Der Kanute Sebastian Brendel belohnte sich für seine harte Arbeit mit dem Olympiasieg im Einer-Canadier

Eton. Am schönsten ist Olympia vor den Toren Londons. Das Radrennen rund um das malerische Schloss Hampton Court Palace hat optisch schon Maßstäbe gesetzt, noch beeindruckender sind allerdings Ruder- und Kanustrecke auf dem Lake Dorney. In der Morgensonne glitzert das Wasser fast silbern, an der Seite sorgen 25 000 entrückte Fans für eine beim Rudern selten erlebte Stimmung. Hier, wo die Sommerspiele daherkommen wie aus einem Bilderbuch, sollte Deutschland am Mittwoch seinen bis dahin besten Tag bei diesen Olympischen Spielen erleben. Die Kanuten sorgten innerhalb von 68 Minuten für eine goldene, eine silberne und zwei bronzene Medaillen.

Am Morgen, als noch keine Fans auf den Tribünen saßen und sich die Kanuten zum Warmmachen aufrafften, hatte Sebastian Brendel noch rasch eine Videobotschaft per Telefon erhalten. "Mein Papa, viel Glück", sagte die zweijährige Hanna ins Handy, ein Gruß aus Potsdam, der Erfolg zeitigen sollte.

Mit dem Beistand der Tochter und entsprechend motiviert gewann Brendel die Goldmedaille im Einer-Canadier. Im Ziel nach 1000 Metern hatte er fast eine Sekunde Vorsprung auf den Spanier David Cal. "Wahnsinn, grandios", sagte Brendel und musste erst einmal kräftig nach Luft schnappen. "Ich bin gut weggekommen und habe schon nach 250 Metern gemerkt, dass es heute auf jeden Fall was wird. Dann konnte ich noch richtig was draufpacken." Zum Schluss des Rennens habe er noch mal "den inneren Schweinehund überwinden müssen und an etwas Schönes gedacht, um die Schmerzen zu vergessen". Und so dachte er an seine Heimat Potsdam, "an die Fans, die zu Hause vor der Leinwand stehen und wahrscheinlich gerade ausrasten".

Die Goldmedaille sei der Lohn für die harte Arbeit gewesen, sagte der 24-Jährige. 4000 Kilometer hat Brendel in zwölf Monaten zurückgelegt, auf dem Wasser, nicht mit dem Auto. Das habe sich ausgezahlt. Nur die Familie sei ein bisschen zu kurz gekommen, seine Frau Romy und eben Tochter Hanna. Das wolle er jetzt nachholen und viel Zeit mit der Familie verbringen. Im September allerdings geht für den Olympiasieger schon die Ausbildung bei der Polizei weiter: "Ein bisschen mehr Urlaub hätte ich mir schon gewünscht." Brendels Goldgewinn hat neben der familiären noch eine zweite Geschichte mit Happy End. Bei der Weltmeisterschaft vor einem Jahr in Szeged (Ungarn) brach ihm im Vorlauf das Paddel. Ohne Arbeitsgerät musste er mitansehen, wie die Konkurrenten davonzogen. Er habe nicht mehr groß daran gedacht, sagte Brendel, nur eines: "Das Paddel lasse ich jetzt nicht mehr aus den Augen, ich habe daraus gelernt."

Möglicherweise war es im vergangenen Jahr schon ramponiert gewesen, als Brendel auf die Strecke gehen wollte. "Ich war voriges Jahr der Pechvogel, aber das ist mir jetzt alles egal", sagte er. Immerhin wurde er mit olympischem Gold für die Panne entschädigt, "aber die Medaille ist ganz schön schwer, ich hoffe, dass mein Nacken locker bleibt".

An derartige Folgen der Medaillenzeremonie dachte Max Hoff nicht. Er hatte eine bronzene Plakette vor dem Bauch hängen und war recht glücklich. Noch vor Brendel hatte er quasi den Tag der Deutschen eröffnet und im Kajakeiner den dritten Platz hinter dem Norweger Erik Veras Larsen und dem Kanadier Adam van Koeverden belegt. "Das war ein hartes Stück Arbeit", sagte der Essener. "mit dem Rennen kann ich nicht ganz zufrieden sein, mit Bronze aber schon." Möglicherweise hätte ihn die ungewöhnliche Atmosphäre eher gestört denn angespornt. "Ich war zum Anfang vielleicht gehemmt, weil die Leute auf der Tribüne so geschrien haben." Immerhin zog Hoff aber noch im Endspurt von Platz sechs auf drei, sodass sein Fazit positiv ausfiel. "Das war mein Mindestziel. Die Jungs, die vorn waren, haben das auch verdient."

Mit Mindestzielen ist das ja immer so eine Sache, auch die Frauen im Viererkajak hatten eines ausgegeben und offiziell eine Medaille angestrebt. Weil es für die Deutschen in diesem Boot und über die 500-Meter-Distanz aber seit 1996 bei den Spielen in Atlanta immer olympisches Gold gegeben hatte, sollte erneut eine Triumphfahrt anstehen.

Es wurde dann aber doch nur Silber für Carolin Leonhardt, Franziska Weber, Katrin Wagner-Augustin und Tina Dietze. Im Ziel fehlte eine halbe Sekunde auf Sieger Ungarn. "Das ist schon okay, wir haben alles gegeben", sagte Routinier Wagner-Augustin, 34. "Die deutsche Mannschaft gewinnt hier lauter Silber. Silber ist das neue Gold, und wir haben uns da angeschlossen. Ich bin froh, dass es jetzt vorbei ist."

Dabei hatte es auch für die Frauen Beistand am Rande gegeben. Kugelstoß-Silbermedaillengewinner David Storl war extra angereist, um seine Freundin Carolin Leonhardt zu Gold anzuspornen. Nach dem Zieleinlauf nahm er die Schlagfrau des Vierers tröstend in den Arm. Auch Wagner-Augustins Sohn Emil war einen Tag nach seinem ersten Geburtstag die Farbe der Plakette seiner Mama reichlich egal.

Komplettiert wurde der beeindruckende Tag für die Deutschen vor den Toren Londons durch die Bronzemedaille für den Zweierkajak. Martin Hollstein und Andreas Ihle mussten sich zwar Ungarn und Portugal geschlagen geben, waren aber zufrieden mit der Ausbeute. "Das war das härteste Rennen in dieser Saison, wir sind stolz auf uns", sagte der Neubrandenburger Hollstein. Und als er Kugelstoßer Storl neben sich stehen sah, schickte er noch einen ganz persönlichen Gruß an den 122-Kilogramm-Koloss. "'Storli', sei froh, dass du keine Ausdauersportart machst."