Abendblatt-Kolumnist Christian Fitzek traut dem Team den Titel zu. Deutschland nach souveränem Sieg bereits im Viertelfinale.

Habe ich mich in meiner vergangenen Kolumne - nach dem überraschenden 32:30-Sieg gegen Weltmeister und Olympiasieger Frankreich - für meine positive Turnierprognose schon nach der Vorrundenniederlage gegen Tunesien selbst gelobt, möchte ich Sie diesmal um Entschuldigung bitten für meine Fehleinschätzung vor der WM. Wir haben keine Weltklassespieler mehr, habe ich damals geschrieben. Das muss ich spätestens jetzt korrigieren. Beim souveränen Erfolg gegen Mazedonien, immerhin Fünfter der EM 2012, haben einmal mehr Torhüter Silvio Heinevetter sowie Oliver Roggisch und Michael Haaß im Mittelblock der Abwehr eine überragende Leistung geboten. Selbst als Spielmacher gehört Haaß für mich inzwischen zu den Besten dieser Weltmeisterschaft. Und ich versteige mich deshalb zu der Behauptung, dass unsere Mannschaft in dieser Verfassung nur schwer zu schlagen sein wird.

Mit einer Einschränkung: Treffen wir am Mittwochabend im Viertelfinale auf Spanien, was wahrscheinlich ist, wird das eine spezielle Herausforderung. 11.000 Zuschauer in Saragossa werden ihr Team enthusiastisch unterstützen, und wie sich die Schiedsrichter in dieser Atmosphäre verhalten werden, ist schwierig einzuschätzen. Bemüht man die Erfahrungen vergangener internationaler Turniere und den unausgesprochenen Wunsch des Weltverbandes IHF, der die jeweiligen Gastgeber gern lange im Turnier sieht, muss sich unsere Mannschaft wahrscheinlich noch einmal steigern, um diese Hürde zu nehmen. Zuzutrauen ist ihr das allemal. Besiegen wir in Spanien auch Spanien, werden wir - Weltmeister.

Zu erwarten waren diese starken Auftritte nicht. Noch Anfang November hatte sich das Team zum Auftakt der EM-Qualifikation (für 2014) in Mannheim gegen Montenegro blamiert. Aber offensichtlich ist es Bundestrainer Martin Heuberger in der WM-Vorbereitung gelungen, das vorhandene Potenzial geschickt zusammenzuführen. Daraus ist eine konkurrenzfähige deutsche Nationalmannschaft entstanden. Heuberger hat stets von der Breite des Kaders als Stärke gesprochen. Dafür ist er anfangs oft belächelt worden. Zu Unrecht, wie es sich nun zeigt. Dass jeder jeden in jedem Moment gleichwertig ersetzen kann, wird allmählich zum großen Trumpf. Gegen Mazedonien warfen gleich elf unserer Spieler Tore. Keine andere Mannschaft kann auf derart viele zielsichere Schützen vertrauen.

Basis des bisherigen Erfolges bleibt die Abwehrarbeit - die im Handball noch weit wichtiger ist als im Fußball. Unsere Verteidigung steht gut gestaffelt, sehr kompakt, kommuniziert viel und nimmt dem gegnerischen Rückraum systematisch Wirkung. Bewusst rückt die deutsche Deckung in der Mitte vor dem Tor zusammen, lässt den Außen der Gegner links und rechts Platz zum Werfen. Die Kalkulation dahinter, dass Heinevetter diese Würfe aus spitzem Winkel schon irgendwie parieren wird, ist bislang aufgegangen.

Eine weitere Konsequenz dieser dichten Abwehrformation sind die zahlreichen daraus resultierenden Ballgewinne, die zu den Tempogegenstößen führen. Roggisch und Dominik Klein sind bisher beim "Klauen" die Spezialisten. Auch in diesem Bereich ist unsere Mannschaft wieder Weltklasse.