Der Hamburger Boxstall Universum baut auf nur wenige, dafür jedoch qualitativ hochklassige Kämpfer mit Aussicht auf WM-Titel.

Kiel. Zsolt Erdei hat noch einen Traum. Der 35 Jahre alte Boxprofi aus dem Hamburger Universum-Stall möchte unbedingt in seiner Heimat zum Sportler des Jahres gewählt werden. Sollte ihm dieser Wunsch auch in 2009 nicht erfüllt werden, müsste man ernsthaft am Geisteszustand der ungarischen Sportjournalisten zweifeln, denn für das, was Erdei am späten Sonnabend vor 4000 Fans in der Kieler Sparkassen-Arena verkörperte, genügt ein Wort: Weltspitze.

Mit einer unfassbaren Energieleistung bezwang der langjährige WBO-Weltmeister im Halbschwergewicht den italienischen WBC-Cruisergewichtschampion Giacobbe Fragomeni (40) nach zwölf actiongeladenen Runden durch Mehrheitsentscheid (115:113, 115:113, 114:114) nach Punkten und beendete damit seinen Ausflug in das nächsthöhere Gewichtslimit mit einem Paukenschlag. Die Leistung des Ungarn war umso bemerkenswerter, wenn man weiß, dass er noch eine Woche zuvor mit einem fiebrigen Infekt zu kämpfen hatte. "Nach der vierten Runde war der Puszta-Junge aus der Puste. Ich musste mit dem Herzen kämpfen. Das war richtige Männerarbeit", sagte Erdei, der über seine weitere Zukunft noch nicht nachgedacht haben will. "Ich werde jetzt Pause machen und mir in aller Ruhe überlegen, wie es weitergeht", sagte er.

Dass Erdei nicht die Zukunft des Universum-Stalls ist, war zu vorgerückter Stunde im Raum "Dänemark" zu spüren, in dem die offizielle Pressekonferenz stattfand. Dort sprach Universum-Chef Klaus-Peter Kohl zwei Sätze, die aufhorchen ließen. "Das war heute ein enorm wichtiger Abend für unsere Zukunft. Und nach diesen Kämpfen kann man sagen, dass wir auf unserem neuen Weg richtig sind", sagte er. Dabei war es nicht nur der herausragende Triumph Erdeis, der den 65-Jährigen so glücklich gemacht hatte, sondern vielmehr das, was in den beiden weiteren Hauptkämpfen mit deutscher Beteiligung passiert war.

Mit Superfedergewichtler Vitali Tajbert (27) und Supermittelgewichtler Dimitri Sartison (29) hatten sich zwei in Kasachstan geborene Ex-Olympiaboxer zu Profiweltmeistern durchgeschlagen. Tajbert bezwang in einem hochklassigen Duell Humberto Gutierrez (21, Mexiko) über zwölf Runden einstimmig (116:112, 116:112, 116:113) nach Punkten und sicherte sich den Interims-Titel des WBC, der nach dem zum Jahresende erwarteten Aufstieg von Champion Humberto Soto (Mexiko) ins Leichtgewicht zum regulären Titel umgewandelt wird. Sartison besiegte den am Auge verletzten Kroaten Stjepan Bozic (35) durch Abbruch in der Pause zur sechsten Runde und holte sich den vakanten Titel der WBA, der durch die Ernennung Mikkel Kesslers zum Superchampion frei geworden war.

Kohl und sein Schwiegersohn Dietmar Poszwa waren über diese Siege deshalb so glücklich, weil sie im Kampf um einen neuen TV-Vertrag - der mit dem ZDF läuft im Herbst 2010 aus, über eine Verlängerung zu deutlich verringerten Umfängen wird verhandelt - alles auf die deutsche Karte setzen wollen, was angesichts der enttäuschenden TV-Quote für Erdei (3,5 Millionen im Schnitt) als einzig sinnvolle Lösung erscheint. Zugpferde sind die Schweriner Jürgen Brähmer (WBO-Champion im Halbschwergewicht) und Sebastian Zbik (WBC-Interims-Weltmeister im Mittelgewicht). Beide verteidigen am 19. Dezember ihre Titel in der Heimat. Als weitere wichtige Bausteine sind Susi Kentikian (WIBF/WBA/WBO-Weltmeisterin im Fliegengewicht) und Ina Menzer (WIBF/WBC/WBO-Weltmeisterin im Federgewicht) eingeplant. Mit Sartison und Tajbert kamen nun weitere Hoffnungsträger hinzu. Ergänzt wird die Riege von Amateur-Weltmeister Jack Culcay-Keth (Mittelgewicht), der am 19. Dezember in Schwerin sein Profidebüt gibt, und WBO-Supermittelgewichts-Champion Robert Stieglitz (Magdeburg), den Universum gemeinsam mit dem SES-Stall promotet.

Alle weiteren Deutschen haben noch bis Auslaufen des ZDF-Vertrags die Chance, sich zu beweisen. WBA-Mittelgewichts-Weltmeister Felix Sturm, der gegen die optionale Verlängerung seines im November ausgelaufenen Vertrags eine Feststellungsklage anstrengen will, ist im neuen Konzept nicht mehr eingeplant. Bleibt er dennoch, was Universum weiterhin hofft, wäre er ein weiterer Trumpf im Ärmel. Neben der starken deutschen Fraktion baut Universum auf nur wenige, dafür jedoch qualitativ hochklassige Kämpfer mit Aussicht auf WM-Titel.

Klar ist: Der Hamburger Stall muss wegen der Auswirkungen der Finanzkrise drastisch sparen. So wird es neben dem sportlichen Bereich, der auf maximal 30 Boxer verringert werden soll, auch im administrativen Sektor und bei den Trainern Entlassungen geben. "Mit diesen Maßnahmen hoffen wir, uns für die Zukunft bestens aufstellen und neue Partner für uns begeistern zu können", sagt Poszwa, der für das neue Konzept maßgeblich verantwortlich ist.