Nach den Sicherheits-Kontrollen in München gibt es einen Aufschrei in der Fanszene. Auch viele Vereine lehnen Ganzkörperkontrollen ab.

Berlin. Der beim Fan-Gipfel in Berlin geschlossene „Waffenstillstand“ mit den Verbänden ist noch keine zwei Wochen alt, da rumort es wieder unter den Fußball-Anhängern. Die Ganzkörperkontrollen bei Frankfurter Fans beim Bundesliga-Spitzenspiel vor der Allianz Arena in München stießen auf heftige Kritik und könnten das Klima in der Sicherheitsdebatte wieder vergiften.

„So etwas geht gar nicht. Das war völlig unverhältnismäßig und meiner Meinung nach auch rechtswidrig“, sagte Wilko Zicht, Sprecher des Bündnisses Aktiver Fußball-Fans (BAFF), dem SID. An eine Einmaligkeit der Aktion glaube er nicht: „So etwas ist im Sicherheitskonzept der DFL vorgesehen. An einen Zufall glaube ich da nicht.“

Ob das Beispiel in München Schule macht und in Zukunft bei allen Bundesligaspielen manche Fans in eigens dafür aufgestellten Zelten näher untersucht werden, ist schwer vorherzusagen. Laut Bild lehnen viele Klubs, darunter Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach, solche Maßnahmen ab. „Wenn es so weit kommt wie am Flughafen, dass wir durch Schleusen laufen müssen, dann hat der Fußball verloren“, sagte zum Beispiel Manager Fredi Bobic vom VfB Stuttgart.

Der VfL-Fanbeauftragte Holger Ballwanz sieht in Wolfsburg „keine Notwendigkeit für verschärfte Kontrollen“, eine Aufforderung zur kompletten Entkleidung müsse erst recht niemand befürchten: „Der Umstand, dass sich Fans komplett ausziehen müssen, stellt aus unserer Sicht einen rechtlich fragwürdigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Fans dar.“

Von solchen Zuständen waren die von Polizei und Ordnungsdiensten durchgeführten Kontrollen in München aber offenbar weit entfernt. Laut FC Bayern wurden lediglich 30 bis 40 der insgesamt 6655 Frankfurt-Fans im Stadion „gründlich untersucht“. Die Kontrollierten hätten dabei lediglich ihre Jacken ausziehen müssen. Außerdem seien deren Taschen nach Pyrotechnik durchsucht worden. Die „neutrale Sicherheitsbeaufsichtigung“ des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) habe die Aktion, die auf eine Initiative der Polizei zurückgegangen sei, überwacht.

Die Fans kritisieren jedoch auch die Möglichkeit der Willkür. „Wer wird denn aus der Masse rausgezogen? Jemand, dessen Jacke ausgebeult ist, oder jemand, dessen Gesicht einem nicht passt?“, sagte BAFF-Sprecher Zicht. Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte bezeichnete die Durchsuchungen als „rechtswidrig“ und „intensiven Eingriff in Grundrechte“. Der „Nordwestkurven-Rat“ der Eintracht sprach von einer „in höchstem Maße entwürdigenden Maßnahme“. Der „zaghaft begonnene“ Dialog zwischen Fans, Vereinen und Politik werde damit „torpediert“.

Der Fan-Aufstand und die in dieser Sache ablehnende Haltung vieler Vereine könnten einen weiteren Rückschlag für das umstrittene und noch nicht verabschiedete DFL-Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“ bedeuten. Mehrere Klubs wie Union Berlin, FC St. Pauli, VfL Wolfsburg oder der VfB Stuttgart hatten den ersten DFL-Entwurf abgelehnt und die Debatte angeheizt. Zum 12. Dezember will die DFL das Papier auf seiner Mitgliederversammlung beschließen - sonst droht ihr die Politik das Heft des Handelns aus der Hand zu nehmen.