In jedem Stadion wird für kommenden Sommer ein System installiert, das von den Spieloffiziellen vor den Partien jeweils getestet wird.

Zürich/Berlin. In nüchternen 13 Zeilen verkündete der Fußball-Weltverband Fifa den endgültigen Beschluss einer historischen Regeländerung: Die Fifa wird im kommenden Jahr in Brasilien wie erwartet erstmals bei einer Weltmeisterschaft die Torlinien-Technologie einsetzen. Tor oder nicht Tor – hitzige Diskussionen wie beim legendären Wembley-Tor gehören dann der Vergangenheit an. Und auch einen Aufschrei wie 2010 nach dem Torklau von Bloemfontein, als der Treffer des Engländers Frank Lampard im WM-Achtelfinale gegen Deutschland nicht anerkannt wurde, wird es nicht mehr geben.

Nach dem erfolgreichen Test bei der Club-WM im Dezember 2012 wird die neue Technik auch beim Confederations Cup in diesem Sommer einem weltweiten Publikum vorgestellt, teilte die Fifa am Dienstag mit und bestätigte damit die bereits im Juli vergangenen Jahres getroffene Entscheidung.

In jedem der zwölf WM-Stadien soll das neue System installiert werden. Ein zeitnaher Einsatz der technischen Hilfsmittel in der Champions- oder Europa League scheint derzeit aber ausgeschlossen. Uefa-Präsident Michel Platini hatte sich bisher immer als Gegner der Technik gezeigt. Bei der Europäischen Fußball-Union gilt sie als sehr umstritten. Und auch in der Bundesliga wird es noch dauern, ehe die Torlinien-Technologie zum Einsatz kommt.

Niersbach: Technik muss „tausendprozentig“ funktionieren

Vier Anbieter streiten sich derzeit um den Zuschlag, darunter zwei deutsche Firmen, die die Testphase durchlaufen haben und bald ebenfalls zugelassen werden könnten. Eine Entscheidung, welche Technik bei der WM zum Einsatz kommt, soll Anfang April fallen. Das bereits beim Tennis erprobte Hawk-Eye zur Überwachung der Torlinie (Torkamera) und das GoalRef-System (Chip im Ball) sind bereits lizenziert und haben den „Fifa-Stempel“ als Zertifikat.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach begrüßte die geplante Einführung und forderte vom Fußball-Weltverband ein reibungsloses System. Er halte die Entscheidung „für logisch, wenn die Fifa vom Grundsatz her gesagt hat, dass sie es bei ihren Wettbewerben machen will“, sagte der Chef des Deutschen Fußball-Bundes beim Pay-TV-Sender „Sky Sport News HD“. „Wenn sie, und dass ist für mich eine Voraussetzung, garantieren kann, hundertprozentig, tausendprozentig, dass die Technik funktioniert, dann setzt man sie auch ein.“

„Gegen ein funktionierendes System ist überhaupt nichts zu sagen“

Auch bei Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff stieß die Entscheidung auf große Zustimmung. „Gegen ein funktionierendes System ist überhaupt nichts zu sagen. Das wird man als Sportler der Fairness wegen akzeptieren“, sagte Bierhoff der Nachrichtenagentur dpa. „Die Liga hatte sich ja immer rausgehalten. In anderen Sportarten wie Tennis gibt es ja solche Technologien schon. Das Bedeutende ist eben die Funktionalität. Wenn die sichergestellt ist, finde ich es positiv“, ergänzte Bierhoff.

Bereits am 5. Juli 2012 hatte das Fifa-Regelkomitee Ifab einstimmig Grünes Licht für die Einführung technischer Systeme gegeben, die dem Schiedsrichter anzeigen, ob der Ball die Torlinie überschritten hat oder nicht. Vor sieben Monaten war auch der weitere Einsatz von Torrichtern genehmigt worden. Jeder Veranstalter soll künftig selbst entscheiden können, ob Torrichter eingesetzt werden. „Der Fußball hat sein menschliches Gesicht behalten. Wenn man Hilfe hat, muss man die auch einsetzen. Für uns als Fifa war klar, was 2010 passiert ist, darf sich nicht wiederholen“, lautete die Reaktion von Fifa-Präsident Joseph Blatter damals.

Seit Beginn der Jahrtausends war die Hilfe durch die Technik auch bei den Fifa-Granden immer wieder kontrovers debattiert worden. Zunächst schienen die technischen Möglichkeiten nicht ausgereift, dann die Kosten für eine flächendeckende Einführung viel zu hoch. Erst nach den Fehlentscheidungen bei der WM 2010 hatte sich Blatter aufgeschlossen gegenüber Technologien gezeigt.

„Endlich hat sich bei der Fifa der gesunde Menschenverstand durchgesetzt“

Bei der Uefa findet die Torlinien-Technologie bislang keinen Zuspruch. „Ich bin gegen Technik an sich“, sagte Platini noch im Sommer bei der EM. In Polen und der Ukraine waren stattdessen Torlinienrichter zum Einsatz gekommen – mit mäßigem Erfolg. So hatte der Ungar Istvan Vad seinem Schiedsrichter Viktor Kassai einen klaren Treffer der Ukraine gegen England nicht signalisiert. „Endlich, nach all den Jahren hat sich bei der Fifa der gesunde Menschenverstand durchgesetzt“, twitterte Englands ehemaliger Stürmerstar Gary Lineker.

In der Bundesliga wird es mit der Einführung der neuen Technik noch dauern. Der Vorstand der Deutschen Fußball Liga hatte im November 2012 beschlossen, in der 1. und 2. Bundesliga vorerst noch nicht auf die neue Technik zu setzen und erst einmal die Tests abzuwarten. Eine Einführung für die Saison 2013/2014 sei daher ausgeschlossen, hieß es damals. Der Ligaverband und die deutschen Proficlubs haben vor allem Bedenken wegen der Ungenauigkeit der beiden zugelassenen Verfahren.

Die englische Premier League ist schon weiter in ihren Überlegungen und führt Gespräche mit Technologiefirmen. „Wir hoffen weiterhin, dass wir diese Verhandlungen abschließen können und das System eines Anbieters auf allen Premier-League-Plätzen zum Start der nächsten Saison installieren können“, sagte ein Ligasprecher der Nachrichtenagentur AP. Eine Entscheidung soll wahrscheinlich von allen Clubs im Juni getroffen werden.