Jovan Belcher von den Kansas City Chiefs hat seine Lebensgefährtin erschossen und sich selbst getötet. Football wurde trotzdem gespielt.

Kansas City. Bei der Schweigeminute flossen Tränen, einige Spieler der Kansas City Chiefs schauten emotional in den Himmel. „Trauriger Tag in KC“, war auf einem Plakat im riesigen Arrowhead Stadium der Missouri-Metropole zu lesen. Der Schock über den Selbstmord von Football-Profi Jovan Belcher überschattete am Sonntag das NFL-Heimspiel der Chiefs gegen die Carolina Panthers und das gesamte Geschehen in der Liga.

„Genießen Sie die Spiele, aber denken Sie vor allem an die betroffenen Familien in Kansas City. Es ist eine Erinnerung daran, was im Leben wirklich wichtig ist“, betonte ESPN-Moderator Chris Berman in seiner Pre Game Show vor den neun Mittags-Partien.

Der 25 Jahre alte Belcher hatte am Sonnabend seine Freundin erschossen und sich anschließend vor dem Trainingsgelände im Beisein von Chefcoach Romeo Crennel und Manager Scott Pioli selbst getötet. Nach Angaben der Tageszeitung „Kansas City Star“ hatte sich der Linebacker in der Nacht zuvor mit seiner Lebensgefährtin gestritten, die zu spät von einem Musikkonzert heimgekommen sein soll.

„Viele Spieler waren eng mit Jovan befreundet. Und sie leiden alle“, sagte Clark Hunt vor Spielbeginn. Der Team-Präsident hatte es dem Team überlassen, ob man gegen Carolina spielen wolle oder nicht. „Coach Crennel und die Spieler haben sich einstimmig dafür entschieden, die Partie durchzuführen“, so Hunt. Nur wenige Meter von dem Ort entfernt, an dem sich Belcher eine Waffe an den Kopf hielt und abdrückte, gingen seine ehemaligen Teamkollegen im Arrowhead Stadium somit ihrem Job nach. Touchdowns und Tackles statt Trauer und innerer Einkehr. „Warum die Eile nach solch einer Tragödie zu spielen?“, kritisierte die „USA Today“ bereits am Sonnabend.

In den Morgenstunden des 1. Dezember hatte Belcher zunächst daheim mehrmals auf seine 22 Jahre alte Freundin geschossen, mit der er eine drei Monate alte Tochter hat. Seine Mutter sah die Szene und alarmierte umgehend den Notruf. Die Lebensgefährtin wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo sie verstarb. Belcher flüchtete nach seiner Tat zum acht Kilometer entfernten Vereinsgelände.

Dort haben Trainer Crennel und Manager Pioli nach Angaben von Polizeisprecher Darin Snapp vier, fünf Minuten mit ihm gesprochen und sich dabei „nie in Gefahr gefühlt“. Nach dem Eintreffen der Polizei habe sich Belcher bei beiden für all das bedankt, was sie für ihn getan hatten – und sich erschossen. „Niemand kann sich vorstellen, wie es ist, wenn man Zeuge wird, wie sich jemand erschießt“, betonte Kansas Citys Bürgermeister Sly James.

„Sowas willst du sofort aus deinem Gedächtnis löschen, aber es geht nicht.“ James hatte zuvor Kontakt zu Pioli aufgenommen, für den die Geschehnisse „sehr emotional“ waren, so James. „Denken Sie an Ihren schlimmsten Alptraum und multiplizieren das mit fünf.“

Belchers Mitspieler reagierten tief bestürzt auf die traurige Nachricht. „Für immer in unseren Herzen. Ich liebe dich Bruder“, twitterte Safety Kendrick Lewis. „Bin am Boden zerstört. Ein großartiger, großartiger, großartiger Mitspieler. Wir werden ihn für immer vermissen“, erklärte Tight End Tony Moeaki. Die National Football League (NFL) teilte in einer Presseerklärung mit: „Unsere Gedanken und Gebete sind bei all denen, die von dieser unvorstellbaren Tragödie betroffen wurden.“

Belchers Berater Joe Linta war ratlos und konnte sich die Gründe für die Tragödie nicht erklären. „Irgendwas ist da total falsch gelaufen. Wir werden wohl nie erfahren, was es war“, meinte Linta und beschrieb den 25 Jahre alten Profi als „glücklichen, stolzen Vater“ und „freundlichen, uneigennützigen, hart arbeitenden Mann“, der in der Sommerpause mit Kindern in Jugendprogrammen zusammengearbeitet habe.