Tour-Topfavorit Christopher Froome schockte die Konkurrenz schon auf der ersten Pyrenäenetappe und holte sich das Gelbe Trikot. Vieles deutet darauf hin, dass er es bis Paris nicht mehr auszieht.

Bagnères de Bigorre. Er hat die hagere Statur eines Skispringers. Doch der Schlag, den Christopher Froome seinen Konkurrenten um den Gesamtsieg bei der Tour de France schon zum Pyrenäen-Auftakt verpasste, kam mit der Wucht eines Boxers im Schwergewicht. „K.o. in der ersten Runde“, titelte die „L'Équipe“, nachdem der Brite seinen Gegnern bei der ersten Bergankunft der 100. Frankreich-Rundfahrt nach Ax-3-Domaines keine Chance gelassen hatte und ins Gelbe Trikot gestürmt war. Am Sonntag überstand Froome auf der schweren, neunten Etappe über 168,5 Kilometer nach Bagnères-de-Bigorre sämtliche Angriffe der Konkurrenz. War das nach einem Drittel Tour schon die Vorentscheidung?

Die Dominanz, mit der der 28-Jährige die Tour an sich gerissen hat, provozierte jedoch auch Zweifel an der Echtheit seiner Leistung. Unmittelbar nach dem Ende der großen Froome-Show auf der ersten Bergetappe meldeten sich auf Twitter die Skeptiker zu Wort. Demnach soll der 1,86 Meter große und dabei nur 67 Kilogramm schwere Radprofi den Anstieg zur Skistation in der drittschnellsten je dort gemessenen Zeit bewältigt haben. Nur der wegen Dopings inzwischen lebenslang gesperrte Lance Armstrong und der Baske Roberto Laizeka seien 2001 noch schneller gewesen. Verifizieren lassen sich solche Messungen nicht.

Die Rennstrategie von Froome und dessen Team Sky, das mit dem Australier Richie Porte am Sonnabend auch Rang zwei belegte, provozierte zudem grundsätzliche Vergleiche mit den Auftritten von Armstrong und seinen Mannschaften. Auch der Texaner, dem seine sieben Toursiege 2012 aberkannt worden waren, schickte seine Helfer in den Anstiegen der Tour ebenfalls stets in hohem Tempo nach vorne und ließ die Konkurrenz erst zappeln und im Finale dann stehen.

Der neue Mann im Gelben Trikot begegnete der Skepsis gelassen. Anders als Vorjahressieger Bradley Wiggins. Froomes Teamkollege hatte die anonymen Kritiker in den sozialen Medien 2012 wüst beschimpft, sich später aber ausführlich gerechtfertigt. Sein designierter Nachfolger als Toursieger beantwortete die Frage, ob seine Leistungen ohne Doping zustande kämen, seinem Naturell entsprechend ruhig. Er sei zu 100 Prozent sauber, erklärte Froome. „Unsere Resultate sind glaubwürdig und ich bin sicher, dass sie in zehn oder 20 Jahren noch Bestand haben werden.“

Unterstützung erhielt Froome von David Millar. Der Ex-Doper, der inzwischen eine Vorreiterrolle im Kampf gegen den Betrug einnimmt, hält das Team Sky für absolut integer. „Ich glaube, sie sind sauber“, twitterte der 36-Jährige. „Sie haben es nicht verdient mit Dreck beworfen zu werden. Sie versuchen, es richtig zu machen.“

Dazu zählt auch der Umgang mit dem Thema Doping. Um Transparenz zu demonstrieren, darf der irische Journalist David Walsh, einer der frühesten und schärfsten Armstrong-Kritiker, das Team schon die gesamte Saison über begleiten. Teammanager Dave Brailsford lässt seine Topfahrer zudem schon früh im Jahr Rennen gewinnen, damit sie sich an die Aufmerksamkeit der Medien und die kritischen Fragen gewöhnen. Froome nutzte seinen ersten Auftritt in Gelb dann auch, um den vermeintlichen Wandel der Branche zu beschwören. „Der Radsport hat sich geändert“, erklärte er. „Ich könnte absolut nicht diese Resultate erzielen, wenn das nicht der Fall wäre.“

Der in Kenia geborene und in Südafrika aufgewachsene Radprofi fuhr 2008 erstmals die Tour. Sein damaliges Team Barloworld sorgte damals mit dem Dopingfall des Spaniers Moisés Duenas für Aufregung. „Das war ein großer Schock für mich, denn ich dachte ich komme in einem guten Moment in den Radsport“, erinnerte sich Froome.

Seit 2010 fährt Froome für das Team Sky. 2011 wurde er überraschend Zweiter der Spanien-Rundfahrt. Im vergangenen Jahr beendete er dann die Tour als Gesamtzweiter hinter Wiggins und deutete dabei im Hochgebirge mehrmals an, dass er im steilen Terrain stärker als sein Teamkapitän war. In Abwesenheit des verletzten Vorjahressiegers hat er diesmal freie Fahrt, was er nun bei der ersten Gelegenheit dazu nutzte, der Konkurrenz einen wohl schon entscheidenden Punch zu versetzen.