Nach außen zurückhaltend, intern unumstritten: Bundestrainer Martin Heuberger zeigt es bei der Handball-WM in Spanien seinen Kritikern.

Barcelona/Saragossa. In seinem Haus lässt sich Martin Heuberger jeden Tag durch Aphorismen daran erinnern, welchen Weg er gehen will. "Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum", heißt zum Beispiel ein Spruch an einer Wand; ihn betrachtet er, wenn er in sein Büro geht, um die formellen Dinge zu regeln, die er als Handball-Bundestrainer zu erledigen hat. Nun könnte einer seiner Träume schon weit früher als erwartet in Erfüllung gehen. Denn wenn sein Team bei der Weltmeisterschaft in Spanien auch das Viertelfinale gewinnen sollte, am Mittwochabend gegen Mitfavorit Spanien (19 Uhr; ARD live), dann ist den deutschen Handballprofis alles zuzutrauen. Sogar der vierte Titel in der 75-jährigen WM-Geschichte. "Wir machen uns jetzt schon Hoffnungen, und die sind nicht unberechtigt", sagt Michael Haaß, der Spielmacher aus Göppingen.

Es wäre ein Triumph nicht nur für den lange gebeutelten deutschen Handball, der nach dem WM-Sieg 2007 in eine tiefe Krise gestürzt war. Es wäre auch eine tiefe Genugtuung für Heuberger, den 48-Jährigen aus Schutterwald. Denn viele im deutschen Handball hatten ihm, obwohl er bis 2011 extrem erfolgreich als Juniorentrainer gearbeitet hatte, einen solchen Siegeszug niemals zugetraut. Das Gerede hinter den Kulissen hatte ja die Grundlage für jene Debatte vor der WM gebildet, ob Heuberger denn überhaupt der richtige Mann für diese große Aufgabe sei.

Fachlich wurde diese Diskussion genährt durch die überraschende Niederlage am 1. November gegen Montenegro, die die Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) bei der EM-Qualifikation in Probleme gestürzt hat. Vor allem aber, weil Heuberger nicht dem Klischee eines abgezockten, jederzeit abgeklärten Trainers entspricht, der verkörpert wird durch Typen wie Felix Magath. Weil er über keine seelische Ritterrüstung verfügt, die alle Kritik an sich einfach abperlen lässt.

Auch das Wesen Heubergers ist in diesen Tagen oft zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht worden. Sein manchmal hektischer und ungelenker Auftritt an der Seitenlinie etwa. Die Frage, die in diesem Zusammenhang gestellt wurde, hieß: Steckt ein Trainer, der oft extrem nervös wirkt, seine Spieler nicht damit an? Diese ganze Debatte, sagte DHB-Sportmanager Heiner Brand, habe Heuberger als "Unverschämtheit" empfunden, als unangemessen und respektlos.

Das Verkaufen des Handballs in der Öffentlichkeit ist freilich seine Sache nicht. Noch nicht zumindest. Heuberger ist zwar stets höflich und zuvorkommend, beantwortet auch die kuriosesten Fragen, die im Verlauf eines solchen Turniers auftauchen können. Aber ihm fehlt einfach jene distanzierte Gelassenheit im Umgang mit Medienschaffenden, die sich manchmal erst nach dem ersten großen Erfolg einstellt.

Diese Arbeit, sagt er selbst, sei "vielleicht der größte Unterschied zum Juniorenbereich". Das Auffälligste aber ist die teilweise entwaffnende Offenheit, mit der er auf Fragen eingeht. "Ich weiß ja, dass ich mich ändern muss", hat er gesagt, als er nach seiner Wirkung in der Öffentlichkeit gefragt wurde. "Ich muss versuchen, ruhiger zu werden."

Für diese Mannschaft aber ist er, das vermitteln die Profis, der richtige Mann am richtigen Ort. Tatsächlich kennt niemand die teils extrem unterschiedlichen Persönlichkeiten, die sich in dem 16 Mann starken Kader versammeln, besser als Heuberger. Zwölf Profis hat er bereits als Juniorentrainer betreut und zu Titeln geführt. Und einen weiteren, nämlich Kapitän Oliver Roggisch, hat er einst bei seinem Heimatverein TuS Schutterwald in die Geheimnisse des Deckung- und Kreisläuferspiels eingeführt.

So eigenwillig, so ungelenk Heuberger auch in der Öffentlichkeit wirken mag, so unwohl er sich scheinbar im Rampenlicht fühlt - unter den Spielern ist er unumstritten. "Intern bestand für uns nie ein Grund zu zweifeln. Was man erkennen kann: Wir sind auf dem richtigen Weg", sagt Michael Haaß.

Patrick Groetzki, einer der vier aktuellen Profis, die Heuberger 2009 zu Juniorenweltmeistern machte, bläst in das gleiche Horn: "Die Diskussion war von Anfang an unnötig, weil wir hier jeden Tag harte Arbeit leisten", sagte der Rechtsaußen der Rhein Neckar-Löwen. "Es freut mich für die ganze Mannschaft, dass die Energie belohnt wird, auch für Martin." Und Torwart Silvio Heinevetter von den Füchsen Berlin sagt: "Ich bin unter ihm Junioren-Europameister geworden."

Ungewöhnlich ist seine Art des Coachens allemal. "Ich bestimme die Richtung", sagt Heuberger. "Aber wenn die Spieler meinen, mit anderen Spielzügen besser zum Erfolg zu kommen, dann lasse ich mich gern von ihnen überzeugen." Diese Diskussionsbereitschaft in taktischen Fragen steht im Einklang mit seinem kommunikativen Stil gegenüber den Spielern. Heuberger versucht, jedem der beteiligten 16 Profis zu erklären, aus welchen Überlegungen heraus er seine Entscheidungen trifft. Ein solches Miteinander von Trainer und Spieler, sagt Kiels Linksaußen Dominik Klein, habe er zuletzt so in seiner Jugend erlebt.

Man kann diese Herangehensweise als demokratischen Trainingsstil bezeichnen. Es ist auf jeden Fall ein Stil, den die aktuellen Spieler in dieser Phase für den richtigen halten und der das Team unter größtem Druck zusammengeschweißt hat. "Mannschaften sind erfolgreich, wenn es im Team passt", sagt der Göppinger Spielmacher Haaß. "Es ist gerade eine Einheit. Alle ziehen an einem Strang." Und auch Heuberger schwärmt, es mache ihm gerade eine "Riesenfreude, mit dieser Mannschaft zu arbeiten". Er hat jedenfalls eine Atmosphäre im Team geschaffen, die schon zu Titeln geführt hat. Nichts ist deshalb unmöglich für die deutsche Mannschaft in Spanien.