Hamburg. Eigentlich hätte Carsten-Otto Nagel allen Grund zur Freude. Mit Platz drei beim Großen Preis von Stuttgart lieferte der Wedeler am Sonntag erneut eine Topleistung ab. Ein starker Auftritt, mit dem er auch seine Ambitionen auf eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft der Springreiter 2010 in Kentucky unterstrich. Nagel gehört wie fünf weitere Reiter zum Championatskader von Bundestrainer Otto Becker und hat damit beste Aussichten auf ein Ticket für die Reise in die USA.

Zumindest theoretisch, denn seit dem vergangenen Wochenende ist nicht einmal klar, ob die Deutschen überhaupt bei der WM starten werden. Der nationale Verband (FN) droht mit einem Boykott der Wettkämpfe, nachdem der Weltverband FEI in der vergangenen Woche unter umstrittenen Umständen entschärfte Dopingregeln verabschiedet hatte. Plötzlich sollen einige bisher verbotene Medikamente und Substanzen, darunter Schmerz- und Entzündungshemmer, ganz oder bis zu einer gewissen Obergrenze erlaubt sein.

Eine Katastrophe für die nach den Dopingvorfällen bei den Olympischen Spielen 2008 um Transparenz und Glaubwürdigkeit des Sports kämpfenden Deutschen, die nun mit anderen europäischen Nationen den Aufstand proben und dem Weltverband sogar mit einer Abspaltung drohen. "Ich bin bereit, gewisse Auseinandersetzungen zu führen", sagt der aus Breitenburg bei Itzehoe stammende FN-Präsident Breito Graf zu Rantzau, der die neuen Regeln in Deutschland nicht umsetzen will. Chaos droht.

Die Reiter selbst haben im Streit um Doping und Medikation längst den Überblick verloren, gibt Nagel zu. Doch eines ist für ihn und die meisten seiner Kollegen klar: "Was da vom Weltverband ausgearbeitet wurde, ist unfassbar dilettantisch. Das wirft uns um 30 Jahre zurück." Der Pferdewirtschaftsmeister vom Stall Moorhof steht deshalb hinter den Drohungen seines Verbandes, auch wenn die mögliche Konsequenz einer Nicht-Teilnahme an der WM auf die Stimmung drückt. "Die WM ist das erklärte große Ziel", sagt Nagel. "Ein Startverzicht wäre für mich eine Katastrophe."

Während zu Rantzau hofft, die veränderten Dopingregeln rechtlich verhindern zu können, fordern Nagel und andere Aktive den Rücktritt von Weltverbandspräsidentin Haya Bint Al Hussein aus Jordanien. "Sie spricht nicht die Sprache der meisten Athleten und muss abtreten, ganz klar", sagt der Norddeutsche. "Da müssen neue Leute ran." Die Prinzessin war vor einigen Monaten unter anderem in die Schlagzeilen geraten, weil ihr Mann, Scheich Mohammed Bin Rashid Al Maktoum, zu einer sechsmonatigen Sperre verurteilt wurde - ausgerechnet wegen eines Dopingvergehens.