Platz 3 in Abu Dhabi war für Vettel ein großer Sieg. Auch wenn der Titel noch nicht fix ist, zeigte er, dass er ein wahrer Champion ist.

Abu Dhabi. Nach der größten Aufholjagd der Formel 1 seit 23 Jahren huldigt die Sportwelt „Teufelskerl“ Sebastian Vettel schon vor Vollendung des Titel-Hattrick als wahren Champion. Das 99. Rennen Vettels war „das Rennen seines Lebens“ (The Sun), und so feierten Experten und Medien rund um den Erdball den deutschen Weltmeister, der in Abu Dhabi selbst seine größten Kritiker überzeugte.

„Wir ziehen den Hut vor diesem Teufelskerl“, schrieb der Schweizer Blick. El Pais aus dem Heimatland von Vettels WM-Rivalen Fernando Alonso lobte die „größte Aufholjagd seit 20 Jahren“. Und der Corriere dello Sport, als italienische Zeitung auch auf der Seite des Ferrari-Piloten Alonso, erteilte Vettel den Ritterschlag: „Der kaltblütige Buchhalter ist ein Barbar geworden. Er ist auf Alonsos Ebene aufgestiegen, vielleicht sogar darüber hinaus.“

FIA-Präsident Jean Todt suchte nach dem Rennen extra das Red-Bull-Motorhome auf, um für die überragende Leistung zu gratulieren. „Das war schon eines seiner allerallerbesten Rennen“, sagte auch RTL-Experte Christian Danner, der 1989 mit 22 gewonnen Plätzen (von 26 auf 4 in den USA) zuletzt eine größere Aufholjagd hingelegt hatte. Und in den Augen von BBC-Fachmann David Coulthard wurde Vettel mit Platz drei nach gleich zwei Beutezügen durch fast das gesamte Feld „vom Renngott für eine unglaubliche Leistung belohnt“.

So verzieh der Vize-Weltmeister von 2001 dem bald wohl dreimaligen Champion sogar die Rosenwasser-Dusche auf dem Podium - obwohl sie ihn in ungewohnte Schwierigkeiten brachte. „Ich klebe überall, das Zeug fühlt sich an wie Zitronenlimonade. Ich hoffe, die Zuschauer haben das nicht gesehen“, sagte der Coulthard, der ungeduscht noch stundenlang TV-Analysen tätigen musste, dem SID: „Aber ich verzeihe Sebastian. Er ist ein unglaubliches Rennen gefahren und war zurecht einfach nur überglücklich.“

Zehn Punkte Vorsprung hat Vettel vor den letzten beiden Rennen, das dennoch zum Herzschlagfinale wird. Zwar könnte die Entscheidung theoretisch schon bei der Premiere in Austin zu Vettels Jubiläum fallen, doch auch der in Abu Dhabi zweitplatzierte Alonso hat die Entscheidung mit zwei Siegen weiter in der eigenen Hand.

Aber all diejenigen, die Vettel immer unterstellten, er könne nur glänzen, wenn er von der Pole startet oder profitiere nur von seinem überragenden Auto, wurden eindrucksvoll widerlegt. Weil der 25-Jährige sich von nichts und niemandem unterkriegen ließ. Weder seine Rückversetzung wegen des Auto-Abstellens nach dem Qualifying noch sein im Rennen zweimal zerstörter Frontflügel konnten ihn aufhalten.

„Man darf Rückschläge gar nicht als solche annehmen. Wenn man sich niederboxen lässt, muss man gar nicht erst wieder aufstehen“, sagte er. Und zeigte auch die Fähigkeit zur Selbstkritik, die ihm in letzter Zeit desöfteren abgegangen war. Dass er ein Styroporschild am Streckenrand umgemäht hatte, nahm er zumindest nach dem Rennen auf sich. „Das war blöd, da hätte ich aufmerksamer sein sollen“, sagte er und ergänzte locker in fließendem Hessisch: „Da stand eben dieses blöde Babbedeckelschild im Weg.“

Die Fähigkeit, aus auch widrigen Umständen immer das Maximum zu machen, wurde stets Alonso zugesprochen. Vor allem deshalb sahen die meisten in ihm den besten Fahrer, egal wie viele Titel Vettel auch gewinnt. Diesmal zeigte der Deutsche nach Ansicht des Corriere dello Sport „all das Talent, das bisher hinter seinem starken Auto versteckt war“.

Natürlich war vor allem die Stimmung im „Bullenstall“ entsprechend. „Sensationell, unglaublich. An so ein Rennen kann ich mich in den letzten 20, 30 Jahren nicht erinnern“, sagte der sonst nicht zum Überschwang neigende Motorsportboss Helmut Marko. Teamchef Christian Horner benutzte die Worte „brillant, fantastisch, er ist gefahren wie ein Champion“.

Besonders imponierte den Briten, dass Vettel ihn vor den Rennen mit den Worten „Wir sehen uns auf dem Podium“ verabschiedete: „Und er hat das wirklich geglaubt.“ Selbstbewusstsein, Unbeirrbarkeit, Flexibilität: Im Saisonfinale macht Vettel die Vorteile seines Rivalen Alonso zu den seinen.

Doch der Spanier twittert sich weiter Mut zu. „Ein Samurai arbeitet ohne Unterlass, ohne Ermüdung und ohne sich auch nur im Geringsten entmutigen zu lassen, bevor er sein Ziel erreicht hat“, schrieb er seinen 1,2 Millionen Followern. Es klang schon erstaunlich nach Durchhalteparole.