Mit Kaiserslautern und Bielefeld bildet der FC St. Pauli eine dominante Troika in der Zweiten Liga. Hält die Konstellation bis zum Ende?

Hamburg. Die Saison schien völlig offen. Im Aufstiegsrennen wie auch im Abstiegskampf. Ausgeglichen wie nie und daher unberechenbar sei die Zweite Liga in der Spielzeit 2009/2010. Trainer und Beobachter zeigten sich bei ihren Prognosen im Sommer einig. Nun hat sich ein Trio an der Tabellenspitze abgesetzt. Der 1. FC Kaiserslautern, der FC St. Pauli und Arminia Bielefeld dominieren die Liga. Nach 14 Spielen mehr als eine Momentaufnahme. Aber ist die Troika bereits aufstiegsreif? Für das Abendblatt hat sich Peter Neururer mit den drei Topklubs der Liga beschäftigt. Dem 54- Jährigen, der als Trainer bei zwölf Vereinen in mehr als 500 Profi- Spielen auf der Bank saß, gelang 1992 mit dem 1. FC Saarbrücken und zehn Jahre später mit dem VfL Bochum der Aufstieg in die Bundesliga. In dieser Saison wollte er den MSV Duisburg zurück ins Oberhaus führen, wurde jedoch am 29. Oktober von seinen Aufgaben entbunden. Zuvor hatte er mit dem MSV am Millerntor 2:2 gespielt, in Kaiserslautern (1:4) und gegen Bielefeld (0:3) deutlich verloren.

Neururer über:

… die Situation an der Spitze: Eigentlich wollte ich mit Duisburg ja selbst an der Spitze stehen, aber wirklich überraschen kann mich dieses Tabellenbild nicht. Die drei Mannschaften werden sicher als Führungstrio in die Winterpause gehen. Auch dass diese Konstellation bis zum Saisonende so bleibt, halte ich nicht für unwahrscheinlich. Entscheidend ist, dass Kleinigkeiten auch Kleinigkeiten bleiben: Verletzungen, Sperren und vor allem deren Anhäufung. Wichtig wird auch sein, wie sich das Umfeld mit Präsidium, Management und Medien bei Formkrisen verhält.

… den FC St. Pauli: Anders als vom Tabellenplatz bin ich völlig überrascht über die Art und Weise, mit der sich St. Pauli an die Spitze gespielt hat. Ich hätte nie gedacht, dass diese Entwicklung so schnell gehen würde. In Hamburg herrscht eine hohe Fußballkultur, vor der ich den Hut ziehe. Die Mannschaft ist sehr variabel und ausgeglichen. Dass die Leidenschaft, mit der am Millerntor seit Jahrzehnten gekämpft wird, konserviert werden konnte, macht St. Pauli noch stärker. Die Unterstützung im Stadion ist unglaublich, Fans und Spieler bilden eine Einheit und haben mit Holger Stanislawski dafür genau den richtigen Trainer. Die Offensivkraft der Mannschaft sucht in der Liga ihresgleichen. Auch wenn das Kollektiv mit 14, 15 nahezu gleichwertigen Spielern St. Paulis größte Stärke ist, will ich zwei Akteure hervorheben. Die Leistungen von Marius Ebbers sind unglaublich. Er wurde vom Chancentod zum Killer. Und Matthias Lehmann ist für mich der zentrale Mann in der Gesamtentwicklung. Verkannt in Aachen, zeigt er nun, weshalb er bei 1860 München einst als großes Talent des deutschen Fußballs galt. Echte Schwächen sehe ich nicht. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass in Hamburg nach Niederlagen negativer Druck entstehen kann. St. Pauli hat die besten Chancen, alles passt zusammen.

… Arminia Bielefeld: Die Arminia steht nicht gerade für leuchtende Spielkultur, kann sich aber auf die stärkste Defensive der Liga verlassen und spielt den stabilsten Fußball. Trainer Thomas Gerstner hat ja bereits vor der Saison gesagt, dass für ihn nur der erste Platz zählt. Er hält an seiner erfolgreichen Marschroute fest, lässt konstant in seinem System spielen und weiß mit Dennis Eilhoff den vielleicht besten Torhüter der Liga hinten drin. Das kann in dieser Liga schon zum Aufstieg reichen.

… den 1. FC Kaiserslautern: Trotz der guten Auswärtsbilanz zehren die Lauterer von ihrem emotionalisierenden Fußball, den sie zu Hause bieten. Der Betzenberg ist für viele Gegner immer noch etwas ganz Besonderes. Wie St. Pauli lebt die Mannschaft von ihrer Offensivstärke. Mit dem gravierenden Unterschied, dass alles an einzelnen Spielern wie Erik Jendrisek und Sidney Sam hängt. Ausfälle können kaum gleichwertig ersetzt werden. Der Kader ist dünn. Und in der Defensive sehe ich außer einer herausragenden Innenverteidigung mit Martin Amedick und Rodnei sowie einem ordentlichen Torwart, Tobias Sippel, nicht viel. Trainer Marco Kurz hat eine Mannschaft, mit der man nicht unbedingt auf diesem Niveau spielen muss. Ich halte den Höhenflug daher eher noch für eine Momentaufnahme. Jene Versagensängste, die ich bei St. Pauli ausgeschlossen habe, könnten sich am Betzenberg einstellen.

… mögliche Konkurrenten: Ich sehe für meinen früheren Verein weiterhin eine große Aufstiegschance. Wenn das Verletzungspech endlich abgelegt werden kann, könnte der MSV Duisburg in der Rückrunde mitmischen. Düsseldorf ist ein guter Aufsteiger, wird aber am Ende einen guten Mittelfeldplatz belegen. Auch für Union Berlin, das sehr von seiner Eingespieltheit gelebt hat, relativiert sich nun die Welt. Fürth, so leid es mir für meinen Freund Benno Möhlmann tut, wird traditionell nicht aufsteigen. Außenseiterchancen gebe ich noch dem FC Augsburg und mit Abstrichen auch Energie Cottbus.

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