„Von diesem Duell werden die Leute noch lange sprechen“, sagt Trainer Wegener. Bis zum Schluss haben beide Boxer hart um den Sieg gerungen.

Die letzten Gäste waren gerade kurz davor, in die laue Bamberger Novembernacht entlassen zu werden, als Ulli Wegner noch einmal zu Hochform auflief. „Wenn wir im Boxen solche Kämpfe zu sehen bekommen, dann wird unser Sport weiterleben und viele neue Fans gewinnen“, sagte Wegner, er strahlte dabei wie ein Kind, das unterm Tannenbaum seinen größten Wunsch erfüllt bekommt. Nun ist die 71 Jahre alte Trainerlegende bekannt für ausschweifende Antworten auf einfache Fragen, aber an diesem Sonntagmorgen in der Brose Arena hatte der Chefcoach des Berliner Sauerland-Teams mit nur einem Satz den Volltreffer des Abends gelandet.

Der Kampf, der neben Wegner auch die 4500 Zuschauer in der Halle mehrfach von den Sitzen gerissen hatte, war für Kalle Sauerland, den Juniorchef von Deutschlands wichtigstem Profiboxstall, in der siebten und achten Runde kaum noch zu ertragen gewesen. Der Deutschkubaner Yoan Pablo Hernandez, IBF-Weltmeister im Cruisergewicht, hatte das Kunststück vollbracht, seinen Gegner Alexander Alekseev vom Hamburger EC-Stall noch einmal in das Duell hineinkommen zu lassen, obwohl es nach fünf Runden längst entschieden schien. Da nämlich hatte sich der Russe nur mit größter Mühe in seine Ecke gerettet, nachdem ein linker Kopfhaken ihn zum zweiten Mal nach Runde zwei in den Ringstaub geschickt hatte.

Hernandez, 29, dem man die durch zwei Handbrüche verursachte Kampfpause von 14 Monaten zunächst überhaupt nicht angemerkt hatte, war bis dahin dermaßen überlegen, dass einem sein drei Jahre älterer Kontrahent fast leidtun konnte. Man hatte ein technisch hochklassiges Faustgefecht zweier perfekt ausgebildeter Athleten erwarten dürfen, doch was tatsächlich geboten wurde, war eine Schlacht zweier Männer, die den Sieg eher mit Gewalt erzwingen wollten. Das Kuriose daran war, dass Alekseev erst nach den beiden Niederschlägen mit dem Mut der Verzweiflung begann, so zu boxen, wie es die von seinem Coach Fritz Sdunek ausgetüftelte Taktik vorgeschrieben hatte. Begünstigt von den Nachlässigkeiten des Titelverteidigers, der im Gefühl des sicheren Sieges seine Linie verlor und auch mit Konditionsproblemen zu kämpfen schien, kam er zurück und hatte seinerseits die Chance auf den Knock-out, der schließlich nach 95 Sekunden der zehnten Runde dann doch Hernandez mit einem rechten Kinnhaken aus dem Lehrbuch gelang.

„Von diesem Duell werden die Leute noch lange sprechen“, sagte Wegner, der sich selbst zugute hielt, seinen Sportler in der schwierigen Phase „reanimiert“ zu haben. Sdunek, der der dritten Niederlage im fünften Duell mit seinem Rivalen keine Bedeutung beimaß, sah den Grund für die Niederlage „darin, dass Alexander zu fest geworden ist und alles mit Gewalt versucht hat.“ Wie es für seinen Schützling nun weitergehen soll, bleibt abzuwarten, ein Karriereende ist durchaus denkbar. Angesichts seines Jurastudiums, das er in Russland abgeschlossen hat, bietet sich dem zweifachen Vater eine lukrative Perspektive für die Zeit nach der Karriere. „Ich habe zu viele Fehler gemacht, habe seine Linke zu häufig kassiert. Jetzt muss ich erst einmal alles analysieren, bevor ich entscheide, wie es weitergeht“, sagte Alekseev.

Die Erleichterung darüber, dass es für Hernandez als Weltmeister weitergeht, war Kalle Sauerland noch lange nach dem Kampf anzusehen. Sie war nur allzu verständlich angesichts der Niederlagen, die zwei weitere Hoffnungsträger im Bamberger Rahmenprogramm in WM-Ausscheidungskämpfen erlitten hatten. Halbschwergewichtler Eduard Gutknecht musste gegen den Russen Dmitry Suchotsky in der Pause zur fünften Runde aufgeben, da sein linkes Auge komplett zugeschwollen war. Schwergewichtler Denis Boytsov vergab die Chance, bei der WBO als Pflichtherausforderer von Dreifach-Weltmeister Wladimir Klitschko geführt zu werden, mit einer indiskutablen Punktniederlage gegen den Australier Alex Leapai.

Wer weiß, dass Sauerland im ersten Quartal 2014 die Verhandlungen über eine Fortsetzung der bis Ende 2014 datierten Zusammenarbeit mit der ARD zu einem positiven Ende bringen will, der konnte sich ausmalen, wie laut bei einer zusätzlichen Hernandez-Schlappe die Alarmglocken geschrillt hätten. „Ich war schon sehr erleichtert, als Pablo den Knock-out geschafft hat“, gab Sauerland junior zu. Welche Aufgabe nun auf Hernandez wartet, konnte er noch nicht beantworten. Nach drei Pflichtverteidigungen in Serie soll es aber im Frühjahr 2014 zunächst eine freiwillige Titelverteidigung geben.

Ob nicht auch der Sieger aus dem im Januar in Stuttgart geplanten Duell zwischen WBO-Champion Marco Huck und Firat Arslan ein Konkurrent wäre, wurde noch gefragt, und so durfte Ulli Wegner auch das Schlusswort sprechen. „Das“, sagte er, „machen wir nur, wenn wir nichts mehr zu essen haben.“