Eine einmalige Karriere steht nach dem CAS-Urteil auf der Kippe

Neuss. Diplomatie war noch nie Claudia Pechsteins Stärke. Die Karriere der erfolgreichsten deutschen Winter-Olympionikin ist geprägt von riesigen Erfolgen, aber auch von nicht enden wollenden Streitereien mit Verbänden, Medien und Konkurrentinnen. Bis zum Mittwoch, als der Internationale Sportgerichtshof CAS sie mit der Bestätigung ihrer Zweijahressperre zur Dopingsünderin stempelte und die Karriere der Berlinerin möglicherweise beendete, tat Pechstein das, was sie in ihrer 18-jährigen Karriere immer am besten gekonnt hat: kämpfen.

Legendär ist der „Zickenzoff“ mit Erzrivalin Anni Friesinger, der bei Olympia 2002 seinen Höhepunkt hatte. Damals wie heute in ihrem Dopingkampf fuhr Pechstein die Krallen aus. Vor knapp acht Jahren hatte sie Erfolg: Klarer Punktsieg gegen Friesinger in Salt Lake City und zweimal Olympia-Gold. Profitiert haben dennoch beide. Der Streit brachte den Kufen-Königinnen vor allem Aufmerksamkeit und lukrative Werbeverträge.

„Claudia ist unglaublich. Ich habe wohl noch nie einen so willensstarken Menschen kennengelernt“, sagt ihr langjähriger Trainer Joachim Franke, der sie zu allen fünf olympischen Goldmedaillen führte.

Ihre Konkurrentinnen bekamen diesen unbändigen Willen zumeist auf der letzten Rennrunde vor Augen geführt, wenn Pechstein, obwohl der Erschöpfung nahe, doch noch mal den Turbo anwarf. Auch technisch konnte der Berlinerin keine Läuferin etwas vormachen, kaum jemand musste so wenig Kraft aufwenden, um auf dem Eis schnell zu sein.

Ihre Familie - Mutter Monika, Vater Andreas, Ehemann Marcus Bucklitsch und die Geschwister Sabine, Daniel und Bettina - sowie ihr Manager Ralf Grengel, der mit der Tochter von Joachim Franke verheiratet ist, gaben ihr im bislang wichtigsten Kampf volle Rückendeckung - und tun es weiter. Pechstein wird nun vor dem Schweizer Bundesgericht in Berufung gehen.

Pechstein wurde 1972 im Ostteil Berlins geboren. 1976 schickten die Eltern ihre vierjährige Tochter zum Eiskunstlauf in die Halle nach Hohenschönhausen, „um mich ein wenig müde zu kriegen“. Sechs Jahre später wechselte sie zum Eisschnelllauf, „weil die Balletteinlagen nicht so mein Ding waren“.

Ihren ersten großen internationalen Auftritt hatte sie Anfang 1988 bei der Junioren-WM in Seoul, wo sie Zweite im Vierkampf wurde. Der Durchbruch bei den Senioren gelang ihr 1991, als sie bei der ersten gesamtdeutschen Meisterschaft zwei zweite Plätze belegte.

Kurzstrecken hat Pechstein nie gemocht, sie konzentrierte sich auf die „langen Kanten“, auf denen sie ihre größten Erfolge feierte. Ihr Triumphzug begann bei Olympia 1994 in Lillehammer. Im „Wikingerschiff“ von Hamar, wo sie im vergangenen Februar auch ihr bislang letztes Rennen absolviert hatte und wo ihr die verdächtige Blutprobe entnommen worden war, bezwang sie über 5000 m die damals übermächtige Erfurterin Gunda Niemann-Stirnemann. Vier weitere Olympiasiege, sechs WM- und zwei EM-Titel folgten. Insgesamt gewann sie 26 Weltcup-Rennen und stellte 6 Weltrekorde auf.

Das Verlieren fiel ihr umso schwerer. Als sie in Klobenstein Mitte Januar 2007 ihre schwächste EM seit 14 Jahren lief und ihr Europameisterin Martina Sablikova zwölf Sekunden auf ihrer Lieblingsstrecke 5000 m abnahm, reagierte sie dünnhäutig: „Jetzt läuft es einmal nicht so gut, und schon steckt man mich in eine Schublade.“ Gegen kritische Journalisten, die es wagten, über den Anfang vom Ende einer Eisschnelllauf-Ära zu berichten, verhängte sie einen persönlichen Presseboykott.

Umso mehr genoss sie ihr Comeback auf dem Siegerpodest im vergangenen November, als sie beim Weltcup in Moskau in sensationellen Zeiten zwei Rennen gewann. „Es fühlt sich sehr gut an, allen gezeigt zu haben, dass ich noch nicht zum alten Eisen gehöre“, sagte sie damals. Zweifel an ihrer Leistung ließ sie nicht zu: „Das ist die logische Konsequenz harter Arbeit.“