Der 32-jährige Nationaltorwart Robert Enke wurde an einem Bahnübergang unweit seines Wohnorts von einem Zug überrollt.

Hannover. Die Fußball-Welt ist erschüttert und geschockt: Der deutsche Nationaltorwart Robert Enke ist tot, er hat sich nach Angaben seines Beraters Jörg Neblung das Leben genommen. „Es war Selbstmord“, sagte Neblung der Deutschen Presse-Agentur dpa am Dienstagabend:„Über weitere Hintergründe möchte ich heute nicht sprechen.“ Die Polizei hatte zuvor erklärt, dass vieles auf einen Suizid des 32 Jahre alten Fußballprofis von Hannover 96 an einem Bahnübergang hindeute. Der achtmalige Nationalspieler war gegen 18.25 Uhr von einem Zug erfasst und tödlich verletzt worden, teilte die Polizei am Dienstagabend mit. Enke hinterlässt seine Frau und die im Mai adoptierte Tochter.

Bis in die Nacht gab es polizeiliche Untersuchungen an einem Bahnübergang in Neustadt am Rübenberge, in der Nähe von Enkes Wohnort. Gegen 18.30 Uhr wurde der Nationaltorwart am Ortsrand von Neustadt-Eilvese in der Nähe seines Wohnortes von einem Regionalexpress erfasst, der mit 160 Stundenkilometern auf dem Weg nach Hannover war, wie ein Polizeisprecher am Abend vor Ort sagte. Die beiden Lokführer hätten Enke nur noch leblos aufgefunden. In unmittelbarer Nähe der Bahngleise habe man Enkes unverschlossenen Geländewagen entdeckt. Die Türen seien ge-, aber nicht verschlossen gewesen, auf dem Sitz habe Enkes Portemonnai gelegen, sagte der Polizeisprecher weiter. Die beiden Lokführer des Regionalexpresses hätten ausgesagt, eine Person im Scheinwerferlicht auf den Gleisen stehen gesehen zu haben. Die Männer hätten eine Vollbremsung eingeleitet, der Zug sei aber nicht mehr rechtzeitig zum Stillstand gekommen.

Vor dem Stadion von Hannover 96 stellten noch am Abend Fans Kerzen auf und trauerten um ihren Lieblingsspieler, der nur 32 Jahre alt wurde. „Das ist ganz furchtbar“, sagte Martin Kind, der Präsident des Fußball-Bundesligisten Hannover 96. „Ich bin fassungslos“, kommentierte 96-Manager Jörg Schmadtke.

Hannover-Präsident Martin Kind sagte der „Bild“-Zeitung: „Die Polizei hat mich angerufen und hat bestätigt, dass Robert Enke tot ist. Ich habe die Todesnachricht um etwa 19.35 Uhr erhalten.“ 96-Manager Jörg Schmadtke zeigte sich zutiefst betroffen: „Unser Mitgefühl gilt der Familie. Uns hat ein großartiger Sportler und Mensch verlassen, der in Hannover und in Deutschland eine große Lücke hinterlässt.“

Porträt Robert Enke: Aus dem Leben eines außergewöhnlichen Torwarts

Kind war von der Sitzung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) aus Frankfurt/Main zurückgekehrt, am Flughafen bekam er den schockierenden Anruf. „Man rechnet mit vielem, aber nicht mit so etwas“, sagte Kind. „Ich weiß nicht, warum es und wie es passiert ist“, sagte Kind. Der 96-Chef ist sich allerdings sicher, „dass es nichts mit Fußball zu tun hat“.

Im Lager der deutschen Nationalmannschaft löste die Nachricht von Enkes Tod ebenfalls große Bestürzung aus. Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff informierten die Spieler und Betreuer am Dienstagabend im DFB-Quartier in Bonn. „Wir sind alle geschockt, uns fehlen die Worte“, äußerte Bierhoff in einer ersten offiziellen Reaktion. Löw und das Team um Kapitän Michael Ballack hatten am Dienstagabend nach dem ersten Training für die letzten beiden Länderspiele des Jahres von dem Unglück erfahren.

Auch DFB-Präsident Theo Zwanziger zeigte sich tief betroffen: „Wir sind fassungslos und voller Trauer. Unser ganzes Mitgefühl gilt der Frau von Robert Enke und seiner Familie.“ Enke und seine Frau hatten im Mai ein damals zwei Monate altes Mädchen adoptiert. Ihre gemeinsame Tochter Lara war im September 2006 im Alter von zwei Jahren gestorben. Sie litt an einem angeborenen Herzfehler. Das Schicksal der Enke-Tochter löste damals große Betroffenheit bei den Fußballfans in Deutschland aus. „Er war labil“, berichtete Kind. Das sei in der Öffentlichkeit wohl nicht aufgefallen. „Er hat das überlagert“, erklärte der 96-Clubchef.

Wie die sportliche Leitung der Nationalmannschaft im Hinblick auf die Vorbereitung auf das bevorstehende Länderspiel am Samstag in Köln gegen Chile vorgehen wird, blieb am Dienstagabend ungewiss. „Wir wissen noch nicht, was am Mittwoch ist“, berichtete DFB- Mediendirektor Harald Stenger. Für Mittwochmorgen (10.30 Uhr) war ursprünglich ein Training im Sportpark Nord in Bonn angesetzt, bei dem auch Kamerateams, Reporter und Fotografen zumindest am Anfang zugelassen sein sollten. Für 12.30 Uhr war in Bonn eine Pressekonferenz anberaumt. Die Teilnehmer waren noch nicht bekanntgegeben worden. Ob sich Bundestrainer Löw oder Teammanager Bierhoff dann äußern werden, ließ der DFB offen.

Enke hatte wegen einer Erkrankung, die als Bakterien-Infektion des Darmes angegeben worden war, zuletzt WM-Qualifikationsspiele verpasst. Er war auch nicht für die beiden Länderspiele gegen Chile und die Elfenbeinküste am 14. und 18. November eingeladen worden. Löw hatte dem Hannoveraner aber deutlich signalisiert, dass er weiter ein Favorit auf die Nummer eins bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika sei. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erfuhr erst unmittelbar nach der Rückkehr vom ersten Training in Bonn von der Katastrophe.

Nach der EM und dem Rücktritt von Jens Lehmann war Enke bald Stammtorhüter der DFB-Auswahl geworden. Sein erstes Länderspiel bestritt Enke im März 2007 beim 0:1 gegen Dänemark. Bereits beim Confed Cup 1999 hatte er zum DFB-Kader gehört, blieb aber ohne Einsatz. Insgesamt hütete er in sechs von elf Länderspielen in der Saison 2008/09 das Tor. Löw hatte sich allerdings nicht ausdrücklich für Enke als neue Nummer Eins ausgesprochen, so dass sich dieser auch weiterhin dem Konkurrenzkampf mit Rene Adler, Tim Wiese und Manuel Neuer stellen sollte. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) zeigte sich tief betroffen von Enkes Tod. „Deutschland verliert einen Ausnahmesportler und einen sensiblen Menschen, der für viele ein Vorbild war. Wir trauern um ihn und unser Mitgefühl ist bei seiner Frau, seiner Familie, seinen Angehörigen und vielen Freunden“, sagte Wulff am Dienstagabend nach einer Mitteilung der Staatskanzlei . (dpa/abendblatt.de)