Am Sonnabend startet die Hamburgerin zum zweiten Mal bei der Rallye Dakar: 8937 Kilometer durch Argentinien und Chile.

Hamburg. Statt einer Visitenkarte schiebt Christina Meier zur Begrüßung einen Flyer über den Tisch. "Mein neuestes Projekt", sagt sie lächelnd. Motorradreisen durch die Wüste Marokkos, exklusiv für Frauen. Im Februar soll es losgehen. Im Werbetext ist zu lesen: "Wir machen deinen persönlichen Traumurlaub möglich." Meier gehört zu den Menschen, die ihren Traum längst leben, nur hat es mit Urlaub wenig zu tun: Am Sonnabend startet die Hamburgerin zum zweiten Mal bei der Rallye Dakar, als eine von drei weiblichen Zweiradpiloten. 8937 Kilometer durch Argentinien und Chile, durch die Pampa, das Hochland der Anden und die Dünen der Atacamawüste. 4717 Kilometer fließen in die Gesamtwertung ein, aber um die kümmert sich Christina Meier nicht. Sie hat nur ein Ziel: das Ziel.

"Wer ankommt, ist schon ein Sieger", sagt sie. In diesem Jahr war Christina Meier bereits auf der zweiten Etappe von ihrer Maschine im Stich gelassen worden. Wackelkontakt in der Elektrik. "Die Absage der Rallye 2008 wegen Terrorgefahr war schlimmer", versichert die 37-Jährige. Diesmal sei sie kurz davor gewesen, selbst alles hinzuwerfen, so viel wie in der Vorbereitung schiefgelaufen sei: das Geld, das fehlte, die Bauteile, die nicht rechtzeitig geliefert wurden. "Aber aufzugeben, das hätte ich den Jungs, die meine Maschine mühsam zusammengeschraubt haben, nicht antun können." Also hat sie sich wieder zusammengerauft. Hat ein Budget von 30 000 Euro zusammengekratzt, auf ihrem Crosstrainer geschwitzt und - Tango getanzt, bis zu fünfmal die Woche. Bei ihrer Dakar-Premiere hat sie in Buenos Aires die ersten Schritte gelernt, nun kommt sie nicht mehr davon los: "Es ist wie eine Sucht." Auf den Verbindungsetappen legt sie sich die Musik auf ihren Kopfhörer. Dann sei die Yamaha ihr Tanzpartner.

Nur die Konzentration dürfe nicht darunter leiden. Höchstens 85 Prozent ihrer Kraft setze sie unterwegs ein, sonst würde das Risiko unkalkulierbar. Der schlimmste Feind sei die Müdigkeit. "Die Dakar ist nicht deshalb die härteste Rallye, weil sie so schwierig ist", weiß Meier, "sondern weil sie so lang ist." Morgens sähen alle aus wie Zombies, und es würde jeden Tag schlimmer. Ein Fehler, und man steckt fest. Oder fliegt schlimmstenfalls ab. Es gehöre dazu: "Das ist wie beim Paddeln", sagt die Tochter eines Vierländer Bootsbauers: "Da wird man auch nass."

Im richtigen Leben ist sie Betriebsprüferin beim Finanzamt Bergedorf, verbeamtet auf Lebenszeit. Aber nur am Schreibtisch zu sitzen, das könne sie nicht, erzählt Meier. Die Abenteuerlust liege in der Familie. Schon ihre Großmutter habe 1930 den Motorradführerschein gemacht. Die Enkelin hat es heute leichter, akzeptiert zu werden, "auch wenn ein paar Männer sicher denken, ich wildere in ihrem Revier". Ihr Vater nahm sie als Kind auf dem Sozius mit. Doch als sie sich später eine Offroad-Maschine wünschte, lehnten die Eltern ab. Ihre Liebe zum Endurosport entdeckte Meier schließlich vor neun Jahren bei einer privaten Wüstentour durch Libyen. Ein Diavortrag hatte sie inspiriert. "Seither kann ich im Schlaf nach Roadbook navigieren", sagt Meier. Und sie hat gelernt, immer wieder aufzustehen. Ihre Erfahrung will sie künftig auch in Seminaren zur Mitarbeitermotivation anbieten: Wie überwindet man Hindernisse auf dem Weg zum Ziel? Ach ja, und das nächste Projekt sei, die Tuareg-Rallye als Kopilotin im Auto zu fahren. Stillstand ist für Christina Meier eben ein Fremdwort.