Erstes Gold, Superzeit, toller Abend. Aber Usain Bolt hat noch nicht fertig. Der Olympiasieg über 100 Meter war der erste Schritt auf dem Weg zur Sport-Legende. Fast rührend war sein Dank an Bayern-Doc Müller-Wohlfahrt. Und der Clou: Bolt trainiert auf deutschem Boden.

London. „Der Größte“, „Wunder-Bolt“, „Wie ein Blitz“, „Rocket Man“! Die Presse überschlug sich, die Sport-Welt feierte ihn wie einen Popstar, und sogar die jamaikanische Regierung twitterte blitzschnell: „Jamaika eröffnet Gold-Konto in London!“ Doch der Mann mit der Lizenz zum Siegen schickte nach seiner Gold-Mission erst einmal Liebesgrüße nach München. „Ich bin Doktor Müller-Wohlfahrt zu großem Dank verpflichtet. Er hat einen ganz großen Anteil an meinen Erfolgen und meinen Fortschritten“, sagte der 100-Meter-Olympiasieger in der Nacht zum Montag. „Danke, Doktor, vielen Dank!“

In traumhaften 9,63 Sekunden hatte der schnellste Mann der Welt das Mega-Rennen der Olympischen Spiele gewonnen. Nach 41 Schritten war er am Ziel seiner Träume. Seine Familie, Freunde und Helfer vergaß der bekannteste Exportschlager Jamaikas aber auch in der Stunde seines Triumphes nicht. Ein Stück seiner vierten olympischen Goldmedaille gehört nun auch Deutschland.

„Doktor Müller-Wohlfahrt ist ein großer Mann. Er hat meine Muskeln behandelt, aber er war mehr als ein Arzt für mich“, verriet Bolt. „Er hat uns zum Essen eingeladen, hat sich immer um uns gekümmert. Er hat eine sehr wichtige Rolle gespielt“, sagte der Weltrekordler nach seiner Lauf-Gala vor 80 000 Zuschauern im Tollhaus Olympiastadion.

Bolt war nach den Trials, der Olympia-Ausscheidung der jamaikanischen Leichtathleten, wegen muskulärer Probleme bei Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in München zur Behandlung. Und die heilenden Hände des berühmten Orthopäden und Sportmediziners haben Wunder bewirkt. Der Bayern-Doc hat Blitz-Bolt fit für Gold gemacht - das wird ihm der Mann von der Karibikinsel wohl nie vergessen.

Müller-Wohlfahrt freute sich sehr über das öffentliche Lob, bescheiden spielte der Orthopäde aber seinen Beitrag an der Glanzleistung des Jamaikaners herunter. Der Gewinn der Goldmedaille sei „ausschließlich der Verdienst dieses außergewöhnlichen Sportlers“, teilte der 69-Jährige mit. „Usain hat seinen Erfolg seinem unglaublichen sportlichen Talent, seiner harten Trainingsarbeit und seinem unbändigen Willen zu verdanken“, betonte der Arzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.

Wenn Dr. „MW“ am Sonntag seinen 70. Geburtstag feiert, hat Bolt vielleicht schon die dritte Goldmedaille dieser Sommerspiele in der Hand. Am 9. August will der Champion Teil 2 seiner London-Mission erfüllen: Die 200 Meter sind seine Lieblingsstrecke, auch hier hält er den Weltrekord. Am Samstag startet der Jamaika-Express über 4 x 100 Meter – Endstation Gold? Mit dem dritten Coup hätte Bolt sein großes Ziel erreicht: „Ich will eine Legende werden.“

„Er dominiert die Leichtathletik, ist ein Zuschauermagnet“, sagte Leichtathletik-Experte Helmut Digel am Montag über den Megastar. „Aber die Gage ist ein kleines Problem, weil für andere Athleten nicht genug Geld da ist“, erklärte der Tübinger, Council-Mitglied im Weltverband IAAF. Bolt kann als Nummer 1 der Leichtathletik mittlerweile Antrittsgagen von 300 000 Dollar verlangen.

Um Geld dachte der Held des Abends nach einem stressigen Sonntag aber nicht. Er hatte nur ein Ziel: das Bett. „Ich will jetzt schlafen“, sagte der Sprinter, der mit seinen Teamkollegen im olympischen Dorf wohnt. Die Party soll später steigen – und wird dann sicher „jamaikanisch“ ausfallen. Auch im Rennen gaben die Jungs aus der Karibik das Tempo vor: Bolt siegte mit olympischem Rekord vor seinem Landsmann, Weltmeister Yohan Blake (9,75).

Seit 2010 trainieren die beiden Freunde auch auf „deutschem Boden“: Denn die blaue Kunststoff-Laufbahn im Racers Club von Trainer Glen Mills kommt von der BSW GmbH aus Bad Berleburg. Das Unternehmen hat auch die Laufbahn im Berliner Olympiastadion produziert, auf der Bolt bei der WM 2009 seine Weltrekorde lief.

Mit dem Sieg im schnellsten 100-Meter-Finale bei Olympischen Spielen – sieben Finalisten blieben unter 10 Sekunden – hat es Bolt allen Kritikern bewiesen. Viele hatten auf Blake gesetzt, die Wetten sollen bei 50:50 gestanden haben. „Einige von euch haben an mir gezweifelt. Da musste ich der Welt beweisen, dass ich der Größte bin“, tönte Bolt. „Das bedeutet, dass ich einen Schritt näher dran bin, eine Legende zu werden.“

Die französische Sportzeitung „L’Equipe“ verbeugte sich mit einer kleinen Geste vor dem großen Champion: Kein französisches Wort – „The Greatest“ prangte in dicken Lettern auf der Titelseite. Bolt hatte mächtig Schub drauf: Nur um 5 Hundertstel verpasste er seinen Weltrekord, weil er wieder erst auf den letzten 50 Meter aufdrehte. „Beim Zieleinlauf habe ich mal schräg rüber zur Uhr geschaut und die Zeit gesehen. 9,63! Oh, dachte ich, da wäre mehr drin gewesen – aber zu spät“, erklärte er grinsend. (dpa)