Deutschlands Handballer stehen nach dem 28:23 gegen Mazedonien im Viertelfinale. Dort wartet Gastgeber Spanien nach dem Sieg gegen Serbien.

Barcelona. Die deutschen Handballer klopften sich auf die Schenkel und jauchzten, als habe jemand just einen großartigen Witz gerissen. Dabei war Oliver Roggisch, der Abwehrchef aus Mannheim, doch nur einen Tempogegenstoß gelaufen und hatte fünf Minuten vor Schluss zum 26:18 abgeschlossen. Roggisch, der Mann fürs Grobe, ein eher limitierter Handballer. "Haben wir gelacht!", sagte Bundestrainer Martin Heuberger. Denn längst war klar, dass die Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) das Achtelfinale der 23. Weltmeisterschaft unbeschadet überstanden hatte. Am Ende stand auf der Tafel im Palau Sant Jordi in Barcelona das 28:23 (13:9) gegen Mazedonien. Und Grobmotoriker Roggisch wurde nicht mehr nur belächelt, sondern kassierte auch ein Extralob. "Das ist der beste Roggisch, den ich kenne", sagte Heuberger.

Und das ist auch die beste DHB-Auswahl seit Langem, seit vielleicht fünf Jahren, als sie im EM-Halbfinale 2008 nur knapp an Dänemark scheiterte. Plötzlich steht dieses Team, dem vor diesem Championat kaum etwas zugetraut wurde und dessen Trainer von vielen Experten hinter vorgehaltener Hand scharf kritisiert wurde, im Viertelfinale. Am Mittwoch in Saragossa geht es gegen Gastgeber Spanien, die sich mit 30:21 gegen Serbien durchsetzten.

Die Aussagen einiger deutscher Spieler verrieten große Ambitionen. Dominik Klein, der Linksaußen vom THW Kiel, sagte entschlossen: "Mein Ziel ist es, dieses Turnier mit einem Sieg abzuschließen." Das hieße also mindestens ein Sieg im Spiel um Platz drei. Oder gar: der Weltmeistertitel.

"Wir sind noch lange nicht Weltklasse", war Bundestrainer Heuberger indes sichtlich bemüht, die Erwartungen nicht ins Unermessliche wachsen zu lassen. Er hatte schon vor dem Achtelfinale gewarnt und von einem "offenen Rennen" gesprochen. Im Vorteil waren die Deutschen tatsächlich bereits vor Anpfiff. Psychologisch, weil sie bei der EM vor einem Jahr die Mazedonier in einem Krimi mit 24:23 besiegt hatten. Während Heubergers Mannschaft vor der K.-o.-Runde nur etwa 30 Kilometer von Granollers nach Barcelona reisen musste, entwickelte sich der Umzug des mazedonischen Teams zum Horrortrip: Da die Bahn in Sevilla ausgefallen war, dauerte die Fahrt mehr als acht Stunden, das Training im Palau Sant Jordi musste gestrichen werden.

Doch Deutschland hat diesen Sieg nicht nur dem Pech des Gegners zu verdanken. Heuberger machte keinen Hehl daraus, dass ihn die Entwicklung der Mannschaft sehr freue. "Wir haben uns stets gesteigert, als Trainer bin ich sehr zufrieden. Heute hat alles gepasst, von A bis Z." Und auch im Viertelfinale müsse nicht Schluss sein. "Ich bin erfolgsbesessen, ich will auch dieses Spiel unbedingt gewinnen."

Der deutsche Angriff hatte diesmal nicht den fulminanten Angriffswirbel geboten, nicht das brutale Tempospiel aus den letzten Vorrundenpartien. Es gelangen zwar einige Tempogegenstöße. Aber viele Schnellangriffe unterbanden einerseits Mazedoniens Keeper Borko Ristovski, der tief im Feld stand, andererseits das clevere Rückzugsverhalten des Gegners. Aber der sehr defensiv stehende 6:0-Abwehrverbund stand erneut wie eine Mauer. Immer wieder lief sich der mazedonische Aufbau an dem Mittelblock von Michael Haaß (Göppingen) und Roggisch fest. "Auch der Kreisläufer hat keine Bälle bekommen", analysierte Haaß zufrieden. Auf dieser Basis hatte die deutsche Mannschaft mit 4:0-Toren (siebte Minute) einen Traumstart hingelegt.

Nie genehmigte der Weltmeister von 2007 dem EM-Fünften von 2012 eine Führung, er baute die Führung auf 11:5 (23.) aus und distanzierte das Team um Superstar Kiril Lazarov bis zum 18:13 (40.) scheinbar mühelos. Als dann aber Steffen Weinhold, der Flensburger Rückraumlinkshänder, sich eine Zeitstrafe einhandelte, da wankte der Favorit kurzzeitig. Mazedonien verkürzte flugs auf 18:16 (42.), die Wende drohte. Nun kam der große Moment des Silvio Heinevetter.

Als Dejan Manaskov einen Schnellangriff lief und den geharzten Ball aus kürzester Distanz abfeuerte, da lag der Keeper von den Füchsen Berlin quer in der Luft, schwebend scheinbar, und blockte das Leder ab. "Wie er diesen Ball noch weggegrätscht hat, ist mir schleierhaft", sagte Linkshänder Adrian Pfahl hinterher, "das war eine Schlüsselszene." Auch Heuberger lobte den extravaganten Torwart, der im Laufe des Turniers viel Kritik hatte einstecken müssen. "Heute war die Zeit von Silvio da", sagte der 48-Jährige.

Als danach die Wetzlarer Flügelzange, Kevin Schmidt und Tobias Reichmann, kaltblütig die nächsten vier Versuche zum 22:17 (50.) einnetzte, waren die deutschen Profis endgültig auf die Siegerstraße eingebogen. "Dass wir das so souverän gewinnen, hätte ich nicht gedacht", sagte Haaß.

Dass dieses Team so weit vorstößt und nun auf den vierten Weltmeister-Titel für den DHB schielt, hat wohl ebenfalls niemand erwartet.

Vorrunde, Gruppe C: Weißrussland - Saudi-Arabien 33:15, Polen - Südkorea 33:25, Serbien - Slowenien 31:33. Abschlusstabelle: 1. Slowenien 5 Spiele/151:130 Tore/10 Punkte, 2. Polen 5/134:110/8, 3. Serbien 5/150:128/6, 4. Weißrussland 5/135:120/4, 5. Saudi-Arabien 5/95:145/2, 6. Südkorea 5/116:148/0. Gruppe D: Ägypten - Australien 39:14, Spanien - Kroatien 25:27, Ungarn - Algerien 29:26. Abschlusstabelle: 1. Kroatien 5/148:99/10, 2. Spanien 5/160:98/8, 3. Ungarn 5/147:120/6, 4. Ägypten 5/130:123/3, 5. Algerien 5/123:126/3, 6. Australien 5/66:208/0. Achtelfinale: Deutschland - Mazedonien 28:23, Russland - Brasilien 27:26, Frankreich - Island 30:28, Dänemark - Tunesien 30:23; Montag: Slowenien - Ägypten, Serbien - Spanien, Kroatien - Weißrussland, Ungarn - Polen. Viertelfinale (Mittwoch): in Barcelona: Dänemark - Ungarn/Polen, Russland - Slowenien/Ägypten; in Saragossa: Frankreich - Kroatien/Weißrussland, Serbien/Spanien - Deutschland.