Das 150-köpfige Aufgebot des Deutschen Behindertensportbundes (DBS) um Heinrich Popow ist gespickt mit Medaillenhoffnungen.

London. Ob Buckingham Palace, Tower Bridge oder Trafalgar Square - Londons zahlreiche Wahrzeichen dürften für die deutschen Teilnehmer an den Paralympics höchstens als nette Begleiterscheinung taugen. Denn die 150 Vertreter des Deutschen Behinderstensportverbandes (DBS) haben keinen Reiseführer, sondern Medaillenambitionen im Gepäck.

„Ich fahre nicht nach London, um Zweiter zu werden“, sagte der Sprinter und Weitspringer Heinrich Popow. Nach Triple-Bronze 2004 in Athen und einmal Silber vier Jahre später in Peking ist der 29-Jährige bereit für den großen Coup: „Es ist einfach der richtige Zeitpunkt, um Gold zu holen.“

Dafür bleiben ihm in London aber nur wenige Sekunden „Es geht nur um die 100 m“, sagte der linksseitig oberhalb des Kniegelenks amputierte Weltmeister. In der Sprungkuhle wähnt sich Popow trotz seines Erfolgs bei der WM 2011 in Christchurch (Neuseeland) wegen der Zusammenlegung der Unter- und Oberschenkelamputierten chancenlos.

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Neben Popow geht in der Leichtathletik Marianne Buggenhagen, die von Paralympics bislang neun Gold-, eine Silber- und zwei Bronzemedaillen mitgebracht hat, aussichtsreich an den Start. Nachdem das Internationale Paralympische Komitee (IPC) das Diskuswerfen in ihrer Klasse aus dem Programm genommen hat, kann die querschnittsgelähmte 59-Jährige ihr Medaillenkonto aber lediglich im Kugelstoßen aufstocken. „Ich bin schwer enttäuscht und fühle mich immer noch betrogen“, sagte Buggenhagen dem ZDF.

Dagegen tanzt der viermalige Paralympics-Champion Wojtek Czyz auf mehreren Hochzeiten. „Ich möchte bei meiner letzten Teilnahme an den Paralympics unbedingt in jeder meiner Disziplinen eine Medaille gewinnen“, sagte der 32-Jährige, der sich in London über die 100 m und im Weitsprung mit Popow messen muss und zudem über die 200 m antritt.

Czyzs Ehrgeiz steht sinnbildlich für die Zielsetzung des DBS. „Wir haben den Anspruch, uns als Topnation zu etablieren“, sagte Karl Quade, der bereits zum neunten Mal als deutscher Chef de Mission fungiert. Vom Medaillenspiegel lässt er sich allerdings nicht die Sicht auf die Dinge vernebeln. „Der Maßstab sind persönliche Bestleistungen.“

Diese peilt auch Schwimmerin Kirsten Bruhn (42), die bei einem Motorradunfall eine inkomplette Querschnittslähmung erlitt, im Londoner Aquatics Centre an, um wie bereits in Athen 2004 und Peking 2008 eine Goldmedaille aus dem Becken zu fischen. „Bei vier älteren Geschwistern musste ich mich ganz schön durchbeißen“, verrät die Wasbekerin einen Teil ihres Erfolgsgeheimnisses.+++

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Für DBS-Präsident Friedhelm Julius Beuchler sind Bruhn, Czyz und Co. aber nicht bloß Garanten für Spitzenleistungen. „Sie sind unsere Leuchttürme. Gelebte Beispiele von Integration und Vorbilder, wie man mit Schicksalsschlägen umgeht“, sagte er. In diese Kategorie fällt auch Ilke Wyludda (43). Nach der Amputation des rechten Unterschenkels im Dezember 2010 startete die Diskuswurf-Olympiasiegerin von 1996 noch einmal richtig durch.

Der DBS belohnte den Fleiß und die stetigen Leistungsteigerungen der Hallenserin mit der Nominierung für die mit 4200 Teilnehmern größten Paralympics der Geschichte. „Das war kein Selbstläufer“, sagte Gerhard Bötticher, der Wyludda schon in ihrer ersten Karriere als Trainer zur Seite stand. „Von Medaillen zu reden, wäre etwas vermessen“, sagte Wyludda, die in London in ihrer Paradedisziplin und im Kugelstoßen antritt.

Deutlich forscher nimmt Radsportler Michael Teuber, der nach einem Autounfall inklomplett querschnittsgelähmt ist, das Abenteuer Paralympics in Angriff. „Natürlich will ich erneut Gold gewinnen“, sagte der 44-Jährige, der bei Paralympischen Spielen schon drei Gold-Fahrten hingelegt hat und neben der Bahn-Verfolgung auch im Straßen-Zetfahren auf Medaillenjagd geht.

Prämienaufstockung durch Deutsche Sporthilfe

Die Deutsche Sporthilfe und der Deutsche Behindertensportverband (DBS) haben die Medaillenprämien für die deutschen Behindertensportler bei den Paralympics angehoben. „Diese erfreuliche Aufstockung ist eine Wertschätzung der sportlichen Leistungen aller Menschen mit Behinderung und somit ein Schritt zu mehr Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Menschen“, erklärte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Frankfurt/Main.

Für eine Goldmedaille bei den Paralympics erhalten die deutschen Athleten künftig 7500 statt wie bislang 4500 Euro. Für Silber und Bronze werden 5000 bzw. 3000 statt 3000 und 1500 Euro ausgeschüttet. Beucher bestätigte, dass diese Prämienerhöhung vor allem dank zusätzlicher Gelder der Deutschen Fußball-Liga und der Bundesliga- Stiftung möglich sei. „Diese Entwicklung ist enorm. Daher will ich vor allem Danke sagen, insbesondere Herrn Gaugler von der Bundesliga-Stiftung, der das durch die Bereitstellung erklecklicher zusätzlicher Mittel möglich gemacht hat“, meinte Beucher.

„Der Fußball ist in einer öffentlich sehr bevorzugten Position. Deswegen haben wir uns entschieden, zu helfen“, erklärte Kurt Gaugler, der Geschäftsführer der Bundesliga-Stiftung. Dass es bei der Prämierung von Olympia- und Paralympics-Teilnehmern so große Unterschiede gibt, hatte zuvor bei den Behindertensportlern Unmut ausgelöst. Zum Vergleich: Olympiasieger erhalten 15 000 Euro Prämie.

Mit Material von sid und dpa