Franz Beckenbauer tönte nach dem Mauerfall. Neue Stars kamen in den deutschen Sport. Die Probleme waren größer, als viele ahnten...

Hamburg/Berlin. Die deutsche Einheit - ein Datum, zwei Systeme, aus denen jetzt wieder ein Deutschland werden sollte. Vor 20 Jahren, am 9. November 1989, begann mit dem Fall der Mauer eine neue Epoche für die Bundesrepublik. In der Politik, in der Wirtschaft und der Kultur. Aber auch im Sport.

Neue Vereine kamen in die Bundesliga, es gab Ost-West-Derbys. Und in den neuen Vereinen spielten neue Stars - Thomas Doll, Matthias Sammer, Ulf Kirsten. Doch die Einheit brachte auch für den Sport auch Probleme, Skandale und Affären. Sie brachte marode Stadien und gedopte Sportler. Bis heute ist vieles gelungen - vor allem in der Organisation der wiedervereinten Sportwelt. Und doch ist vieles auch nach 20 Jahren Einheit unvollendet.

Drei Tage nach dem Mauerfall war sich der Mann von der „New York Times“ ganz sicher: „Die Vereinigung ist unaufhaltsam, und sie kommt schnell. Und dann könnt ihr Deutschen euch besonders über den Sport freuen. Ihr werdet die Nummer eins werden.“

Von dieser amerikanischen Prognose stimmte nur die erste Hälfte. Die Zweite erwies sich als Irrtum, dem acht Monate später auch Franz Beckenbauer anheimfiel. Nach dem am 8. Juli 1990 in ganz Deutschland umjubelten Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft verstieg sich der Nationalmannschafts-Teamchef zu der Behauptung, mit den hoch talentierten Fußballern aus der DDR zusammen sei Deutschland „unschlagbar“.

Organisatorisch hat der deutsche Sport die Vereinigung 1990 gemeistert. Die inhaltlichen und materiellen Probleme der Sport-Vereinigung waren enorm, und sie wirken bis heute fort. Die DDR-Erbschaft bestand aus unzureichenden Sportstätten und einer Infrastruktur, die den Breitensport zum Stiefkind machte.

Das „Sportwunder DDR“ wurde erkauft durch eine Fokussierung auf den Hochleistungssport, der zentral organisiert und gelenkt war. Der Staat überwachte ihn durch seinen Sicherheitsdienst und ließ Dopingmittel entwickeln für flächendeckenden Einsatz. Als die DDR zusammenbrach, beschäftigte der DTSB rund 10000 Hauptamtliche, davon 4500 Trainer. Nach der Vereinigung fanden nur rund 600 dieser zum Teil hoch qualifizierten Experten eine Anstellung im Bereich des nunmehr gesamtdeutschen DSB, etwa 70 kamen im Ausland in Lohn und Brot.

Und die Traditionsklub wie Dynamo Dresden, wie Magdeburg? Nach der Wiedervereinigung blieben die Fußball-Landschaften im Osten der Republik vor allem eines - kahl: Kurze Zwischenhochs und lange Abstürze, Insolvenzen und Skandale: die besten Fußball-Adressen der ehemaligen DDR sind weitgehend in der Versenkung verschwunden.

Der einzige DDR-Europapokalsieger 1. FC Magdeburg (1974) kämpft um den Drittliga-Aufstieg, dort sind die Renommiervereine Dynamo Dresden und Carl Zeiss Jena trotz großer Ambitionen nur Abstiegs-Kandidaten. Der Serienmeister der 80er Jahre, der BFC Dynamo, kickt fünftklassig, und in Union Berlin ist ausgerechnet ein Zweitliga-Klub das aktuelle Ost-Aushängeschild, der 1989 aus der DDR-Oberliga abgestiegen war. Mit Hilfe der 2+6-Regel wurden die DDR-Topvereine 1991 in die Bundesligen integriert. Zwei (Dynamo Dresden und der letzte DDR-Meister Hansa Rostock) in die Bundesliga, sechs (Rot-Weiß Erfurt, Hallescher FC, Chemnitzer FC, Carl Zeiss Jena, 1. FC Lok Leipzig und Stahl Brandenburg) wurden zweitklassig.

Wenigstens die Leipziger nutzten das zu einem kurzen Zwischenhoch, spielten als VfB Leipzig 1993/94 eine Saison erstklassig und wurden 2004 nach der zweiten Insolvenz aufgelöst. Der damals neu gegründete 1. FC Lok hat es inzwischen immerhin bereits wieder in Liga 5 geschafft.

Nach der Wiedervereinigung taten sich im Sportgeschäft Fronten auf, und sie sind noch heute nicht begradigt. Einerseits der Vorwurf des bloßen Anschlusses, der kaum etwas von einem erfolgreichen Leistungssportsystem übrig gelassen habe. Andererseits der erhobene moralische Zeigefinger als automatische Übung, wann immer es um eine Stasi- oder Doping- Problematik geht. 20 Jahre nach der Vereinigung ist auch im Sport noch manches aufzuarbeiten, zu korrigieren – und fortzuentwickeln sowieso. So ist die Vereinigung eine Unvollendete.