Auch die Erinnerung an seinen Horror-Sturz 2009 können ihn nicht abhalten: Der „Ausreißerkönig“ Jens Voigt nimmt seine 13. Tour in Angriff.

Rotterdam/Berlin. Große Klappe, noch größeres Kämpferherz: Jens Voigt bestreitet von Samstag an seine 13. und aller Wahrscheinlichkeit nach letzte Tour de France. „Wenn ich auch 2011 noch dabei sein sollte, wäre das ja nun wirklich ein Armutszeugnis für die Jüngeren. Die Chancen auf einen 14. Tourstart liegen knapp über zehn Prozent“, sagte der 38-jährige Mecklenburger, der seit Jahren mit seiner Frau und fünf Kindern in Berlin wohnt. „Die Tour ist immer noch ein großes Abenteuer für mich und ich kann meinen Abschied jetzt selbst bestimmen“, schwärmte er.

Seinem Teamchef Bjarne Riis ist er so wertvoll wie ein Joker. „Er arbeitet und arbeitet und arbeitet“, umschrieb der Däne den Fleiß und Eifer des langen Voigt, der sich aber nicht nur für andere aufopfert. Bei seinem ganz persönlichen Tour-Rückblick kann er sich über zwei Etappensiege, zwei Gelbe Trikots und das Bergtrikot freuen. Die größte Befriedigung habe ihm nach eigenen Worten aber der Toursieg seines Team-Kollegen Carlos Sastre 2008 bereitet: „In Paris war ich unglaublich happy, ein Teil des Erfolgs-Puzzles gewesen zu sein“.

Seine 12. Tour wäre beinahe seine letzte gewesen. Auf der 16. Etappe bei der Abfahrt vom Kleinen Sankt Bernhard riss es ihn 25 Kilometer vor dem Ziel aus dem Sattel. Eine Bodenwelle war wohl schuld: Voigt flog in hohem Bogen über den Lenker auf den Asphalt. Er war drei Minuten bewusstlos, blutete aus zahlreichen Wunden auch im Gesicht. Voigt: „Ohne Helm hätte ich wahrscheinlich nicht überlebt“ Diagnose: Jochbeinbruch, Verletzung des Rachenraumes, schwere Gehirnerschütterung und Handverletzungen, die einen fast steifen Finger zurückließen.

Sonst erinnert ihn äußerlich nichts mehr an den Horror im Juli 2009. „Ich weiß noch, dass ich an Bjarnes Auto Flaschen geholt habe und er sagte, ich solle noch ein bisschen Kraft für's Finale sparen. Dann bin ich festgeschnallt im Krankenwagen aufgewacht und habe dreimal die Frage gestellt: Wo ist mein Rad?“, schilderte Voigt den Hergang des Unfalls. „30 Minuten Erinnerung fehlen mir“, sagte der „Ausreißerkönig“, der sich auch bei seiner Abschiedstour wieder etwas ausrechnet. Zumal die Turbulenzen im Saxo-Bank-Team um den bevorstehenden Abgang der Schleck-Brüder vielleicht wieder vermehrt Eigeninitiative notwendig machen.

MARTIN HEISSER KANDIDAT FÜR DAS ERSTE GELB

„Keine Sekunde“ hätte Voigt nach dem Crash daran gedacht: Das war's jetzt mit Radsport. 48 Tage nach dem Sturz feierte er sein Comeback in St. Louis in den USA und auch die Erfolge kehrten zurück: Bei Paris-Nizza trug Voigt im März das Gelbe Trikot. Vielleicht ein gutes Omen für seine 13. Tour.