Holtby nachnominiert. In der Defensive insgesamt sechs Ausfälle. Neue Pleite des DFB-Teams in Amsterdam ist dennoch verboten.

Amsterdam. Beim Treffpunkt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Amsterdam nahm die Absageflut für Bundestrainer Joachim Löw groteske Züge an. Nach der Ausfällen von vier Stammkräften der Defensive am Wochenende erhielt Löw auf dem Weg vom Flughafen Schiphol zum vergleichsweise schmucklosen Marriott Hotel in der niederländischen Metropole am Montagmittag auch noch die Kunde von den Ausfällen der Offensivkräfte Mesut Özil (muskuläre Probleme) und Miroslav Klose (Grippe). Um noch eine ordentliche Betriebsstärke zu halten für den „Prestige-Test“ gegen die Niederlande am Mittwoch (20.30 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) und das Vorhaben möglichst vieler Wechsel während der Partie noch umsetzen zu können, rief der Bundestrainer den Schalker Lewis Holtby von der U21 des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nach Amsterdam. Sechs Absagen für eine Partie hat Löw seit langer Zeit nicht mehr bekommen.

Am Sonntagabend hatte der Bundestrainer schon mit dem Frankfurter Sebastian Jung (22) und dem Dortmunder Sven Bender (23) die gerissenen Lücken halbwegs aufgefüllt. Sie waren durch den Ausfall des zum Team-Stamm gehörenden Quartetts mit Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos, Jerome Boateng (alle FC Bayern) und Marcel Schmelzer (Dortmund) entstanden. Bei einem Pflichtspiel wären wohl einige Spieler, die absagten, doch erschienen, aber mit Rücksicht auf die Vereine mit ihrem hohen Terminstress wurden die teilweise etwas fadenscheinigen Ausfallgründe akzeptiert.

Ohne ein halbes Dutzend Stammspieler wird es für den nun 19 Profis zählenden Kader kompliziert, den letzten Auftritt vergessen zu machen und den ramponierten Ruf aufzupolieren. Aber von der Panne gegen Schweden möchte Löw sowieso nichts mehr hören, geschweige denn über den Schlamassel reden. Das 4:4 in der WM-Qualifikation vor einem Monat in Berlin, als es die Nationalmannschaft fertig brachte, einen 4:0-Vorsprung in 28 Minuten zu verspielen, wird der Bundestrainer entgegen früherer Ankündigungen einfach übergehen beim letzten Termin des Jahres.

„Wir wollen uns mit einer guten Leistung aus dem EM-Jahr verabschieden und unseren Fans mit einem guten Spiel überzeugen“, sagte der Bundestrainer. In der Mannschaftsbesprechung will der 52-Jährige den Team-Charakter „Vorne Kunst, hinten Chaos“ nur kurz erwähnen. „Es wäre der pädagogisch falsche Ansatz, das zu lange zu besprechen“, erklärte Löw. Es macht für ihn auch insofern wenig Sinn, weil gleich sechs Defensiv-Spieler, die zum Team-Kern zählen, gegen den Vize-Weltmeister ersetzt werden müssen.

Im Defensivbereich ist die Ausfallquote besonders hoch: Holger Badstuber und Sami Khedira wurden nach Verletzungen erst gar nicht berufen. Da auch Schweinsteiger und Kroos noch kurzfristig ausfielen, stehen drei Topkandidaten für die Sechser-Positionen nicht im Aufgebot. Damit eröffnet sich eine Chance für die Bender-Zwillinge, Ilkay Gündogan oder einen der Neulinge, sich auf diesem zentralen Posten zu bewähren. Der Schalker Roman Neustädter weist seit Wochen eine starke Form nach, Sebastian Jung hat sich durch seine bedeutende Beteiligung am Höhenflug der Eintracht empfohlen. In der Defensive fallen mit Boateng und Schmelzer, der seit der seltsam vorgetragenen Löw-Kritik vor dem Irland-Spiel bei Dortmund regelrecht aufgetrumpft hat, auch zwei Außenverteidiger aus.

Löw wird im Hallenstadion von Amsterdam improvisieren müssen. Nach dem Klose-Ausfall steht gar kein echter Stürmer mehr im Aufgebot. Stefan Kießling wäre ein Nachrücker gewesen, aber Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler hatte den Spieltermin vorige Woche als wahre Zumutung gegeißelt. Mario Götze kann nun Özil ersetzen und mit Marco Reus und Thomas Müller das offensive Mittelfeld bilden. Reus könnte aber auch in die Sturmspitze rücken, ein Vorhaben, von dem Löw immer einmal sprach. Und auch Lukas Podolski und Müller sind eigentlich verkappte Stürmer.

Im hinteren Bereich könnte Manuel Neuer im Laufe der Partie durch Rückkehrer Rene Adler ersetzt werden. Der Neu-Hamburger und Ex-Leverkusener freut sich unglaublich über sein Comeback in der DFB-Elf. „Es ist wie ein Märchen“, sagte der 27-Jährige. In der Abwehr kann Löw mit einer Champions-League-Reihe mit Philipp Lahm, Mats Hummels, Per Mertesacker und Benedikt Höwedes planen. Im defensiven Mittelfeld bieten sich der in Dortmund stark aufspielende Gündogan und der Leverkusener Lars Bender an, der allerdings wie bei der EM einmal auch als rechter Verteidiger anstelle von Höwedes auflaufen könnte. Die Defensive steht trotz der vielen Absagen auf dem Prüfstand. Fest steht, dass eine Pleite eigentlich nicht erlaubt ist.


Das Aufgebot in der Übersicht


Tor

Manuel Neuer, Bayern München 27.03.1986, 35 Länderspiele, 0 Tore

René Adler, Hamburger SV, 15.01.1985, 10,0


Abwehr

Benedikt Höwedes, FC Schalke 04, 29.02.1988, 9, 1

Mats Hummels, Borussia Dortmund, 16.12.1988, 22, 1

Sebastian Jung, Eintracht Frankfurt, 22.06.1990, 0, 0

Philipp Lahm, Bayern München, 11.11.1983, 94, 5

Per Mertesacker, FC Arsenal, 29.09.1984, 84, 2

Heiko Westermann, Hamburger SV, 14.08.1983, 24, 3


Mittelfeld und Angriff

Lars Bender, Bayer Leverkusen, 27.04.1989, 10, 1

Sven Bender, Borussia Dortmund, 27.04.1989, 2, 0

Julian Draxler, FC Schalke 04, 20.09.1993, 2,0

Mario Götze, Borussia Dortmund, 03.06.1992, 19, 3

Ilkay Gündogan, Borussia Dortmund, 24.10.1990, 3,0

Lewis Holtby, FC Schalke 04, 18.09.1990, 2,0

Thomas Müller, Bayern München, 13.09.1989, 37, 10

Roman Neustädter, FC Schalke 04, 18.02.1988, 0, 0

Lukas Podolski, FC Arsenal, 04.06.1985, 105, 44

Marco Reus, Borussia Dortmund, 31.05.1989, 13, 5

André Schürrle, Bayer Leverkusen, 06.11.1990, 19, 7