Die HSV-Legende diskutierte in der Axel-Springer-Passage über den pädagogischen Nutzen des königlichen Spiels nicht nur für Grundschüler.

Hamburg. Es ist äußerst selten, dass bei öffentlichen Diskussionen neben der Pflege bekannter Standpunkte und Feindschaften auch Substanzielles herauskommt. Insofern bildete das Forum „Yes2Chess – Schach macht schlau“ am Donnerstagabend in der Axel-Springer-Passsage eine wohltuende Ausnahme. Hamburgs Landesschulrat Norbert Rosenboom bot irgendwann im Laufe des Abends an, dass die Schulbehörde die Erfahrungen der Grundschule Genslerstraße/Ballerstaedtweg mit Schach als Fach wissenschaftlich auswerten könnte, um bei entsprechenden Ergebnissen dieses Experiment an weiteren Schulen fortzuführen. Auf ein solches Angebot hatte Schulleiterin Monika Küsel-Pelz, sie saß unter den 150 Zuhörern, seit Jahren gewartet. Sie nickte begeistert.

Schach fördert die Konzentrationsfähigkeit von Kindern, hilft ihnen, entscheidungsfreudiger zu werden, und dient der Entwicklung ihrer Intelligenz. Gerade leistungsschwächere Grundschüler profitieren davon am meisten. Das haben bislang zwei Studien aus Trier und München belegt. Wie groß der Nutzen ist und worin er genau liegt, das gilt es noch zu untersuchen, meinte Prof. Robert von Weizsäcker, der Ehrenpräsident des Deutschen Schachbundes. Ginge es nach dem Fußballtrainer Felix Magath, einen der fünf Diskutanten, wären diese Analysen überflüssig: „Schach zeigt, dass strategisches Denken Spaß macht, und es fördert spielerisch die sozialen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen.“

Auch den „Jungmillionären Fußballprofis“ (Magath) empfiehlt der Meistertrainer das Schachspiel: „Ich habe viel Wertvolles vom Schach in den Fußball mitgenommen. Dass jede Aktion eine Begründung hat, dass möglichst jeder Zug eine Herausforderung für den Gegner sein soll. Übersetzt in den Fußball: Dass man die Macht des Zufalls verringern kann. Dass es entscheidend ist, das Tempo hochzuhalten und trotzdem die Kontrolle zu behalten.“

Magath engagiert sich deshalb ehrenamtlich als Schirmherr für die Schulschachaktion „Yes2Chess“, Ja zum Schach!, die von der Direktbank Barclaycard im vergangenen Jahr gestartet wurde. Sie wird von der Hamburger Schachsoftwarefirma ChessBase auf den Servern von schach.de unterstützt. Den gedanklichen Anstoß für diese Initiative, erzählte Carsten Höltkemeyer, Deutschlandchef von Barclaycard, lieferte das Hamburger Schulschachturnier „Linkes gegen Rechtes Alsterufer“. An ihm nehmen jedes Jahr im Congress Center am Dammtor-Bahnhof rund 2600 Schüler teil.

Lehrer lehnt Schach als Fach ab

Einen Unterschied zum Fußball sah HSV-Fan Björn Lengwenus, Abteilungsleiter der Stadtteilschule Barmbek, dann doch: „Beim Fußball sind meist alle anderen an einer Niederlage schuld, der Mitspieler, der Rasen, das Flutlicht, die Fans. Beim Schach gibt es nur einen einzigen Verantwortlichen: dich selbst. Das ist enorm persönlichkeitsbildend.“ Wer aber immer noch Zweifel an den positiven Wirkungen des Schachs auf Kinder haben sollte, dem empfiehlt Lengwenus den Besuch der nächsten Auflage des Alsteruferturniers am kommenden Dienstag: „Wenn es losgeht und von einem auf den anderen Moment 2600 Kinder mucksmäuschenstill sind, dann braucht man über den pädagogischen Nutzen des Schachs nicht mehr zu diskutieren.“

Landesschulrat Rosenboom, früher selbst Lehrer, konnte dem nur zustimmen. Schach als Fach lehnt er dennoch ab: „Wir haben bereits genug Fächer. Die Schüler sind schon sehr stark belastet.“ Er würde den Schachunterricht tendenziell lieber in die Ganztagsbetreuung am Nachmittag legen.