Rummenigge kritisiert beim Einzug ins Champions-League-Achtelfinale die Einstellung und warnt vor einem Vorjahrestrend – „Müssen den Schalter umlegen“ – Heynckes stellt sich vor die Mannschaft

Valencia. Als Karl-Heinz Rummenigge kurz vor Mitternacht zum Mikrofon griff, ahnten die Spieler von Bayern München, dass es nicht besonders angenehm werden würde. Fast alle mieden es, den Blick auf den ein paar Meter entfernt stehenden Vorstandsvorsitzenden zu richten, sie starrten stattdessen vor sich hin. Einer technischen Panne hat es die Mannschaft wohl zu verdanken, dass die Schelte nach dem mühevollen 1:1 im vorletzten Gruppenspiel der Fußball-Champions-League gegen den FC Valencia nicht noch heftiger ausfiel.

Der Klubchef hatte gerade den moderaten Teil seiner Bankettrede beendet und „ein paar mahnende Worte“ angekündigt, als das Mikrofon streikte und immer wieder aussetzte. Die Brisanz der Rede ging am Dienstagabend im Bankettsaal des Hotels „The Westin“ etwas verloren, weil Rummenigge mehr mit den Tücken der Technik kämpfte als sich auf seine Worte zu konzentrieren. Die Botschaft kam dennoch an. „Wir müssen den Schalter umlegen, wieder die andere Gangart hinkriegen, die uns so stark gemacht hat“, denn nun komme eine Woche, „die ganz wichtig ist für die Zukunft, mahnte er vor den Bundesligaspielen am Samstag gegen Hannover, am Mittwoch in Freiburg und drei Tage später gegen Dortmund.

Dass die sportliche Situation der Bayern in der europäischen Königsklasse vor der abschließenden Partie am 5. Dezember gegen den FC BATE Borissow halbwegs entspannt ist, lag am OSC Lille und an Thomas Müller. Die Franzosen hatten den Münchnern mit ihrem Sieg gegen die Weißrussen zwar schon den Weg ins Achtelfinale bereitet. Aber nur weil Müller die Führung der Spanier durch Sofiane Feghouli (77.) fünf Minuten später ausglich, konnten sich die Bayern über das unerwartete Geschenk tatsächlich freuen. Sie haben den zweiten Platz in der Gruppe F sicher und kämpfen in zwei Wochen im Fernduell mit Valencia um den Sieg. Ein Unentschieden würde dem deutschen Rekordmeister bereits genügen, um die Spanier hinter sich zu lassen.

Heynckes sieht noch Spielraum bei seinem Team

Vielleicht hätte Rummenigge das Erreichen des ersten Etappenziels der Saison mehr gewürdigt und den nicht überzeugenden Auftritt an der Costa del Azahar etwas nachsichtiger beurteilt, wäre nicht ein Trend zu erkennen, der den Verantwortlichen Sorgen bereitet. Wie beim 1:1 in Nürnberg am vergangenen Samstag wirkten Münchner auch gegen Valencia etwas gesättigt. Es fehlt derzeit der Biss.

Trainer Jupp Heynckes wollte das alles aber nicht zu negativ bewertet wissen. Am nächsten Tag vor dem Abflug nach München stellte er sich – zumindest verbal – schützend vor die Mannschaft. “Die Spieler wissen, wo sie ansetzen müssen und sind selbstkritisch genug„, sagte der 67 Jahre alte Fußballlehrer.

Doch auch ihm dürfte nicht entgangen sein, dass das Spiel am Vorabend nicht zwingend genug war, fast gelangweilt trug der FC Bayern seine Versuche vor, die gut geordnete Defensive der Spanier zu knacken. Als dann in der 32. Minute auch noch Antonio Barragan nach rüdem Foulspiel an David Alaba die Rote Karte sah und Valencia den fehlenden Mann durch noch mehr Laufarbeit und Einsatz wettzumachen versuchte, blieben die Bayern die Antwort schuldig. Heynckes lobte den Gegner als Mannschaft, “die ans Limit geht„ und sah genau darin bei seinem Team “noch Spielraum.„

Auch Rummenigge rügte die Tendenz, Spiele zu verwalten. Man müsse “aufhören zu hoffen, dass sich Dinge von selbst regeln„, sagt er. Bei den Verantwortlichen des FC Bayern geht die Angst um, dass passiert, was der Klub in der vergangenen Saison erlebt hatte. Auch damals hatten die Münchner einen wunderbaren Start hingelegt und schon reichlich Abstand zwischen sich und Dortmund gebracht, aber dann geriet der Bayern-Motor ins Stottern und am Ende blieben nur drei zweite Plätze. “Wir müssen verhindern, dass uns das wieder passiert„, forderte Rummenigge.

Auch wenn Heynckes betonte, dass er genau wisse, was zu tun sei, gibt es bereits erste Anzeichen, dass sich die Geschichte wiederholen könnte. Denn wie in der vergangenen Saison lässt die Form zu einem ganz ungünstigen Zeitpunkt nach, kurz vor dem Duell mit dem Meister aus Dortmund. Vor einem Jahr verloren die Münchner die Partie, die damals allerdings ein paar Wochen früher stattfand, und damit auch ein bisschen den Glauben an die eigene Klasse.

Anders als in Nürnberg suchten die Spieler die Schuld am Dienstagabend nicht woanders. “Wir müssen den Killerinstinkt besser einsetzen„, gab Torhüter Manuel Neuer zu. Thomas Müller sprach von “Schadensbegrenzung„. Es sei kein Spiel, “für das wir uns feiern lassen können„. Daran dachte in Valencia auch kaum jemand. Im Bankettsaal war es am Dienstagabend ziemlich leise – und nicht nur, weil das Mikrofon ausfiel.

Die Statistik

Valencia: Guaita - Barragan, Rami, Costa, Cissokho - Costa, Parejo (75. Jonas) - Feghouli, Guardado (86. Valdez) - Banega (80. Albelda), Soldado. - Trainer: Pellegrino

München: Neuer - Lahm, Dante, Badstuber, Alaba - Martinez, Schweinsteiger - Thomas Müller, Toni Kroos (66. Shaqiri), Ribery (79. Gomez) - Pizarro (66. Mandzukic). - Trainer: Heynckes

Schiedsrichter: Howard Webb (Rotherham)

Tore: 1:0 Feghouli (77.), 1:1 Thomas Müller (82.)

Zuschauer: 50.000

Beste Spieler: Feghouli, Banega - Dante, Alaba

Rote Karten: Barragan wegen groben Foulspiels (33.)

Gelbe Karten: Barragan, Soldado (3), Guaita - Dante (2), Martinez (2)