Zwei Jahre sind seit Ablauf ihrer Sperre wegen schwankender Blutwerte vergangen. Aber für Pechstein ist noch keine Normalität eingezogen.

Berlin. Trotz ihrer 40 Jahre gehört Claudia Pechstein im bevorstehenden Winter weiter zu den Hoffnungsträgern der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft DESG. Vor dem Wettkampf-Auftakt bei den deutschen Meisterschaften in Berlin an diesem Wochenende spricht Pechstein über ihre Sorgen und Ziele.

Wie beurteilen Sie Ihren Saisoneinstieg in 4:07,18 Minuten über 3000 Meter?

Claudia Pechstein: „Ich habe im Sommer gut trainieren können. Und die beste Zeit, die mir je zum Saisoneinstieg gelungen ist, scheint der verdiente Lohn zu sein. Was meine Situation aber nicht einfacher macht, sind die ganzen Baustellen in meinem Hinterkopf.“

Ist die angekündigte Schadenersatzklage gegen den Weltverband ISU wegen der aus Ihrer Sicht ungerechtfertigten Zwei-Jahres-Sperre auf den Weg gebracht?

Pechstein: „Was heißt aus meiner Sicht? Selbst der Hämatologie-Experte der ISU hat meine Blutanomalie bestätigt. Deshalb arbeiten meine Anwälte intensiv an der Klage, sie wird bis zum Jahresende fertig sein. Aber mein Job ist es, gute Leistungen auf dem Eis zu bringen. Um die juristischen Dinge kümmern sich die Leute aus meinem Umfeld, auf die ich mich verlassen kann.“

Die „Causa Erfurt“ hat bereits vor dem jüngsten Urteil des Deutschen Sportschiedsgerichts monatelang für Schlagzeilen gesorgt. Auch Ihr Name wurde immer wieder genannt. Wie hat Sie das belastet?

Pechstein: „Immens. Obwohl ich nie Beschuldigte war, nicht einmal von der Staatsanwaltschaft als Zeugin befragt wurde, hat mich die ARD-Sportschau öffentlich denunziert. Es ging nur darum, Skandale rauszuhauen, Wahrheiten will dort scheinbar niemand hören.“

Verspüren Sie Erleichterung nach der Entscheidung?

Pechstein: „Es konnte gar kein anderes Urteil geben für die Zeit vor dem 1. Januar 2011, UV-Bestrahlung des Blutes also kein Doping-Verstoß war. Für mich ist bezeichnend, dass die Reporter den Skandal auf Teufel komm raus wollten. Und jetzt jammern sie herum, dass sie von mir kein Interview mehr bekommen.“

Bleiben Sie bei Ihrem Boykott gegenüber der Sportschau?

Pechstein: „Ich werde das durchziehen, bis ich eine Entschuldigung von jenen Leuten bekomme, die die Verantwortung dafür tragen. Nur wenn sie ihren Fehler eingestehen, dass sie mich zu Unrecht verunglimpft haben, ist die Sache aus der Welt zu schaffen. Ansonsten wird es auch bei Olympia in Sotschi kein Interview geben. Man hat grundlos mit Pfeil und Bogen auf mich geschossen. Was damit für ein Schaden angerichtet wird, spielte keine Rolle. Meine Anwälte arbeiten an der Schadenersatzklage, sie wird definitiv kommen.“

Seit 19 Monaten sind Sie als Beamtin der Bundespolizei nun im Sonderurlaub ohne Bezüge. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Pechstein: „Das ist sehr unbefriedigend für mich. Ich bringe bessere Leistungen als die meisten jüngeren Sportler der Bundespolizei, bekomme im Gegensatz zu meinen Kollegen aber keinen Euro. Selbst für meine Krankenversicherung muss ich selbst sorgen.“

Belastet Sie die ungewisse finanzielle Situation im Training?

Pechstein: „Natürlich ist es alles andere als positiv, wenn man sich mit solch einer unbefriedigenden Situation herumplagen muss. Umso glücklicher bin ich über meine Zeit zum Auftakt. Ich kann mich nur mit Leistung beweisen gegenüber der Sporthilfe und dem DOSB. Und ich will auch dem Bundesinnenministerium zeigen, dass ich nach wie vor zur internationalen Spitze zähle. Leute, die mich auf der Straße ansprechen, denken, dass wieder alles so läuft wie früher. Aber das ist eben nicht der Fall.“

Was haben Sie sich für die vorolympische Saison vorgenommen?

Pechstein: „Bei den Meisterschaften muss ich mich über 1500 Meter für die Weltcups qualifizieren. Auf den langen Strecken will ich mich vor allem bei der WM in Sotschi gut präsentieren und möglichst wieder auf das Podest. Aber ich mache mir keinen Druck. Und natürlich möchte ich mich auch wieder in den Massenstart-Rennen beweisen.“