Sonntag startet der Rest der NFL in die neue Saison. Geleitet werden die Spiele jedoch von zweit- oder drittklassigen Schiedsrichtern.

Boston. In den Tagen des US-Wahlkampfes wird oft die Geschichte des amerikanischen Traums bemüht. Die Storys, wie es einfache Leute durch Fleiß und harte Arbeit nach ganz oben schaffen, bewegen immer wieder Millionen Menschen. Am Mittwoch erlebte Jim Core seine Version des "American Dream“. Er war der Haupt-Schiedsrichter beim Saisonauftakt in der National Football-League (NFL) zwischen Meister New York Giants und den Dallas Cowboys.

Monatelang hatten Millionen Amerikaner diesem Moment entgegengefiebert, die Tage gezählt, bis sie endlich ihren Lieblingssport wieder hatten. Als es so weit war, standen auf der einen Seite des Spielfeldes die World Champions der Giants, auf der anderen die Dallas Cowboys, der laut Wirtschaftsmagazin "Forbes“ mit 2,1 Milliarden Dollar wertvollste NFL-Verein.

Und zwischen all den hoch bezahlten Superstars war eben auch er, Jim Core, ein leicht nervös wirkender Geografie-Lehrer für Achtklässler von der Sawtooth Middle School in Meridian/Bundesstaat Idaho. Dass einige der besten Football-Profis der Welt auf sein Kommando hören, hätte sich Core nie träumen lassen. Für gewöhnlich leitet er Spiele in der II. und III. College-Division.

"Ich hätte liebend gerne die besten Schiedsrichter auf dem Feld, aber ich muss langfristig denken“, betont NFL-Boss Roger Goodell. Seine Liga befindet sich mit der Gewerkschaft der Referees im Arbeitskampf. Derzeit sind die rund 120 offiziellen NFL-Schiedsrichter ausgesperrt. Und deshalb müssen am ersten Spieltag Core und Co ran – oder eben auch Shannon Eastin. Die 42-Jährige ging beim Testspiel zwischen San Diego und Green Bay als erste Schiedsrichterin in die NFL-Geschichte ein und steht am Sonntag beim Match Detroit Lions – St. Louis Rams erneut auf dem Platz.

Es scheint aberwitzig, dass die finanzkräftigste Liga der Welt mit Jahreseinnahmen von rund neun Milliarden Dollar auf zweit- und drittklassige Referees zurückgreifen muss. Dabei verdienen die Unparteiischen nur einen Bruchteil von dem, was die Spieler kassieren. Der Durchschnittsverdienst liegt bei 149.000 Dollar pro Saison. Core bekam für sein Spiel 3500 Dollar – 1000 Dollar weniger als ein Neuling der ursprünglichen Schiedsrichter in der Vorsaison verdiente.

Im Gegensatz zu den Profiligen im Basketball, Baseball und Eishockey sind die NFL-Schiedsrichter Teilzeitkräfte. Viele haben in der Saisonpause andere, mitunter sogar besser bezahlte Jobs, und wollen diese auch künftig ausüben. Die NFL hingegen will durchsetzen, dass mindestens ein Mitglied jeder Crew hauptamtlich arbeitet. Ein weiterer Streitpunkt ist die Altersvorsorge.

Beide Seiten seien noch 50 bis 70 Millionen Dollar voneinander entfernt, so Goodell. Wie Millionen Landsleute hat auch er beim Auftakt genau auf die Unparteiischen geschaut und der Crew einen "mehr als adäquaten Job“ bescheinigt. Giants-Trainer Tom Coughlin hingegen monierte, dass im zweiten Viertel ein klares Foul an Wide Receiver Victor Cruz direkt vor der Endzone nicht geahndet wurde. Statt eines Touchdowns gab's nur ein Field Goal. "Jeder Schiedsrichter kann mal ein Foul übersehen, aber hier war es in einer Schlüssel-Szene“, so Coughlin, dessen Team 17:24 verlor.

Eine Woche zuvor hatte Referee Don King beim Testspiel zwischen den Giants und New England erhebliche Probleme, seine Entscheidungen, die in der NFL über Stadionlautsprecher und somit für alle hörbar mitgeteilt werden, zu erklären. King brauchte mehrere Anläufe, revidierte sich immer wieder selbst und wurde letztlich von den Fans ausgebuht. Selbst Patriots-Quarterback-Star Tom Brady konnte sich am Spielfeldrand ein Lächeln nicht verkneifen. „Dies soll eigentlich ein NFL-Hochglanz-Produkt sein, aber danach sieht es nicht aus“, bemerkte der TV-Kommentator.

"Man werde die Sache lösen“, sagt Goodell. Doch wann? Es reicht eine Fehlentscheidung der Ersatz-Leute, die zu einem schweren Foul eines Star-Spielers führen könnte – und schon stünde das Saisonziel des gesamten Vereins womöglich in Frage. Goodell weiß das. Er hat bereits erwähnt, dass er am Montag mit einigen Telefonaten rechne.