Zwei Tage nach dem Eklat um Boateng beschimpften Ultras des Klubs von Miroslav Kloses Cagliaris dunkelhäutigen Spieler Victor Ibarbo.

Rom. Nur zwei Tage nach der konsequenten Aktion von Kevin-Prince Boateng gegen Fremdenhass haben Rassismus-Vorfälle den Fußball in Italien erneut überschattet. Beim Serie-A-Spiel zwischen Lazio Rom und Cagliari Calcio (2:1) beschmipften die gefürchteten Ultras des Hauptstadtklubs, der mit Nationalspieler Miroslav Klose aufgelaufen war, den dunkelhäutigen Gästespieler Victor Ibarbo.

Aus der Kurve der Lazio-Anhänger ertönten in der ersten Halbzeit Pfiffe und hämische Rufe gegen den Kolumbianer. Daraufhin wandte sich Cagliaris Generaldirektor Luciano Marroccu an den Schiedsrichter und drohte mit dem Abzug der Mannschaft, sollten die Pfiffe nicht verstummen. Ibarbo versicherte allerdings, dass er das Spielfeld nicht verlassen werde, selbst wenn die Schmährufe anhalten sollten. Daraufhin wurde das Match fortgesetzt.

Der gebürtige Berliner Boateng hatte am Donnerstag im Testspiel gegen Pro Patria anders gehandelt und in der 26. Minute das Spielfeld verlassen, weil er und seine dunkelhäutigen Teamkollegen wiederholt von gegnerischen Fans mit Affenlauten verhöhnt worden waren. Die Partie wurde abgebrochen, weil auch Boatengs Mitspieler aufhörten zu spielen. Für die konsequente Reaktion erhielten Boateng und sein Team europaweit viel Anerkennung. Im Nachrichtendienst Twitter bezeichnete Boateng die Zwischenfälle in Rom am Sonntag als „sehr traurig“.

Marroccu sprach von „verwerflichen Vorfällen“. Er habe den Schiedsrichter angesprochen, weil die Rufe zu laut geworden seien. „Aber den Beschluss über den Abbruch des Spiels muss der Schiedsrichter fällen“, sagte der Manager von Cagliari. Lazio-Präsident Claudio Lotito hielt sich mit Kritik an den eigenen Anhängern zurück. „Unsere Fans sind keine Rassisten. Wir haben auch einige dunkelhäutige Spieler in unseren Reihen. Wir können nicht jeden einzelnen Fan kontrollieren“, sagte Lotito: „Ich denke, dass die Fan-Gemeinschaft insgesamt bewertet werden muss, und unsere Fan-Gemeinschaft ist intakt. Einige wenige Rassisten können nicht das Gesamtbild beeinflussen.“

Von „einigen wenigen“ zu sprechen, ist allerdings gerade bei Lazio problematisch. Das Ultra-Lager der „Irriducibili“ bleibt seit Jahrzehnten unverhohlen einer rechten Gesinnung treu. Im Jahr 2005 stellte sich Lazio-Kapitän Paolo di Canio nach dem 3:1-Sieg im Derby gegen den AS Rom vor die Kurve und zeigte inbrünstig den „römischen Gruß“. Die faschistische Geste, dem Hitlergruß ähnlich, machte ihn bei den Ultras endgültig zur Ikone.

Die erneuten Zwischenfälle könnten Boateng verstärkt über einen vorzeitigen Abschied aus Italien nachdenken lassen. Schon zuvor hatte der 25-Jährige betont, dass die Vorkommnisse vom Donnerstag nicht spurlos an ihm vorbeigegangen seien. „Ich werde jetzt drei Nächte darüber schlafen und mich nächste Woche mit meinem Berater Roger Wittmann treffen. Dann muss man schauen, ob es weiter Sinn macht, in Italien zu spielen“, sagte er der Bild-Zeitung.

Er sei über den Vorfall sauer, traurig und geschockt gewesen, sagte Boateng: „Dass so etwas im Jahr 2013 noch passiert, ist eine Schande.“ Milan-Trainer Massimiliano Allegri glaubt allerdings nicht an einen Abgang des Mittelfeldspielers. „Ich denke, dass das nur die Reaktion auf einen Moment der Bitterkeit war“, sagte Allegri.

Vorwürfen unter anderem durch den ehemaligen Milan-Star Clarence Seedorf, er habe durch seine Aktion der pöbelnden Minderheit zu viel Aufmerksamkeit geschenkt, widersprach Boateng. Rassismus dürfe nicht mehr toleriert werden. „Weggucken ist einfach, Handeln schwieriger. Aber ich hätte das auch in der Champions League beim Spiel gegen Real Madrid gemacht - und werde es immer wieder tun“, sagte Boateng. Ibarbo handelte am Sonnabend dagegen nach Seedorfs Sichtweise.

Kurz vor dem Beginn der offiziellen Untersuchung der Behörden hat bereits ein Täter gestanden, Boateng und dessen Mitspieler im Stadion verunglimpft zu haben. Ihm droht eine fünfjährige Stadionsperre. Die Polizei der Stadt Varese nahm Ermittlungen gegen fünf Personen auf. Sie konnten mit Hilfe von Videoaufnahmen identifiziert werden. Der Präsident des Fußballverbandes FIGC, Giancarlo Abete, bat um ein Treffen mit Italiens Polizeichef Antonio Manganelli, um Maßnahmen gegen Rassismus in den Stadien zu erörtern. Abete will zudem die Zusammenarbeit zwischen Klubs und Sicherheitskräften verstärken.