Eric Johannesen fragt er sich: Was ist Leistungssport in Deutschland noch wert? Dennoch will er 2016 in Rio wieder dabei sein.

Hamburg. Der Glanz der Olympischen Spiele von London ist dem grauen Alltag gewichen. Bewölkt ist es und für Anfang Januar selbst morgens in der Früh’ zu warm. Immerhin ist die Dove-Elbe am Ruderzentrum in Allermöhe in Hamburg eisfrei. Gute Gelegenheit für Achter-Olympiasieger Eric Johannesen vom RC Bergedorf sowie dem Lübecker Maximilian Munski im Zweier ohne Steuermann auf dem Wasser 20 Kilometer zurückzulegen. Lediglich beobachtet von einem Angler, der am Anleger sitzt und wenigstens auf einen kleinen Fang hofft.

Später, in einem Café, wird Johannesen erzählen, dass es sich zwischen Weihnachten und den ersten Tagen im neuen Jahr um eine ruhige Phase handele. „Es tut gut, ein bisschen Pause zu haben“, erzählt der 24-Jährige. Bei ihm heißt das, meist nur einmal Training am Tag. „Sonst sind es mindestens zwei Einheiten, manchmal auch drei. Dann wird morgens gerudert, dann gibt es eine Pause, danach Krafttraining, und nachmittags geht’s noch einmal auf das Wasser.“

Johannesen ist kein Profisportler, der vom Rudern leben könnte. Er studiert Wirtschaftsingenieurswesen in Hamburg. Auch den Besuch von Vorlesungen und Seminaren muss er in seinen Tagesablauf einbauen. Nebenbei Jobben und Geld verdienen? Fehlanzeige. Natürlich hätte Johannesen auch weiter als Sportsoldat bei der Bundeswehr bleiben können. Sein Einkommen wäre damit gesichert gewesen. Da auch die Förderung durch das Team Hamburg, immerhin mehrere hundert Euro, erst einmal weggefallen ist, wird Johannesen vor allem von den 15 000 Euro Prämie für seinen Olympiasieg im Sommer vorigen Jahres in London leben, die er wie seine Crewmitglieder in monatlichen Raten erhält.

Johannesen verhehlt nicht sein Unverständnis darüber, „dass man hier als Hochleistungssportler schon gewinnen muss, um davon leben zu können. Man muss sich schon fragen, was der Leistungssport in Deutschland noch wert ist. Eine studentische Hilfskraft verdient vermutlich besser“, meint er. Fahrten zum Leistungszentrum nach Dortmund, um dort im Achter zu trainieren, unternimmt Johannesen in seinem privaten Auto. Die Fahrtkostenerstattung etwa seitens des Deutschen Ruder-Verbandes (DRV) indes decken die Ausgaben nicht.

Nach gut einer Stunde verabschiedet sich Johannesen. Niemand hat in dieser Zeit gestört. Niemand ist an den Tisch getreten, um von ihm ein Autogramm zu bekommen oder hat mit großen Augen herübergestarrt und seinem Gegenüber zugeflüstert, „schau’ da sitzt ein Olympiasieger“. Aber Johannesen braucht auch keine große Aufmerksamkeit: „Ich weiß ja für mich, was ich erreicht habe.“

Den Olympiasieg eben und den WM-Titel 2011 auch noch. Mehr geht eigentlich nicht. Doch Johannesen träumt davon, auch 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro wieder im Deutschland-Achter zu sitzen. „Die Tage von London waren eben ein wahnsinniges Erlebnis“, weiß er. Im grauen Alltag wirkt die Erinnerung daran besonders schön.