Der Bundestrainer zieht aus dem glücklichen 2:2-Remis gegen Polen wichtige Erkenntnisse und sieht seine Wechselspiele als Grund der Probleme.

DANZIG. Schlecht gespielt, gut gelaunt: Trotz des glücklichen 2:2 (0:0) der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beim EM-Gastgeber Polen machte Joachim Löw nach dem Abpfiff einen entspannten Eindruck - dabei hatte er während der 90 Minuten das eine oder andere Mal als Ausdruck der Verzweiflung am Spielfeldrand hektisch gestikuliert. „Ich bin dankbar, dass wir solche Spiele machen können. Und ich bin dankbar, dass wir nicht jedes Spiel gewinnen“, sagte der Bundestrainer und verblüffte damit nicht nur seine Spieler.

Dass seine Mannschaft nach den beiden Gala-Vorstellungen gegen Rekord-Weltmeister Brasilien (3:2) und Österreich (6:2) nun im neuen Danziger EM-Stadion viele Schwächen offenbarte, kam Löw anscheinend gerade recht. „Es ist wichtig, auch auf Schwierigkeiten zu stoßen. Nach unseren jüngsten Siegen werden wir überall ein bisschen mehr gejagt. Daraus kann unsere junge Mannschaft viel lernen. Dann werden wir auch darauf vorbereitet sein, wenn es bei einem Turnier mal welche gibt“, ergänzte der 51-Jährige nach dem Testlauf an der Ostsee.

Nach dem Abpfiff wich die EM-Euphorie der Ernüchterung, und das nahm der Bundestrainer auf seine Kappe. „Dass manche Dinge nicht so funktionieren, liegt auch in meiner Verantwortung - wenn man so viele Wechsel vornimmt. In einem Testspiel muss auch nicht alles funktionieren“, sagte Löw, der aber zur Kenntnis genommen hatte, dass der zweite Anzug noch nicht passt.

Ein erster kleiner Dämpfer für das Löw-Team

Eine historische erste Niederlage einer DFB-Auswahl gegen Polen verhinderte quasi mit dem Schlusspfiff der eingewechselte Cacau (90.+4). Zuvor hatte bereits Toni Kroos mit seinem ersten Länderspieltor (68.) per Foulelfmeter einen Rückstand egalisiert. Die Polen waren durch die beiden Dortmunder Bundesligaprofis Robert Lewandowski (68.) und Jakub Blaszczykowski (90.+1, Foulelfmeter) jeweils in Führung gegangen.

Löw hatte seine Startelf im Vergleich zum Duell mit Österreich auf sieben Positionen verändert. Nur Kapitän Philipp Lahm, Kroos sowie die gebürtigen Polen Lukas Podolski und Miroslav Klose standen auch am Freitag beim Anpfiff auf dem Platz, was deutliche Auswirkungen auf die Kreativität und Dynamik des deutschen Spiels hatte.

„Durch die vielen Veränderungen war der Spielfluss nicht so wie gegen Östereich, die Automatismen haben nicht so funktioniert“, erklärte der Bundestrainer, der dennoch zufrieden die Heimreise antrat, auch wenn sich der Abflug der deutschen Mannschaft am Mittwochmorgen von Danzig nach Frankfurt/Main wegen des schlechten Wetters in Hessen erheblich verzögerte.

Diese Verspätung konnte die insgesamt gute Stimmung beim WM-Dritten trotz aller Selbstkritik aber nicht trüben. „Wir haben heute alle viel zu viele Fehler gemacht. Das wissen wir selbst. In vier Wochen sieht das wieder ganz anders aus. Gegen die Türkei und Belgien wollen wir unbedingt gewinnen“, sagte Lahm, der mit zehn Siegen in zehn Qualifikationsspielen in die Geschichtsbücher eingehen will.

Thomas Müller, der nach seiner Einwechslung das deutsche Spiel erheblich belebt hatte, sagte: „Wichtig ist, was der Trainer sieht - und, dass wir die Philosophie umsetzen. Das Ergebnis ist zweitrangig.“ Das war es für Löw in der Tat, vielmehr verwies er auf die Dinge, die es auf dem Weg zum angestrebten EM-Titel noch zu verbessern gilt: „Die, die nicht in Ballbesitz sind, müssen sich mehr am Spielaufbau beteiligen, das ist enorm wichtig. Denn dann kann man offensiv spielen und bekommt relativ wenig Konter.“

Dass die Abwehr, die wie schon gegen Österreich nicht sattelfest wirkte, die größte Baustelle in den kommenden Monaten sei, verneinte der Bundestrainer. „Das sehe ich nicht so. In der Qualifikation haben wir die wenigsten Gegentore überhaupt, was ja für unsere Abwehr spricht. Grundsätzlich mache ich mir da keine Sorgen.“

Christian Träsch ließ aber als Rechtsverteidiger den Nachweis seiner EM-Tauglichkeit vermissen, das wird auch Löw so gesehen haben. Doch anstatt Kritik zu üben, die angesichts der Vorstellungen von Träsch und auch von Per Mertesacker und Simon Rolfes angebracht gewesen wäre, verteilte der Bundestrainer nach dem Schnupperkurs im EM-Land Komplimente.

Kroos und Müller erhielten ein Sonderlob des Bundestrainers. „Thomas ist überragend, keine Frage“, sagte Löw. Kroos darf sich berechtigte Hoffnung auf die Stelle von Sami Khedira machen. „Er geht mir immer etwas unter in der allgemeinen Betrachtung. Er ist ständig am Ball, enorm präsent und immer anspielbar. Ich bin zuletzt unglaublich zufrieden mit ihm.“