Jenson Button und Rubens Barrichello können dem britischen Team den doppelten WM-Triumph bescheren.

São Paulo. Ein Angler aus Leidenschaft als Teamchef, ein Pilot mit Playboy-Image als WM-Spitzenreiter und ein "ewiger Zweiter" im zweiten Cockpit: Zusammen stehen die "fabelhaften Brawn-Boys" kurz vor ihrem ersten Meisterstück in der Formel 1. Ein Pünktchen - theoretisch sogar nur ein halbes - reicht dem BrawnGP-Team mit Boss Ross Brawn, Jenson Button und Rubens Barrichello zum Gewinn der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft. "Brasilien wird ein wichtiges Rennen für das Team und unsere Fahrer sein", meinte Brawn, der den Rennstall vor dem Aus rettete, vor dem Großen Preis von Brasilien am Sonntag (18 Uhr/RTL und Sky live) in São Paulo.

Seine beiden Fahrer mussten vor einem Jahr noch lange zittern - nicht um Siege oder Punkte. Es ging um die Zukunft ihres Arbeitgebers. Erst kurz vor dem Saisonstart war die Übernahme des Honda-Rennstalls durch den ehemaligen Ferrari-Strategen Brawn besiegelt, nachdem der japanische Hersteller aus der Formel 1 ausgestiegen war.

Zum Testen blieb nur wenig Zeit. Es reichte aber, um die Konkurrenten mehr als nur zu beeindrucken. BrawnGP stellte - zusammen mit Sebastian Vettels Red-Bull-Team - die Hackordnung der Königsklasse auf den Kopf. Dem Doppelerfolg durch Button und Barrichello zum Auftakt in Australien folgten sieben weitere BrawnGP-Siege. In der Fahrerwertung kann nur noch der Heppenheimer Vettel (69 Punkte) Button (85) und Barrichello (71) in den beiden ausstehenden Grand Prix in Südamerika und Abu Dhabi (1. November) abfangen. Dass Button den WM-Titel, den er am Sonntag vorzeitig einfahren kann, verdient, daran gibt es keine Zweifel. Dasselbe gilt für die Konstrukteurs-Krone, die dem Rennstall einiges an Geld einbringen wird.

Vor Argwohn waren die "Brawnies" aber auch nicht gefeit - Stichwort Doppel-Diffusor. Wegen dieses umstrittenen Teils wurden zu Saisonbeginn die Instanzen des Internationalen Automobilverbandes FIA angerufen - und entschieden: alles regelkonform. Hauptgrund für die Dominanz von Brawn: Die Mercedes-Motoren laufen wie geschmiert. Nach dem Ausstieg von Honda aus finanziellen Gründen musste auch ein Partner für den Antrieb gesucht werden. Fündig wurde Brawn in Stuttgart. Ein umfangreicheres Engagement des schwäbischen Automobilbauers ist von der kommenden Saison an denkbar.

Und auch, dass Nico Rosberg dann in einem Brawn-Mercedes sitzen wird. Während Hobby-Triathlet Button trotz auslaufenden Vertrags wohl weiter für die Briten fahren wird, gilt es längst als sicher, dass der einstige Wasserträger von Rekord-Weltmeister Michael Schumacher wechselt. Barrichello könnte an der Seite des deutschen GP2-Champions Nico Hülkenberg in einem Williams starten.

Privat trennen die wahrscheinlichen Weltmeister Welten: Button gilt als einer der letzten Playboys in der einstigen Glamour-Szene. Der 29 Jahre alte Brite und seine Freundin, das Model Jessica Mitchibata, sind häufig in Boulevard-Blättern abgelichtet. Der zweifache Vater Barrichello ist mehr ein Familienmensch. Der 37 Jahre alte Brasilianer freute sich, in den Tagen vor seinem Heimrennen unweit seines Elternhauses die Kinder von der Schule abholen zu können.

Und schließlich der Teamchef: 2007 genehmigte sich der manchmal kauzig wirkende Brawn ein Sabbatjahr. Der Brite, dessen strategische Finesse und taktischer Esprit schon Schumacher zum fünfmaligen Weltmeister mit Ferrari machten, ging angeln. Diese Auszeit habe seine Sichtweise auf den Sport nicht verändert, sagte Brawn einmal, aber ihn daran erinnert, was ihn ausmache und was er vermisse: "Den Wettbewerb, Teil einer Gruppe zu sein, die etwas erreichen will."