Neun Monate nach einer schweren Herzoperation gibt Ironman-Hawaii-Sieger Normann Stadler beim Haspa Marathon sein Comeback als Hobbyläufer

Hamburg. Am Sonntag bestreitet Normann Stadler den ersten Wettkampf seines zweiten Lebens. Neun Monate nach einer schweren Herzoperation geht der frühere Weltklassetriathlet beim Haspa Marathon in der Staffel über 5,3 Kilometer an den Start. Für einen, der zweimal den Ironman Hawaii gewinnen konnte, eigentlich keine Distanz. Und doch ist es ein medizinisches Phänomen: Bei dem lebensgefährlichen Eingriff war eine Herzklappe rekonstruiert worden, ein Teil der Hauptschlagader wurde durch einen Schlauch ersetzt. Seine aktive Karriere hat Stadler, 39, danach beendet. Vom Sport aber kann er nicht lassen, weshalb das Interview ein wenig später beginnt als verabredet: "Entschuldigen Sie bitte, aber nach zwei Tagen musste ich mal wieder etwas tun", sagt Stadler.

Hamburger Abendblatt: Hatten Sie etwa Entzugserscheinungen?

Normann Stadler: Ich habe zuletzt viel gesessen. Danach ist die Lust schon groß, mal wieder die Beine zu bewegen. Der Drang, Sport zu machen, wird auch nie vorbei sein.

Trainieren Sie etwa auf Ihren Staffeleinsatz hin?

Stadler: Ich trainiere schon täglich, aber mit Verlaub: Die fünf Kilometer schaffe ich auch morgens nach dem Aufstehen. Im Training laufe ich schon wieder 15 Kilometer.

Es ist Ihr erster Wettkampf nach der Operation. Sind Sie aufgeregt?

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Stadler: Ehrlich gesagt nicht. Ich wollte auf keinen Fall das Schlussstück ins Ziel laufen. Da hätte ich wahrscheinlich riskiert, schneller zu sein, als ich eigentlich vorhatte. Aber so wird es bestimmt spaßig.

Wie viel Ehrgeiz werden Sie investieren?

Stadler: Gar keinen. Wobei meine Staffelteamkollegen (Michael Finkenstaedt, Detlef Nachtigall, Boris Bansemer - die Red. ) sehr gute Läufer sind. Eine Endzeit von 2:40 Stunden kann es schon werden.

Wäre ein ganzer Marathonlauf noch ein Lebensziel für Sie?

Stadler: Wenn ich sportlich noch einmal etwas unternehme, dann wahrscheinlich Marathon. Oder ein Mountainbike-Abenteuerrennen. Einem Kumpel, der mit Triathlon anfängt, habe ich versprochen, einmal die olympische Distanz mitzumachen. Den Normann Stadler, der sich auf einen Ironman vorbereitet, wird es nicht mehr geben.

Bedauern Sie das?

Stadler: Nein. Alle sagen zwar, ich könnte wieder. Aber ich bin 39 Jahre alt, da ist es schwer, sich wieder heranzukämpfen. Mir ist es auch kürzlich wieder bewusst geworden, als Marino Vanhoenacker, den ich manage, acht Wochen in Neuseeland und Thailand unterwegs war. Das ist einfach nicht mehr mein Ding. Da bin ich lieber bei meinen kleinen Buben.

Wie entbehrungsreich ist der Triathlon?

Stadler: Der Zeitaufwand ist schon enorm. Wenn man dazu noch wie hier in Deutschland schlechtes Wetter hat, muss man fürs Training im Winter einfach fliehen. Das alles, die Schinderei bei Wind und Wetter, brauche ich nicht mehr. Nach der Operation war ich erstmals als Zuschauer auf Hawaii. Die Hitze, die Luftfeuchtigkeit - ich habe mit den Jungs richtig gelitten. Früher bin ich genauso rumgeeiert.

Klingt, als seien Sie mit Ihrer Karriere im Reinen.

Stadler: Komplett. Für die meisten Triathleten ist es schon ein Traum, auf Hawaii überhaupt starten zu dürfen. Ich habe dort zweimal gewonnen. Darauf bin ich sehr stolz.

Mehr als früher?

Stadler: Ja. Als Sportler ist man irgendwo getrieben, will immer noch mehr erreichen. Mit dem Abstand, wenn ich jetzt Bücher lese, Bildbände studiere, wird mir die Leistung bewusst. Thomas Hellriegel, Faris al-Sultan und ich haben durch unsere Hawaii-Siege den Triathlon in Deutschland auf ein neues Level gehoben. Inzwischen sind wir eine der erfolgreichsten Sommersportarten geworden. Und so tolle Rennen wie in Hamburg boomen. Die Jedermann-Startplätze sind innerhalb von ein paar Stunden ausgebucht. Jeder möchte seine Grenzen verschieben.

Ist das eine gefährliche Entwicklung?

Stadler: Nicht jeder sollte Ironman machen, man muss sich für so eine Disziplin qualifizieren. Im Straßenverkehr fange ich auch mit dem Mofa an, erst dann kommt das Moped, dann das Motorrad. Aber der Ironman ist gerade in den USA zum neuen Golf für die Elite geworden. Da sind viele Manager und Vorstände unterwegs, die nach ihrem ohnehin brutalen Job Triathlon betreiben. Die können sich alles leisten, aber das Sportliche müssen sie sich selbst erarbeiten. Darin liegt wohl der Reiz.

Sie können auch nicht ganz vom Triathlon lassen.

Stadler: Durch meinen Athleten bleibe ich dem Sport natürlich verbunden. Um ihn herum wollen wir ein Team aufbauen. Darüber hinaus habe ich Anfragen verschiedener Firmen, zum Beispiel für eine Woche Training mit Führungskräften auf Mallorca, Vorträge halten und anderes. Ich komme ja kaum zur Ruhe.

Wie groß ist das Risiko, dass Ihnen etwas zustoßen könnte?

Stadler: Als ich meinen Arzt in mein Vorhaben, hier zu starten, einweihte, antwortete er nur: Aber lauf nicht alle in Grund und Boden! Er hat mir grünes Licht gegeben. Es ist nach der Operation alles gut verwachsen. Aber im Kopf ist da ein Unbehagen: Da war etwas mit dem Herzen. Ich bin da auch hypersensibel. Wenn es irgendwo zwickt, fürchte ich gleich das Schlimmste.

Wie haben Sie es erlebt, als kürzlich ein italienischer Profifußballer an Herzversagen starb?

Stadler: Man nimmt solche Ereignisse schon anders wahr. Da wird einem schlecht. Man guckt seine Kinder an und denkt: Mannomann, das hätte dir auch passieren können!

Ist die Prävention im Spitzensport ausreichend?

Stadler: Man darf nicht zum Hypochonder werden. Aber Hochleistungssportler sollten sich schon regelmäßig checken lassen, auch im Bauchraum. Meine EKGs waren immer okay. Inzwischen weiß ich es besser und habe alle Menschen in meinem Umfeld und auf Veranstaltungen entsprechend aufgeklärt, ihnen diese Dringlichkeit deutlich gemacht, wie wichtig es auch ist, zum Beispiel Infekte auszukurieren, um Herzmuskelentzündungen zu vermeiden. Gerade Hobbysportler, die so viel Zeit, Geld, Urlaub investieren, setzen sich darüber häufig hinweg.

Inwieweit hat die Krankheitserfahrung Sie verändert?

Stadler: Vielleicht bin ich ruhiger und gelassener, vor allem im Straßenverkehr. Ich versuche die Ruhe zu genießen. Aber man muss mich nicht mit Samthandschuhen anfassen.

War der Ausdauersport eine Sucht?

Stadler: Das Runner's High, von dem viele Läufer berichten, den Endorphineinschuss, das alles kenne ich nicht.

Was hat Sie dann angetrieben?

Stadler: Ich musste eine Familie ernähren und war in meinem Beruf sehr gut. Natürlich war ich auch getrieben vom Ehrgeiz. Aber ich wollte auch dem siebenköpfigen Team und den Sponsoren um mich herum gerecht werden. Ich würde es wieder tun. Und wenn mein Sohn das machen will, fördere ich ihn. Der Große wird bestimmt Sportler.

Hat Ihre Frau Angst um Sie?

Stadler: Sie ist zum Glück viel cooler als ich. Und sie weiß, dass ich nicht zu weit gehe und das Pulsmessgerät immer dabeihabe. Als ich sie damals mit der Diagnose konfrontierte, war sie hochschwanger. Trotzdem ist sie sehr stark geblieben, deswegen sind wir auch verheiratet, das bewundere ich an ihr. Im Sommer fliegen wir zusammen in Urlaub. Und ich werde erstmals seit 20 Jahren kein Sportgerät mitnehmen. Das werde ich genießen.