Nach dem 1:1 gegen Arsenal sollen nun gegen Marseille die ersten drei Punkte folgen. Perisic entwickelt sich zum “Volltreffer“.

Marseille. Mainz im Hinterkopf und Marseille vor der breiten Brust: Erleichtert und ermutigt nach dem Last-Minute-Sieg in der Bundesliga will Borussia Dortmund seinen Neubeginn untermauern und mit aller Macht einen Fehlstart in der Champions League verhindern. Trainer Jürgen Klopp warnt nach dem 2:1 am Samstag bei seinem Ex-Klub aber vor voreiligen Schlüssen.

„Wir trennen die Champions League komplett von der Bundesliga ab. Deshalb sollten wir jetzt nicht so tun, als würde uns dieser Sieg einen riesigen Vorteil einbringen“, sagte der 43-Jährige vor dem zweiten Gruppenspiel am Mittwoch (20.45 Uhr/Sky und Sat.1) beim französischen Vize-Meister Olympique Marseille - einer Begegnung mit richtungweisendem Charakter nach dem 1:1 zum Auftakt gegen den FC Arsenal.

Der Abflug an die sonnige Cote d'Azur verzögerte sich am Dienstag um 50 Minuten, weil ein Ersatzfahrer mit dem Mannschaftsbus geblitzt worden war und der Polizei Rede und Antwort stehen musste. Selbstverständlich trübte das nicht die momentane Hochstimmung, die auch Sportdirektor Michael Zorc nicht dämpfen will. Jedoch: „Das ist ein anderer Wettbewerb. Aber natürlich hat die Mannschaft gesehen, dass sie belohnt wird, wenn sie bis zum Schluss an sich glaubt.“

Jeder habe inzwischen wahrgenommen, dass seine Mannschaft ein riesiges Potenzial besitze, das müsse sie nun auch in Südfrankreich auf den Platz bringen. „Wir sind aufgerufen, in Marseille und am Samstag gegen Augsburg nachzulegen. Keiner von uns ist nach nur einem Sieg wieder zufrieden“, sagte Nationalspieler Mats Hummels.

Mit Entschlossenheit, Siegeswille und endlich auch wieder Torjäger Lucas Barrios im Kader soll der BVB die alte Stabilität aufbauen. Doch an einen 90-Minuten-Einsatz des Argentiniers nach überstandenem Muskelbündelriss verschwendet Klopp keinen Gedanken. „Wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, steht er nicht in der Startformation“, sagte der BVB-Coach, obwohl Barrios in Mainz ein Kurz-Comeback gefeiert hatte.

Kapitän und Routinier Sebastian Kehl wird die Doppel-Sechs mit dem wiedergenesenen Sven Bender (Muskelfaserriss) bilden, in der Verteidigung wird die Rückkehr von Marcel Schmelzer erwartet. Ivan Perisic, Torschütze gegen Arsenal und in Mainz, wird erneut auf der linken Mittelfeldseite für den formschwachen Kevin Großkreutz im Hexenkessel des Stade Velodrome auflaufen. Torhüter Roman Weidenfeller ist sich sicher: „Wir werden dort bestehen!“

Hummels: "Perisic einer der torgefährlichsten Spieler, die ich je gesehen hab."

Mit dazu beitragen, dass die Worte des Torhüter in die Tat umgesetzt werden, will auch Ivan Perisic. Zwei Spiele in der Anfangsformation und zwei Tore in den letzten drei Begegnungen liefern einen Vorgeschmack darauf, dass der Meister mit der Verpflichtung des Kroaten einen Volltreffer gelandet haben könnte. Perisic gilt als äußerst begabt, vielseitig verwendbar und extrem torgefährlich. Inzwischen reift im Umfeld des BVB die Erkenntnis: Das Riesentalent kann ein ganz Großer werden.

„Sonst hätten wir ihn nicht verpflichtet“, sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc über den Allrounder, für den die Borussen immerhin 5,5 Millionen Euro an den FC Brügge überwiesen. Perisic unterschrieb im Sommer einen Vertrag bis 2016 und ist damit der teuerste Spieler der Westfalen in den vergangenen neun Jahren - seit Torsten Frings 2002 für 8,5 Millionen Euro den Weg aus Bremen ins Revier fand.

Perisic sah sich jedoch in den ersten fünf Ligaspielen lediglich im Bereitschaftsdienst auf der Bank. Erst die aktuelle Formschwäche von Kevin Großkreutz und sein Sonntagsschuss zum 1:1 (88.) beim Champions-League-Auftakt gegen den FC Arsenal katapultierten den Youngster in die erste Elf. Und Perisic bedankte sich auf seine Weise für das Vertrauen von Trainer Jürgen Klopp: Beim 2:1 des BVB am vergangenen Samstag in Mainz leitete sein Ausgleichstreffer die Wende ein.

Klopp war immer von den außergewöhnlichen Fähigkeiten seiner Neuerwerbung überzeugt: „Er ist beidfüßig, schnell, strategisch nicht unbegabt und körperlich stark.“ Das frühe intensive Interesse des BVB bestätigte der in Split geborene Perisic mit 22 Toren für Brügge in der vergangenen Saison. Zudem bereitete der Schützenkönig der Jupiler Pro League zehn Treffer vor und wurde zum besten Spieler der Liga gewählt.

In seiner Heimat wird Perisic wegen seiner Spielweise stets mit Michael Ballack verglichen. Dennoch waren es viele holprige Umwege, die ihn nach Dortmund führten. Perisic begann seine Karriere in der Jugend von Hajduk Split. 2006 wechselte er zum FC Sochaux nach Frankreich und wurde 2009 zum KSV Roeselare ausgeliehen. Dort blieb er sechs Monate und erzielte in der Jupiler Pro League in 19 Spielen immerhin acht Tore.

Beinahe wäre er schon in dieser Zeit in der Bundesliga gelandet, denn er absolvierte ein Probetraining bei Hertha BSC Berlin. Doch der damalige Trainer Lucien Favre sah von einer Verpflichtung für nur 300.000 Euro Ablöse ab. Stattdessen wechselte Perisic im Sommer 2009 zum FC Brügge und schließlich zum BVB, wo er allerdings mit einigen Startproblemen zu kämpfen hatte. Das Tempo und die Intensität, allein im Training, machten Perisic arg zu schaffen. „Das kannte ich bisher so nicht“, gestand der BVB-Profi.

Inzwischen hat sich Perisic an die Bundesliga, seine neuen Teamkollgen und die Kloppsche Fußball-Philosophie gewöhnt. „Er ist dabei, die nächste Stufe zu nehmen“, sagte der Coach, und Nationalspieler Mats Hummels meinte: „Ivan ist eine Bereicherung für die Bundesliga und einer der torgefährlichsten Spieler, die ich je gesehen habe.“

Davon konnten sich nun auch die Dortmunder Fans überzeugen. Sie sehen den 1,87 m langen Schlaks als derzeit erste Wahl für die Position im linken Mittelfeld und künftig exzellenten Zulieferer für Torjäger Lucas Barrios, der in Mainz nach seinem Muskelbündelriss ein kurzes Comeback feierte. Eine erfreuliche Entwicklung für den BVB - weniger jedoch für den deutschen Meister Kevin Großkreutz.

Marseille mit schlechtem Saisonstart

Für Gegener Marseille geht es im heutigen Spiel auch darum, sich nach dem schlechten Saisonstart in der Ligue zu rehabilitieren. Die Franzosenen belgen nach dem 1:1 am Wochenende beim FC Valenciennes mit bisher nur einem Sieg den 13. Tabellenplatz. „Marseille geht's schlecht“, titelte die Sporttageszeitung L'Equipe, Klopp sagte, den BVB erwarte „ein Überraschungspaket“. Zumindest in der Königsklasse gelang OM, dem ersten Gewinner des Wettbewerbs nach dessen Einführung 1992/93, zum Auftakt ein 1:0-Erfolg bei Olympiakos Piräus.

Trainer Didier Deschamps, Weltmeister von 1998, hatte im Team von Juventus Turin gestanden, das vor 14 Jahren das Finale in München mit 1:3 gegen den BVB verlor. Die Westfalen wecken also schlechte Erinnerungen, aber auch der aktuellen Borussia zollt der einstige Mittelfeldstar größten Respekt. „Die Mannschaft steht für Fußball total, jung, athletisch, schnell“, sagte der 52-Jährige. Seinen Spielern fehle es hingegen derzeit an Selbstvertrauen, ergänzte Deschamps. Die Dortmunder wollen dafür sorgen, dass es nicht schon am Mittwochabend zurückkehrt. (sid)

Die voraussichtlichen Aufstellungen

Marseille: Mandana - Azpilicueta, Diawara, Nkoulou, Traore - Diarra, Kabore - Valbuena, Lucho, Ayew - Remy. - Trainer: Deschamps

Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer (Löwe) - Bender, Kehl - Götze, Kagawa, Perisic - Lewandowski. - Trainer: Klopp

Schiedsrichter: Jonas Eriksson (Schweden)