Außenseiter On Track Piraten gewinnt den Großen Preis von Deutschland. Ex-Tennis-Star Anke Huber hatte auch Grund zum feiern.

Hamburg. Das halbe Dutzend schwedischer Traberfans mit Fähnchen und Perücken, das schon gepflegt vorgefeiert hatte, traute seinen Augen nicht: Auf der Zielgeraden zog der Wallach On Track Piraten wie im Spaziergang am hohen Favoriten Brad De Veluwe vorbei und sicherte sich souverän den Großen Preis von Deutschland. Dafür gab es Applaus der 6000 Zuschauer auf der Trabrennbahn in Bahrenfeld, einen Silberpokal und 98 915 Euro Preisgeld für den Stall Mörkermasse aus Schweden. Der Name Pirat passte also gar nicht schlecht. Als Dritter unter den zehn Teilnehmern aus fünf Ländern komplettierte Angelo den Coup der Skandinavier. Sie machten die ersten vier Plätze unter sich aus. Die beiden deutschen Starter, Jaycee mit Fahrer Thomas Panschow und Cao Dai (Gerhard Biendl) endeten im Hintertreffen und verdienten ihr Futter gestern Nachmittag nicht.

Während des dreitägigen Pferderennens hatte auch die ehemalige Tennis-Spielerin Anke Huber Grund zu feiern. Gemeinsam mit ihrem Mann Roger Wittmann, beide Gründungsmitglieder des Rennstalls Catch Glory, sah die 37-Jährige einen souveränen Sieg ihres Pferdes Rapido Ok. Der zweijähriger Hengst ging als Favorit ins Rennen und sicherte sich bei seiner Premiere auf Anhieb den Sieg und 12.500 Euro Preisgeld. „Bei den anderen Rennen ist man nur halb dabei. Wenn das eigene Pferd dann läuft, ist das natürlich ein ganz anderes Gefühl Dann ist es einfach nur toll wenn er am Ende gewinnt”, freute sich Huber nach dem Sieg ihres Pferdes.

Derweil Tuomas Korvenoja den als unschlagbar eingeschätzten Finnen Brad De Veluwe unbeachtet zurück in die Stallungen dirigierte, triumphierte sein Kollege Joseph "Jos" Verbeeck vor der Haupttribüne - mit einem vergoldeten Lorbeerkranz über der Schulter. Der in Frankreich arbeitende Belgier hatte seinem Nimbus als "Hexer" alle Ehre gemacht: Weil er abgezockt ist und oft auch hinter fremden Pferden instinktiv richtig taktiert.

"Ich kenne On Track Piraten nur aus dem Fernsehen", verriet der 53-Jährige dem erstaunten Publikum. Der Trainer habe ihm vor dem Start der mit knapp 200 000 Euro dotierten Prüfung lediglich mit auf den Weg gegeben: "Jos, du musst was machen." Dies sah dann so aus: Den Großteil der 2720 Meter steuerte Verbeeck seinen 109:10-Außenseiter hinter dem Sulky des Topfavoriten und ließ seinem Wallach im passenden Moment freien Lauf. "Brad De Veluwe war wohl ein bisschen müde", mutmaßte der "Hexer".

Der Beifall fiel auch deswegen besonders herzlich aus, weil der siegreiche Fahrer auf dem Hippodrom am Volkspark ein alter Bekannter ist: 1992 und 1993 gewann er mit dem Hamburger Hengst Sea Cove hier den Großen Preis von Deutschland. Dieses Pferd führte er auch zu einem seiner insgesamt vier Erfolge im Prix d'Amerique, dem bedeutendsten Trabrennen Europas in Paris.

Mit On Track Piraten, so sagte es die Papierform, sollte es in Bahrenfeld zu schwer werden. Der Vierjährige hatte zuvor in diesem Jahr keinen seiner fünf Läufe gewinnen können und war nur wegen des renommierten Fahrers nicht noch weniger gewettet. Wer auf den hohen Favoriten Brad De Veluwe gesetzt hätte, wäre mit einem Totokurs von 10:10 Euro abgespeist worden. In einem solchen Fall jedoch garantiert der Veranstalter aus Kulanz einen Bonus von 20 Prozent des Einsatzes. Dieses Geld blieb in der Kasse. Am Sonntag wurden 270 000 Euro umgesetzt; unter dem Strich waren es während des dreitägigen Grand-Prix-Meetings wie im Vorjahr rund 710 000 Euro.

Da einige Rennen live in die französischen Zockerbistros übertragen wurden, ergaben sich bei einem Umsatz von 2,5 Millionen Euro rund 75 000 Euro Provision. Insgesamt fast 10 000 Zuschauer erlebten eine von Rennbahn-Chef Dr. Jan Kleeberg und seinem Team perfekt und liebevoll inszenierte Veranstaltung mit einem attraktiven Rahmenprogramm, jedoch nicht die Begeisterung vergangener Trabrennjahre. Bei dem enormen Werbeaufwand war das Ereignis letztlich ein Zuschussgeschäft.

"Wir haben noch einen weiten Weg vor uns", bilanzierte Dietrich von Mutius, Geschäftsführer des Vermarkters Win Race. "Dennoch war dieses Wochenende ein sehr großer Schritt, die Rennbahn in Bahrenfeld wiederzubeleben." Der Trabrennsport in der Hansestadt sei dabei, in Europa erneut "gesellschaftsfähig" zu werden.

Doch nicht jeder vernahm das Signal. So hatte Christian Herz, zusammen mit der Familie des Milliardärs und Züchters Günter Herz Besitzer von Win Race, in einem persönlichen Schreiben alle deutschen Rennvereine - also auch die Galopper - am Sonnabend zu einer Konferenz in die Lounge des Hippodroms geladen. Es gelte, die Zukunft gemeinsam zu gestalten, gerade auch Konsequenzen aus dem Glücksspielstaatsvertrag betreffend. Doch waren die Turffunktionäre der Versammlung fast komplett ferngeblieben.

Das erstaunt. Zwar erteilte das Galopper-Direktorium Horn nun doch die Austragung des Deutschen Derbys bis mindestens 2028, doch sind die Weichen im Südosten der Hansestadt derzeit nicht auf Sieg gestellt. Eine Doppelrennbahn für Traber und Galopper, das hat der Senat klargestellt, werde es nur geben, wenn beide Pferdesportsparten an einem Zügel ziehen. Davon kann, allen öffentlichen Bekundungen zum Trotze, nicht die Rede sein.