Nach dem 2:2 der kriselnden Stuttgarter gegen Leverkusen platzt VfB-Coach Bruno Labbadia der Kragen. Unterstützung erhält er von VfB-Sportdirektor Fredi Bobic und Wolfsburgs Trainer Felix Magath. Bobic schiebt gleichzeitig der VfB-Vereinsführung den schwarzen Peter zu.

Stuttgart. Spätestens seit dem umstrittenen Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 haben Wutbürger in der schwäbischen Metropole Konjunktur. Mit seiner Wutrede nach dem 2:2 (1:1) gegen Bayer Leverkusen gehört nun auch VfB-Trainer Bruno Labbadia dazu. Pfiffe und „Bruno raus“-Rufe waren ertönt, als Labbadia den starken Youngster Raphael Holzhauser (77.) ausgewechselt hatte. Nach Spielschluss folgten Beleidigungen von der Haupttribüne. Genug, um das schwäbische Pulverfass zur Explosion zu bringen.

+++ Die Wutrede des Bruno Labbadia hier im Video +++

„Die Trainer in der Bundesliga sind nicht die Mülleimer von allen. Mich wundert es nicht, dass es in Stuttgart alle paar Monate einen neuen Trainer gibt, wenn man sich so verhält, wie es hier der Fall ist“, redete sich Labbadia bei seiner knapp zweiminütigen Wutrede mit jedem Satz mehr und mehr in Rage: „Als normaler Bundesliga-Trainer muss man sich die Frage stellen, gehe ich einen schweren Weg, wie ihn der VfB Stuttgart gehen muss, gehe ich den mit, oder sage ich: am Arsch geleckt!“

Bei den klammen Schwaben, die in den letzten acht Jahren in kurzer Reihenfolge sechs Trainer verschlissen hatten, sei eine gewisse Grenze erreicht. Er könne nicht akzeptieren, „wenn der Trainer wie der letzte Depp dargestellt wird, als hätte er gar keine Ahnung“, sagte der 46-Jährige: „Mich wundert's nicht, weil die Zuschauer in den letzten Wochen durch absolute Unwahrheiten aufgewiegelt wurden.“

Labbadias Vorwurf, den VfB-Sportdirektor Fredi Bobic in ähnlich drastischer Weise bereits in der Vorwoche geäußert hatte („Rufmord“), richtete sich vor allem an die Medien. Angesichts von Berichten über Missstimmungen im Trainerteam und im Verhältnis zur Mannschaft sowie Vorwürfe, Labbadia versperre Talenten wie Holzhauser den Weg nach oben, seien „Unwahrheiten, die absolut unter die Gürtellinie“ gingen, schimpfte Labbadia inzwischen mit hochrotem Kopf und konstatierte: „Das Fass ist absolut voll.“

Bobic, der während der Pressekonferenz schweigend im Hintergrund gestanden hatte, hieß die Kritik an Medien, aber auch am Umfeld und an der Vereinspolitik der vergangenen Jahre ausdrücklich gut. Labbadia, meinte ein ebenfalls angefressener Bobic, „hat ein gutes Recht, sich genau so zu äußern“. Zustimmung kam auch vom Tabellenvorletzten aus Wolfsburg.

„Es ist so, wie er (Labbadia, d. Red.) gesagt hat: Es hat sich in diesem Geschäft eingebürgert, wenn was schiefläuft, dann geben wir dem Trainer die Schuld“, sagte VfL-Trainer-Manager Felix Magath im Sportclub des NDR-Fernsehens: „Es wird wirklich respektlos mit den Trainern umgegangen.“

Dass aber auch der Verein VfB Stuttgart nicht schuldlos an der beinahe alljährlichen Krise zur Herbstzeit ist, ließ Bobic indirekt erkennen. Fans und Umfeld der Schwaben sind offensichtlich nicht darauf vorbereitet, dass auf den fünfmaligen Meister zumindest in näherer Zukunft magere Zeiten warten.

„Ich bin nur der Sportdirektor. Ich versuche, das umzusetzen, was man mir vorgibt - was schon schwer genug ist“, sagte Bobic: „Hier werden viele Dinge vermischt, und plötzlich ist der Trainer Schuld. Der kann gar nix dafür. Er geht den Weg sogar absolut mit.“

Dass der sichtlich angeschlagene Labbadia, der Stuttgart seit seinem Amtsantritt im Dezember 2010 aus dem Tabellenkeller bis in die Europa League geführt hatte, seinen Trainerstuhl nach dem vierten Heimspiel ohne Sieg freiwillig beim Viertletzten räumt, sei laut Bobic (noch) nicht zu befürchten.

Nachdem Tore von Vedad Ibisevic (19./55.) aufgrund der Gegentreffer von Stefan Kießling (13./59.) nur zum Remis gegen Bayer gereicht hatten, hoffe er nun auf Besserung nach der Länderspielpause. Dann, meinte Bobic, „beginnt die richtig heiße Phase.“ Dabei täte dem VfB derzeit eher etwas Abkühlung gut.

Die Wutrede von Bruno Labbadia im Wortlaut

„Ich finde, es ist eine gewisse Grenze erreicht hier. Ich bin vor 22 Monaten hier angetreten, da stand dieser Verein mit zwölf Punkten am Tabellenende. Keiner hat einen Pfifferling drauf gegeben in dieser Zeit. Danach haben wir die Mannschaft in die Europa League geführt. Wir haben knapp 20 Millionen Euro an Etatsenkung mitgemacht. Wir haben einen zweistelligen Millionen-Betrag einnehmen müssen. Ich kann gewisse Dinge nicht akzeptieren, wenn ein Trainer wie der letzte Depp dargestellt wird, als hätte er gar keine Ahnung. Das muss man ganz klar sagen. Mich wundert's nicht, weil die Zuschauer dazu aufgewiegelt wurden in den letzten Wochen immer wieder, weil absolute Unwahrheiten verbreitet wurden.

Und jetzt kommen wir zu Raphael Holzhauser: Raphael Holzhauser wäre heute nicht mehr hier im Verein, wenn ich vor ein paar Wochen nicht mein Veto eingelegt hätte, dass er ausgeliehen wird. Das muss man hier ganz klar sagen. Raphael ist in der Halbzeitpause gekommen und hat angezeigt, dass er Probleme hat. Und er hat dann darum gebeten, dass er ausgewechselt wird.

Ich muss ganz ehrlich sagen, die Trainer in der Bundesliga sind nicht die Mülleimer von allen Menschen. Da ist eine totale Grenze erreicht - auch hier in Stuttgart. Das muss ich ganz klar sagen. Mich wundert's nicht, dass es hier alle paar Monate einen neuen Trainer gibt, wenn man sich so verhält, wie es hier der Fall ist. Als normaler Bundesliga-Trainer muss man sich heute die Frage stellen, gehe ich einen schweren Weg, wie ihn der VfB Stuttgart gehen muss, gehe ich den mit, oder sage ich: am Arsch geleckt! Das muss ich mal ganz klar und deutlich sagen.

Ich kann die Leute hier nicht verstehen, aber vor allem nicht die schreibende Zunft. Ich weiß, dass Sie das jetzt wieder persönlich nehmen, aber das muss hier mal ganz klar gesagt werden. Das Fass ist absolut voll! Einige haben sich in den letzten Wochen Unwahrheiten erlaubt, die absolut unter der Gürtellinie waren. Da erwarte ich, dass auch Sie das Ganze mal hinterleuchten und nicht einfach nachschreiben.“