Nach dem Klitschko-Kampf lieferten sich Chisora und Haye bei der PK nach gegenseitigen Provokationen eine handfeste Schlägerei.

München. Den britischen Skandal-Boxern Dereck Chisora und David Haye droht nach dem Eklat am Rande des WM-Kampfes zwischen Chisora und Witali Klitschko am Sonnabend in München möglicherweise eine lebenslange Sperre. Das kündigte Robert Smith, Generalsekretär des Kontrollausschusses im britischen Boxverband, im Gespräch mit BBC Radio an. „Das ist eine Möglichkeit, natürlich. Wir können Strafen aussprechen, wir können sperren, und wir können die Lizenz einziehen“, sagte er.

Da sich Haye allerdings seit Oktober 2011 offiziell im Ruhestand befindet, ist es unwahrscheinlich, dass er noch gesperrt werden kann. Der britische Verband könnte Haye aber eine neue Lizenz verweigern, sollte der 31-Jährige sich zu einem Comeback entschließen. In jedem Fall werden die Untersuchungen fortgesetzt.

„Ich werde mit dem Verbandspräsidenten sprechen und mit der deutschen Polizei, um die Situation einzuschätzen und angemessen zu handeln. Aber es wird sicher eine Anhörung und ein Disziplinarverfahren zur Folge haben - mit Sicherheit für Chisora“, sagte Smith.

Chisora und Haye hatten bei der Pressekonferenz für einen gewaltigen Skandal gesorgt. Die beiden Briten lieferten sich nach gegenseitigen Provokationen eine handfeste Schlägerei. Chisora wurde am Sonntag von der Münchner Polizei verhaftet und befragt, kehrte am späten Abend aber noch nach London zurück. Der Aufenthaltsort von Haye, den die Behörden ebenfalls befragen wollten, ist weiter unbekannt. Er soll bereits am frühen Sonntagmorgen nach Großbritannien abgereist sein.

Witali Klitschko verfolgte den Eklat bei der Pressekonferenz in der Münchner Olympiahalle angewidert aus sicherer Entfernung, für seine Boxkollegen hatte er nur Verachtung übrig. Selbst die Schmerzen an seiner verletzten Schulter rückten nach der erfolgreichen Titelverteidigung des Box-Champions zwischenzeitlich in den Hintergrund. Klitschko hatte sich im Kampf einen Sehnenanriss in der linken Schulter zugezogen, muss aber nach Auskunft seines Arztes „nach jetzigem Stand“ nicht operiert werden. In sechs bis acht Wochen sei die Verletzung ausgeheilt.

Bei seinem Abgang von der Pressekonferenz sah Witali so aus, als wüsste er nicht so recht, ob diese Bühne noch die seine ist. Am Sonntag aber kündigte der Ukrainer an, dass er in den Ring zurückkehrt. „Es ist noch nicht alles vorbei. Wenn ich mit einem Arm kämpfen und klar dominieren kann, habe ich eine große Reserve an Pulver. Deswegen war das nicht der letzte Kampf“, sagte Klitschko dem TV-Sender RTL.

Das ungehobelte Benehmen Chisoras im Vorfeld hatte ihn in höchstem Maße irritiert. Obwohl Klitschko dem britischen Skandal-Boxer Respekt für dessen sportliche Leistung zollte, sagte er auch unverhohlen: „Menschlich bin ich zutiefst angewidert von ihm.“

Mit einem vorzeitigen K.o. wollte Klitschko den Briten für sein Verhalten bestrafen. Dabei waren die markigen Sprüche Chisoras zunächst nur das übliche Geklapper, das zur Show gehört - Klitschko ließ sich davon nicht aus der Reserve locken. Doch schon, als der „Del Boy“ Klitschko am Freitag beim Staredown nach dem offiziellen Wiegen geohrfeigt hatte, war eine Grenze überschritten.

Klitschkos Schulter hatte ihn im Kampf dann stark beeinträchtigt. Seinen Schlägen fehlte die Wucht, der angestrebte K.o. gelang nicht. „Ich habe nach der vierten Runde den ganzen Kampf nur noch mit rechts bestritten. Ich habe keine Kraft mehr im linken Arm“, sagte Klitschko, dessen linker Führhand normalerweise eine wichtige taktische Funktion zukommt: „Der linke Arm war immer der Schlüssel zum Sieg für mich. Ich bin enttäuscht, dass ich Chisora nicht ausknocken konnte“.

Chisoras Fehltritte hatten sich da schon fortgesetzt. Erst verzögerte er den Kampfbeginn, weil er am WBC-Reglement herummäkelte. Dann spuckte der 28-Jährige Witalis Bruder Wladimir im Ring Wasser ins Gesicht. „So etwas wie Chisora geht gar nicht. Alle großen Boxer - Muhammad Ali, Joe Louis, Max Schmeling oder Rocky Marciano - hatten immer Respekt vor ihrem Gegner. Er hat auch ins Gesicht aller Fans und des Sports an sich gespuckt“, sagte Wladimir.

Der negative Höhepunkt war dann jedoch die Schlägerei mit Haye. Chisora teilte gegen den früheren Weltmeister, der den ersten Hieb gesetzt hatte, nicht nur handfest aus, sondern gab ihm auch gleich eine Morddrohung mit auf den Weg. „Ich werde Dich erschießen! Ich meine das ernst“, schrie Chisora in blinder Wut. Witali Klitschko verfolgte die geradezu unglaublichen Ereignisse mit perplexem Gesichtsausdruck.

Anlass waren lautstarke Diskussionen gewesen, die sich zunächst um ein mögliches Duell von Haye und Witali Klitschko drehten. Nachdem Klitschko-Manager Bernd Bönte („Du bist raus, raus, raus!“) die Herausforderung von Haye („Wenn Witali die Eier hat, gegen mich anzutreten, knocke ich ihn aus“) abgelehnt hatte, entwickelte sich kurz darauf ein Wortgefecht der beiden Briten. Als Haye Chisora als „Loser“ bezeichnete, weil der drei seiner letzten vier Kämpfe verloren hatte, eskalierte die Situation.

Die Lager beider Boxer wurden in tumultartige Szenen verwickelt. Am Ende mussten auch Unbeteiligte dazwischengehen, um die Streithähne nach einigen Minuten wieder zu trennen. Chisora zog sich bei der Schlägerei eine Blessur an der Lippe zu. Hayes Trainer Adam Booth erlitt eine blutende Wunde an der Stirn, als er von seinem Schützling mit einem Kamerastativ getroffen wurde. „Wenn Chisora sagt, dass er Haye erschießen will, dann ist das kriminell. Der gehört nicht in diesen Sport“, kommentierte Wladimir Klitschko.

Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BdB), will gar durchsetzen, dass Chisora nicht mehr auf deutschem Boden kämpfen darf. „Wir vom BdB erwägen, ein Boxverbot für Deutschland gegen Chisora auszusprechen“, sagte Pütz dem Internetportal spox.com. „Langsam habe ich wirklich den Eindruck, der Kerl ist gemeingefährlich! So jemand hat in einem deutschen Boxring nichts zu suchen.“