Paul Biedermann trifft im Finale über 200 Meter Freistil (18.02 Uhr, ARD und Eurosport) auf Konkurrent Michael Phelps. Es kommt zum Kampf der Giganten.

Rom. Dieser verflixte Anzug wollte nicht abgehen von seiner braun gebrannten Haut, dabei hatte er sofort den Reißverschluss am Rücken geöffnet und Luft zwischen sich und die schwarzgraue Pelle gelassen. Es half kaum. Paul Biedermann (22) rollte den Anzug mühsam ab wie die Haut einer Weißwurst. Er hat dem störrischen Stück Plastik viel zu verdanken. Zwei Sekunden, schätzt Biedermann, machte es den neuen Weltmeister über 400 Meter Freistil schneller. Der Arena X-Glide lässt den Schwimmer delfingleich durchs Wasser gleiten, an Land vollführen er und seine muskelbepackten Kollegen in dem Aufzug aber manchmal merkwürdige Verrenkungen, um sich seiner zu entledigen.

Biedermann wird es heute Abend im Finale über 200 Meter Freistil mit Michael Phelps aufnehmen, dem 14-maligen Olympiasieger. "Etwas müde" sprang der Praktikant der Wasserwerke Halle/Saale gestern Morgen zum Vorlauf ins Becken und schlug nach 1:45,30 Minuten an, drei Zehntelsekunden eher als Phelps. Im Halbfinale am Abend kraulte Biedermann als Schnellster die vier Bahnen in der neuen Europarekordzeit von 1:43,65 Minuten, Phelps brauchte als Dritter 1:45,23. Danach Anzugprozedur, Dopingkontrolle, Interviews - "ich wusste gar nicht, dass es als Weltmeister so anstrengend ist", entfuhr es ihm.

Jetzt also kann er Sportidol Phelps vom Sockel stoßen, auf Biedermanns Lieblingsstrecke ist das Feld bereitet. "Ich glaube, dass Phelps der bessere Schwimmer ist", sagt er und meint, mit seinem 400-Meter-Weltrekord keine Schockwirkung erzielt zu haben. "Wenn ich wie er bei Olympia acht Goldmedaillen gewonnen hätte, würde ich mich vor niemandem fürchten." Eher ungläubig registrierte der Amerikaner, dass Biedermann die sieben Jahre alte Bestmarke des Australiers Ian Thorpe in 3:40,07 Minuten um eine Hundertstelsekunde unterboten hatte. "Ich dachte, Ians Rekord wäre für die Ewigkeit. Es ist verrückt, dass diese Marke gefallen ist." Es schmerzt Phelps, dass er zum römischen Festival der Rekorde bisher nichts beitragen konnte und die Zeit zum ersten Mal in seiner makellosen Karriere gegen ihn ist. 2010, wenn die High-Tech-Anzüge verbannt werden, bleibt Biedermanns Marke wohl unerreicht.

Die Form von Peking, als Biedermann über 200 Meter noch als Fünfter anschlug, konnte Phelps nicht halten. Der veraltete Anzug, das halbe Jahr Trainingspause und das lockere Leben haben Spuren hinterlassen. In der 4 x 100-Meter-Freistilstaffel der Männer schwamm er am langsamsten im Team USA, das trotzdem Gold gewann. Dabei wollte er sich auf die kurzen Strecken stürzen und stellte seinen Kraulstil um. Gestern erklärte Trainer Bob Bowman das Experiment mit den weitgreifenden Armzügen für gescheitert: "Wir kehren wieder zur alten Technik zurück."

Überhaupt hat sich eine merkwürdige Stimmung über das Foro Italico gelegt. Die Rekorde verleiten weder Zuschauer noch Athleten zu Jubelarien. Höchstleistungen werden in die Nähe von "technischem Doping" gerückt, wie Australiens Trainer Alan Thompson konstatiert. Die "New York Times" machte einen "heimtückischen Angriff" auf jahrelang bestehende Bestmarken aus. Über pharmazeutische Schnellmacher wird in Rom nur am Rande gesprochen. Auf die Frage nach dem D-Wort war Biedermann dennoch gefasst, nachdem er in einem fulminanten Spurt auf der letzten Bahn an Olympiasieger Oussama Mellouli aus Tunesien, 2007 positiv auf das Amphetamin Adderall getestet, vorbeigezogen war. Um über sechs Sekunden verbesserte Biedermann seine Zeit von den deutschen Meisterschaften vor vier Wochen. Bliebe nach Biedermanns Rechnung und dem Abzug von zwei Sekunden durch den Anzug immer noch eine Differenz von vier Sekunden. "Ich weiß, dass meine Leistungen Fragen aufwerfen. Aber ich bin absolut sauber. Ich bin in diesem Jahr mehr als 20-mal kontrolliert worden. Ich habe eben viel gearbeitet."