Er gilt als Supertechniker - und steht sich manchmal selbst im Weg. Mit einem Sieg gegen Humberto Gutierrez könnte der Durchbruch gelingen.

Hamburg. Die historische Dimension seines nächsten Kampfes war Vitali Tajbert gar nicht bewusst. Als erster Deutscher in der Geschichte des Profiboxens hat der 27-Jährige am Sonnabend in Kiel die Chance, Weltmeister im Superfedergewicht zu werden. Mit einem Sieg über den Mexikaner Humberto Gutierrez wäre der 167 cm große Topathlet aus dem Hamburger Universum-Stall dort angekommen, wo ihn Experten schon vor fünf Jahren sahen: in der Weltspitze.

Tajbert war nach den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen als Bronzemedaillengewinner ins Profilager gewechselt. Ihm eilte der Ruf des Supertechnikers voraus, die ersten Jahre im Berufsboxen waren jedoch umso ernüchternder. Tajbert führte seine Gegner zwar vor, er machte sie und manchmal auch sich selbst über sie lächerlich, aber weil es ihm mangels Schlaghärte zu selten gelang, die Konkurrenz vorzeitig zu bezwingen - nur sechs von bislang 19 Kämpfen gewann er durch K. o. -, reagierten die Zuschauer oft mit Pfiffen ob der Überheblichkeit, mit der Tajbert auftrat.

"Ich weiß, dass ich es anfangs übertrieben habe. Natürlich kann man mit Show das Publikum begeistern, aber das ist mir nicht immer gelungen", gibt der gelernte Etikettendrucker, der als Zehnjähriger mit seiner Familie aus Kasachstan nach Stuttgart kam, wo er heute noch lebt, zu. In den ersten Jahren als Profi habe er sich entsprechend unwohl gefühlt; auch, weil er als Amateur mehr verdient hatte. Als Sportsoldat hatte er sein festes Einkommen, als regelmäßiger Medaillenkandidat bei großen Turnieren waren ihm Prämien und auch Werbeeinnahmen sicher. "Es gab Tage, an denen ich den Wechsel zu den Profis bereut habe", gibt Tajbert freimütig zu. "Jeder Mensch zweifelt manchmal. Es gab in den ersten Jahren bei Universum auch viel Konkurrenz, gegen die ich mich durchsetzen musste. Jetzt sind wir weniger, es wird mehr auf Klasse geachtet. Wichtig war, dass ich immer hart gearbeitet habe. Und den Lohn erhalte ich jetzt."

Dass der Kampf gegen Gutierrez vielleicht ein halbes Jahr zu früh kommt, will Tajbert auch nicht verschweigen. "Ich hätte eher Mitte oder Ende 2010 damit gerechnet, weil ich zuletzt oft verletzt war und mir ein oder zwei Aufbaukämpfe sicher gut getan hätten", sagt er. "Aber ich bin froh, dass es jetzt schon so weit ist. Ich werde ja auch nicht jünger." Seine chronisch anfälligen Mittelhandknochen hat sich der Fußballfan bei einem Spezialisten in Russland richten lassen, seitdem bereiten sie keine Probleme mehr. "Ich bin bereit für den Sprung nach oben", sagt er.

Neben dem sportlichen und finanziellen Sprung, den er durch die WM-Chance macht, hat sich Tajbert ein weiteres Ziel in den Kopf gesetzt. Auch wenn seine Gewichtsklasse in Deutschland, wo die Fans nach Knockouts lechzen, ein Schattendasein fristet, will er sich in seiner Wahlheimat durchsetzen. "Ich will hier den Durchbruch schaffen. Ich bin mir sicher: Wenn ich den Titel hole und die Fans meine Kämpfe sehen, werden sie auch das technische Boxen interessant finden", sagt er. Die Lust mag Tajbert zwischenzeitlich verloren haben; sein Selbstvertrauen nie.