Anti-Doping-Agentur gerät stärker unter Beschuss. Keine Kooperation, keine Effektivität. IOC will jetzt eine Sonderkonferenz einberufen.

Berlin. Es hagelt Vorwürfe von allen Seiten. Zu wenig kooperativ, zu selbstherrlich und zu ineffektiv – so sehr stand die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) in ihrer 14-jährigen Geschichte noch nie im Kreuzfeuer. Auf Druck der internationalen Sportfachverbände hat das IOC eine Sonderkonferenz beschlossen, auf der Ende April oder Anfang Mai in Lausanne die Rolle der Wada ausführlich diskutiert werden soll.

„Die Beziehungen zur Wada haben sich dramatisch verschlechtert. Die fehlende Hilfe und Unterstützung der Wada vor dem Hintergrund der ständigen Medienkritik an ihren Sportpartnern und der daraus resultierende Vertrauensbruch müssen als oberste Priorität besprochen werden“, forderte der Italiener Francesco Ricci Bitti, Präsident der Vereinigung aller olympischen 26 Sommersportverbände (ASOIF) und zudem Chef des Tennis-Weltverbandes (ITF), in einem Brief an IOC-Präsident Jacques Rogge.

Verhältnis zwischen IOC und der Wada gilt seit geraumer Zeit als stark belastet

Bei der außerordentlichen Sitzung, zu der die Weltverbände, Spitzenfunktionäre Nationaler Olympischer Komitees und Athleten eingeladen werden, soll auch die künftige Führung der Wada besprochen werden. Die sechsjährige Amtszeit von Präsident John Fahey läuft am Jahresende aus. Das Verhältnis zwischen dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und der Wada gilt seit geraumer Zeit als stark belastet. Das IOC hatte die Anti-Doping-Organisation 1999 ins Leben gerufen und kommt mit der olympischen Bewegung immer noch für 50 Prozent des Wada-Jahresbudgets in Höhe von 26 Millionen Euro auf.

Nicht nur der „Krieg der Worte“ (BBC) zwischen der Wada und dem Radsport-Weltverband (UCI) nach dem Dopingskandal um Lance Armstrong signalisierte atmosphärische Störungen. Mit den Beleidigungen, die UCI sei „hinterlistig“, „einseitig“ und „arrogant“, hatte die Wada die ohnehin angespannte Lage weiter angeheizt.

Der Radverband wiederum bezichtigte die Wada offen der Lüge. Derweil hat die Wada auch den Weltverbänden im Fußball und Tennis vorgeworfen, nachlässig und inaktiv im Kampf gegen Doping zu sein. „Inzwischen hat die Situation einen Tiefstand erreicht, und es besteht die echte Sorge, dass die Kooperation noch schlechter wird, wenn es so weitergeht“, sagte ASOIF-Direktor Andrew Ryan der Nachrichtenagentur AP.

Jährlich eine halbe Milliarde Euro für Dopingkontrollen, aber kaum jemand wird erwischt

Vor allem das Auftreten von Wada-Chef John Fahey stößt in der olympischen Familie auf breite Ablehnung. Knapp eine halbe Milliarde Euro werde pro Jahr für Dopingkontrollen ausgegeben, aber nur wenige Athleten würden mit positiven Tests erwischt, lautet der Hauptvorwurf an die Adresse Faheys. Die Wada-Spitze hatte im Vorjahr die IOC-Führung kritisiert, zu wenige der eingefrorenen Proben der Athen-Spiele 2004 nachuntersucht zu haben. „Das Vertrauen ist zerbrochen. Es gibt inzwischen verschiedene Verbände, die gegen die Wada giften und umgekehrt“, gab Ryan zu.

Auf der vierten Welt-Anti-Doping-Konferenz im November in Johannesburg soll das IOC den neuen Wada-Präsidenten vorschlagen. Es ist festgelegt, dass die olympische Bewegung und Regierungen das Präsidentenamt der Wada alternierend besetzen. Fahey, der 2007 IOC-Mitglied Dick Pound an der Wada-Spitze abgelöst hatte, war früher Finanzminister in Australien. Der Appell von IOC-Chef Rogge an alle Beteiligten, sich zusammenzuraufen, blieb bis jetzt unerhört.