Der Zweikampf zwischen Sebastian Vettel und Fernando Alonso findet beim US-Grand-Prix in Austin nicht nur auf der Piste statt.

Austin. Die erste Auseinandersetzung zwischen Sebastian Vettel und Fernando Alonso an diesem Formel-1-Wochenende in Austin war eine optische. Sie endete unentschieden. Als hätten sie sich abgesprochen, erschienen beide stilecht in Bluejeans und ausgelatschten Turnschuhen auf der neu gebauten Anlage in der texanischen Prärie. Während sie durch die Boxengasse schritten, hing ein Lächeln in ihrem Gesicht, als wären sie auf dem Weg zu einem Sommerfest und nicht zu der Entscheidung im Kampf um die WM-Krone. Es wird bis zur Abreise am Sonntag das letzte Mal sein, dass sich die beiden Titel-Rivalen so einig sind. Für den einen geht es darum, die Chance auf den WM-Titel bis zum letzten Rennen am Leben zu halten. Der andere will sich seine dritte Weltmeisterschaft binnen drei Jahren vorzeitig sichern, um allen Eventualitäten beim Saisonfinale in einer Woche von vornherein auszuschließen. Unterschiedlicher könnten die Voraussetzungen für die prägenden Piloten dieses Jahres kaum sein.

Beide können der jüngste Dreifach-Weltmeister der Formel-1-Geschichte werden. "An diese Perspektive denke ich jetzt noch nicht", behauptete Vettel immer wieder, weil er bei jeder Gelegenheit nach dem Vergleich mit den Rennsport-Idolen Michael Schumacher und Juan Manuel Fangio gefragt wurde: "Wenn es soweit ist, können wir gern darüber sprechen." Es klang, als rechne er fest damit, schon am Sonntagnachmittag Stellung beziehen zu können.

Auch Fernando Alonso, der mit 31 Jahren zwar eine nicht ganz so spektakuläre Bestmarke aufstellen würde wie der 25-jährige Vettel, aber immer noch jünger wäre als alle anderen dreimaligen Titelträger, übte sich nach den zahlreichen Sticheleien der vergangenen Wochen in Zurückhaltung: "Ich habe Vertrauen in das Auto, in das Team und natürlich auch in mich selbst. Alles Weitere werden wir sehen." In nur einem der zurückliegenden fünf Rennen ließ er den Deutschen hinter sich, aus 44 Punkten Vorsprung wurden zehn Zähler Rückstand. Das macht vorsichtig bei lautstarken Kampfansagen.

Diesen Job übernahm ungefragt Ex-Pilot Jacques Villeneuve. "Fernando verdient den Titel mehr als Sebastian, er ist der Beste", befand der kanadische Weltmeister von 1997. Vettel warf er vor, sich "wie ein Kind zu verhalten, wenn die Umstände gegen ihn sprechen. Dann schreit er herum und streckt den Mittelfinger in die Luft." An dem Red-Bull-Piloten perlen diese Vorwürfe ab. Gänzlich unkindisch sagte er: "Ich weiß nicht, ob die Psychospielchen schon begonnen haben oder noch kommen. Es interessiert mich letztlich auch nicht, ich schaue nur auf unser Ergebnis."

Gewinnt er, muss Alonso in Austin mindestens Vierter werden, um beim Finale in São Paulo am nächsten Wochenende noch eine Chance zu haben (siehe Text unten). Allerdings ist es Vettel erst einmal in dieser Saison gelungen, seinem Rivalen auf der Strecke die nun geforderten 15 Punkte abzunehmen: Bei Vettels Sieg in Bahrain kam der Ferrari-Star lediglich als Siebter ins Ziel. Deswegen reduziert Vettel die Rechnung vor seinem 100. Grand Prix aufs Wesentliche: "Wenn wir vor ihm bleiben, sieht es gut aus. Wenn nicht, müssen wir uns etwas einfallen lassen." So einfach kann Titelkampf sein.

17 Rennen lang haben beide miteinander gerangelt, mal in der direkten Auseinandersetzung wie auf dem Hockenheimring, als der Lokalmatador den Spanier ziehen lassen musste. Meistens trugen sie jedoch Fernduelle aus: In der ersten Saisonhälfte zog oft Alonso seine Kreise an der Spitze, nach der Sommerpause bekam der Champion der Jahre 2005 und 2006 im Getümmel des Feldes oft nur über den Boxenfunk mit, was Vettel weiter vorne so trieb. Nun strebt ihr Zweikampf dem ultimativen Höhepunkt entgegen.

Dass der Schauplatz dafür beiden unbekannt ist, verleiht ihrer Auseinandersetzung einen besonderen Charakter. Zwei Asphaltcowboys treffen sich ausgerechnet im Wilden Westen zum Showdown. Während alle anderen Piloten direkt nach ihrer Ankunft zu einer Streckenbegehung aufbrachen, verzichtete Vettel auf den Ausflug. "Ich habe im Simulator genug Eindrücke gesammelt", sagte er. Auch ein Ausdruck seines neuen Selbstbewusstseins.

Seit Vettels furioser Fahrt in Abu Dhabi, als er vom letzten Startplatz noch auf Rang drei vorpreschte, geht es mehr denn je auch um die Frage, wer der beste Rennfahrer ist. Bisher galt Alonso unangefochten als versiertester Fahrkünstler. Mit einem unterlegenen Auto führte er lange in der WM-Wertung. Kritiker warfen dem Deutschen deswegen vor, er habe seine zwei WM-Titel einmal einem überlegenen Auto (2011) und einmal einem fatalen Strategiefehler der Konkurrenz (2010) zu verdanken und nicht seinen Qualitäten als Rennfahrer. Diese Vorwürfe nagten an Vettel und führten in Momenten des Frusts zu dem, was Villeneuve als "kindisches Verhalten" bezeichnet hat.

Seit Abu Dhabi jedoch geht Vettel mit breiterer Brust durch das Fahrerlager. Jetzt weiß nicht nur er, dass er den sportlichen Zweikampf mit Alonso nicht zu scheuen braucht. Er hat es auch der Öffentlichkeit bewiesen.

Im freien Training fuhr Sebastian Vettel am Freitag in Austin in beiden Durchgängen die schnellste Runde. Selbst ein Kühlungsproblem an seinem Red-Bull-Renault konnte ihn nicht stoppen. Vettel war in 1:37,718 Minuten um 0,757 Sekunden schneller als Teamkollege Mark Webber. Fernando Alonso (1:38,483) wurde im Ferrari zweimal Dritter, Lewis Hamilton (McLaren-Mercedes) Vierter in 1:38,748.