Fifa-Generalsekretär Valcke ist nun als Vorsitzender einer entsprechenden Kommission beauftragt, mit Sponsoren, Vereinen, TV-Stationen und Verbänden Gespräche über eine mögliche Verlegung zu führen.

Zürich. Die Verlegung der Fußball-WM 2022 aus der brütenden Sommerhitze im Wüstenstaat Katar ist vorerst auf Eis gelegt – der Alleingang des scheinbar übermächtigen Präsidenten Sepp Blatter damit gestoppt. Das entschied das Exekutivkomitee des Weltverbandes am Freitag in Zürich. Konzentrieren will sich die Fifa auch auf die Schreckensmeldungen der vergangenen Tage, in denen von Tod und Sklaverei auf den WM-Baustellen berichtet wurde.

„Das Exko hat entschieden, einen Konsultationsprozess für einen WM-Termin 2022 zu starten“, twitterte Blatter unmittelbar nach der Sitzung: „Vor der WM 2014 in Brasilien wird es keine Entscheidung geben.“ Die generelle Entscheidung für ein „Winter-Märchen“ in neun Jahren galt aber speziell für Blatter im Vorfeld der Sitzung des Exkos, dem auch der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger angehört, als beschlossen. Der 77-Jährige ging von einem glatten Durchmarsch in „seinem“ Komitee aus, nachdem er erst im Juli völlig überraschend feststellte, dass der katarische Sommer zu heiß für die Fußballfamilie werden könnte.

Der Widerstand, vor allem aus Europa, gegen die Schnellschüsse des Schweizers war am Ende erfolgreich, auch wenn sich die Uefa zuletzt für eine Winter-WM geöffnet hatte. Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke ist nun als Vorsitzender einer entsprechenden Kommission beauftragt, mit allen Betroffenen - Sponsoren, Vereinen, TV-Stationen und Verbänden - Gespräche über eine Verlegung zu führen - und bestenfalls einen optimalen Termin zu finden. Blatter hatte nie einen Hehl daraus gemacht, im November/Dezember 2022 spielen lassen zu wollen, Uefa-Chef Michel Platini bevorzugt den Januar/Februar 2022. Karl-Heinz Rummenigge brachte in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der europäischen Klubvereinigung ECA zuletzt eine Austragung im April ins Gespräch.

4000 tote Arbeiter werden bis 2022 befürchtet

Die Schlagzeilen bestimmten in Zürich aber ohnehin weitaus wichtigere Dinge: Die britische Zeitung Guardian enthüllte massive Probleme auf den WM-Baustellen, wo die Gastarbeiter anscheinend unmenschlich und wie „moderne Sklaven“ behandelt werden. Allein im Zeitraum zwischen dem 4. Juni und 8. August seien 44 nepalesische Arbeiter ums Leben gekommen, zur Hälfte wegen Herzversagen oder bei Arbeitsunfällen. Der Internationale Gewerkschaftsbund IGB prophezeite 4000 Leichen auf dem Weg zur WM 2022.

Daraufhin war aus vielen Teilen der Welt, in Deutschland von Bündnis90/Die Grünen, eine Neuausschreibung der WM gefordert worden - für die Fifa stand dies zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion. „Haben wir jemals Angst um die WM gehabt? Nein, weil wir in unserer Situation sehr zuversichtlich sind“, sagte Hassan Al Thawadi, Generalsekretär des WM-Organisationskomitees.

„Unsere Sehnsucht nach dem Turnier ist größer denn je“

Katar hatte am 2. Dezember 2010 den Zuschlag erhalten. Die Winter-Sommer-Debatte, die fast ausschließlich in Europa geführt worden war, verfolgte das WM-OK mit einem Lächeln. Eine Rolle spielte der Termin am Persischen Golf nicht. „Für uns ist es einfach“, sagte Thawadi: „Dieses Thema ist für die Fußball-Gemeinschaft wichtig. Wir haben uns für eine WM im Sommer beworben - und die dafür erforschte Kühl-Technologie hat weitaus mehr Auswirkungen als nur für ein Sport-Event. Egal, was passiert - „wir bleiben bei unserem Plan“, sagte er. Dafür gebe es „kein Zeitlimit“. Viel mehr von Bedeutung in der Wüste seien die positiven Effekte des Großereignisses - gleichgültig, ob im Sommer oder Winter.

„Unsere Sehnsucht nach dem Turnier ist größer denn je. Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir die Kraft des Sports nutzen“, sagte Thawadi. „Wir glauben an die WM und werden weiter daran arbeiten, dass der Mittlere Osten seinen Platz in der Geschichte bekommt und wir unsere Verpflichtungen erfüllen.“ Diese Versprechen werden nun in den kommenden Wochen und Monaten von der Weltöffentlichkeit mit Argusaugen beobachtet werden. Die katarische Führungsspitze beauftrage eine unabhängige internationale Anwaltskanzlei zur Aufarbeitung der Vorwürfe - wann diese Antworten liefern kann, steht in den Sternen.