Zum ersten Mal dabei und gleich im Viertelfinale. Die Fußballer des verarmten afrikanischen Staats sorgen in Südafrika für Furore.

Port Elizabeth/Praia. Das Fußball-Märchen der Kapverden wird immer verrückter. Nach der sensationellen Qualifikation für die Endrunde des Afrika Cups 2013 zogen die Kicker aus dem kleinen und bitterarmen Inselstaat nun sogar sensationell ins Viertelfinale ein. Als im südafrikanischen Port Elizabeth der dramatische 2:1-Erfolg der „Blauen Haie“ über Angola feststand, strömten daheim Tausende zu Fuß, auf Fahrrädern, in Autos und auch auf Lkw-Ladeflächen jubelnd auf die Straßen. Die Menschen schwenkten Fahnen, sangen, tanzten und weinten auch vor Freude. Kein Wunder, ist doch der Coup vergleichbar mit einem undenkbaren Viertelfinal-Einzug von Luxemburg oder Albanien bei einer EM.

Die 500 000 Einwohner des Atlantikarchipels schienen plötzlich die Alltagssorgen mit Armut, Kriminalität sowie Strom- und Wassermangel vergessen zu haben. Die Hauptstadt Praia, wo viele das Spiel vor einer Großleinwand verfolgt hatten, verwandelte sich schnell in ein Meer blauer Fahnen und Trikots. Es gab Hupkonzerte, und die Massen schrien immer wieder: „Hoch lebe Kapverden“. „Seit der Unabhängigkeit unseres Landes (1975) hatte ich so eine Freude, so eine Einheit nicht mehr gesehen“, sagte eine Frau dem Radiosender RCV. Gefeiert wurde bis in die frühen Morgenstunden. Am Montag schrieb die Zeitung „A Semana“: „Die Tore haben die Inseln erleuchtet“. Und das Konkurrenzblatt „O Liberal“ stellte fest: „Die Spieler haben bewiesen, dass man auch ohne jegliche Mittel Großes erreichen kann.“

Gejubelt wurde nicht nur daheim, sondern weltweit: Aufgrund vieler Hungerkatastrophen und enormer Arbeitslosigkeit leben nämlich inzwischen im Ausland ebenso viele Kapverdier wie auf den neun bewohnten Inseln der früheren Kolonie Portugals 460 Kilometer vor der Westküste Afrikas. In vielen Kneipen und Cafés der portugiesischen Hauptstadt Lissabon ging es am Sonntag hoch her. Und der auf Praia geborene portugiesische Stürmerstar Nani von Manchester United twitterte: „Glückwunsch, besonders an meinen Cousin Carlinhos (der 90 Minuten durchspielte). Und alles Gute fürs Viertelfinale.“

Fast alle „Haie“ spielen im Ausland. Zumeist bei kleineren Teams in Portugal, aber auch in Luxemburg, Zypern, Ungarn, Rumänien oder Frankreich. Star des Teams ist der 23-jährige Stürmer Ryan Mendes, der aber in seinem französischen Verein OSC Lille kaum zum Einsatz kommt. Ein Mann mit dem berühmten Künstlernamen Platini, bürgerlich eigentlich Luis Carlos Almada Soares, trug mit seinem Tor gegen Marokko entscheidend zur Qualifikation bei. In Portugal spielt der Lockenkopf bei Zweitligist Santa Clara. Ganz gute Kapverdier, wie ManU-Star Nani oder Abwehrmann Rolando, kicken lieber für die Auswahl von Portugal. Der ehemalige Profi vom Hamburger SV, Mickael Tavares, entschied sich für den Senegal statt für die Heimat seiner Vorfahren.

Die Fußball-Nobodys – in der Weltrangliste inzwischen auf Platz 70

- hatten auf dem Weg nach Südafrika die Kameruner von Superstar Samuel Eto’o ausgeschaltet. Beim Turnier schafften die Schützlinge von Coach Lucio Antunes dann zunächst jeweils Unentschieden gegen den Gastgeber (0:0) sowie gegen die Regionalmacht Marokko (1:1), bevor gegen Angola die wohl größte Sensation des afrikanischen Fußballs perfekt gemacht wurde. Nach dem Eigentor von Kapitän Nando (33.) drehten Fernando Varela (81.) und Nhuk (90.) den Spieß um.

Nach dem Sieg stürmten die Spieler zum Schrecken von Organisatoren und Journalisten ungeduscht den Pressekonferenz-Raum des Nelson-Mandela-Bay-Stadions und hüpften und sangen minutenlang. Am lautesten war Trainer Antunes, der daheim bereits mit Real Madrids Trainer José Mourinho verglichen und „Special One der Kapverden“ genannt wird. Der 46-Jährige war aus dem Häuschen: „Meine Spieler könnten bei Real, Barcelona, Manchester United, Chelsea oder Mailand spielen, sie können viel erreichen“, rief er. Auf den Kapverden ist man unterdessen davon überzeugt, dass das Märchen so schnell nicht zu Ende geht. Präsident Jorge Carlos Fonseca will jedenfalls zur K.O.-Runde nach Südafrika. Und „O Liberal“ tönte: „Jetzt ist alles drin“.