Ein Schwimmtrainer, der mit zu den Spielen nach London gereist war, soll eine minderjährige Schwimmerin über Jahre sexuell missbraucht haben.

London. Nach der Affäre um Ruderin Nadja Drygalla ist die Olympia-Mannschaft erneut in die Negativschlagzeilen geraten. So soll ein 40-Jähriger Schwimmtrainer, der mit zu den Spielen nach London gereist war, zwischen 2004 und 2006 eine minderjährige Schwimmerin sexuell missbraucht haben. Ab Dienstag (14. August) muss er sich deswegen vor dem Schöffengericht in Kiel verantworten.

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Der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), Michael Vesper, fühlt sich von dem angeklagten Trainer getäuscht. „Wenn uns der Vorfall bekannt gewesen wäre, wäre er nicht mitgenommen worden“, sagte Vesper dapd am Samstag und fügte hinzu: „“Der Trainer hätte uns über das Verfahren gegen ihn auf jeden Fall informieren müssen.„

Der Mann gehörte in London zum Trainerstab der Beckenschwimmer. Er soll sich laut Anklage zwischen August 2004 und März 2006 in 18 Fällen an einer damals minderjährigen Schwimmerin vergangen haben. DOSB-Direktor Vesper habe nach eigenen Angaben am Freitag von dem Fall erfahren. “Wir müssen jetzt abwarten, wie das Gericht entscheiden wird. Ich finde es aber gut, dass die Sache gerichtlich geklärt wird, denn nach meinem Kenntnisstand steht ja Aussage gegen Aussage„, sagte Vesper weiter.

Missbrauchsopfer ist Nebenklägerin

“Es ist – auf Deutsch gesagt – zum Kotzen, dass so etwas gerade dann auch noch an einem Tag aufkommt, an dem Thomas Lurz Silber gewinnt„, sagte der Generalsekretär des Deutschen Schwimm-Verbands, Jürgen Fornoff. Der DSV ist durch das Debakel der Beckenschwimmer in London ohnehin sportlich gebeutelt. Am Freitagmittag hatte Lurz dem DSV bei seinem zweiten Platz über zehn Kilometer zumindest die erste Medaille beschert.

Doch dies geriet angesichts der Beschuldigungen völlig in den Hintergrund. “Wir sind davon völlig überrascht worden. Sonst hätten wir uns natürlich im Vorfeld der Olympischen Spiele mit dem Deutschen Olympischen Sportbund abgestimmt, wie man sich hätte verhalten sollen. Er hat ja auch den olympischen Ehrenkodex unterschrieben„, sagte Fornoff und fügte hinzu: “Wir haben noch keinen Kontakt zu dem Trainer aufnehmen können. Er ist leider nicht zu erreichen. Erst einmal gilt natürlich die Unschuldsvermutung. Jetzt müssen wir die Verhandlung am Dienstag abwarten.„

Unterdessen wirft der Informationsfluss zwischen dem DSV und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) Fragen auf. “Ich wollte den DOSB am Freitag darüber informieren, aber die wussten es bereits„, sagte DSV-Präsidentin Christa Thiel dapd.

Der DSV wurde am Freitagnachmittag von der “Neuen Osnabrücker Zeitung„ über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Allerdings wurde Anzeige gegen den nicht vorbestraften Trainer bereits im August 2009 erstattet, seitdem liefen die Ermittlungen. Im September 2011 erhob die Staatsanwaltschaft Kiel Anklage. Im Falle einer Verurteilung droht dem Trainer maximal eine Freiheitsstrafe von vier Jahren. Die junge Frau soll in dem Prozess als Nebenklägerin auftreten. Bei dem Prozess sind drei Zeugen geladen. Weitere Termine sind nicht angesetzt.

Keine physische Gewalt im Sinne einer Vergewaltigung

Seit dem Jahr 2000 war der Trainer Übungsleiter in Kiel. Zu einem ersten Übergriff kam es laut Anklageschrift im August 2004 bei einem Training auf Kreta. Bis März 2006 soll der Mann das Betreuungsverhältnis ausgenutzt haben, um die Sportlerin mehrfach zum Sex zu zwingen. Zu physischer Gewalt im Sinne einer Vergewaltigung kam es nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht. Hätte das Betreuungsverhältnis nicht bestanden, wären auch die jetzt erhobenen Vorwürfe strafrechtlich nicht relevant gewesen, heißt es bei der Ermittlungsbehörde. Der Mann arbeitet mittlerweile für einen Sportverein in Nordrhein-Westfalen. Im Mai wurde er im Zuge der Europameisterschaft im ungarischen Debrecen zum ersten Mal in den Trainerstab des DSV für ein internationales Turnier berufen. In London war er einer von sechs Trainern.

Vor einer Woche war die Ruderin Drygalla aus London abgereist. Die Sportlerin hatte das Olympische Dorf in London verlassen, nachdem ihre Beziehung zu einem früheren NPD-Direktkandidaten bekannt geworden war.

(dapd)