutman in der Ecke stand, wird in Zukunft als Chefcoach die taktische Vorbereitung übernehmen, Grigorian soll weiterhin in der täglichen Trainingsarbeit assistieren. Die Hoffnung, damit eine tragbare Dauerlösung zu schaffen, ist groß. Jetzt kommt es darauf an, dass Gamache die richtige Sprache findet.